Holm/Hetlingen. Mutter aus dem Kreis Pinneberg entdeckt verletztes Tier an der Straße und rettet auf eigene Faust. Aber: Ist das auch richtig?
Die Autofahrerin traut ihren Augen nicht. Mitten auf der Landstraße zwischen Holm und Hetlingen hockt ein Greifvogel. Alle vor und hinter ihr fahren drumherum, manche langsam, einige schnell. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der offenkundig angefahrene Vogel unter die Räder kommt. Was tun?
Nichts tun? Nein, das ist für die entschlossene Krankenschwester Anika Lahmann keine Option. Also stoppt die 49-Jährige, greift sich den Vogel, setzt ihn an den Straßenrand. „Wäre der Vogel nur leicht verletzt gewesen, hätte er sich in diesem Moment aus dem Staub gemacht“, sagt die Hetlingerin. Aber der Mäusebussard ist kraftlos und kippt einfach um.
Greifvogel in Gefahr: Frau entscheidet sich, das Tier selbst in die Station zu bringen
Also weiter im Hilfssystem fragen. Per Handy versucht sie, Unterstützung zu rufen. In der Wildtierstation in Sparrieshoop erreicht sie Christian Erdmann. Der Leiter der Einrichtung gibt ihr den Tipp, die Polizei, den Jagdaufseher oder die Ranger des Elbmarschenhauses zu alarmieren. Er könne zurzeit niemanden schicken.
Die Frau entscheidet sich, das Tier selbst in die Wildtierstation zu bringen. Der Tipp der Experten dazu: Handtuch, Jacke oder Decke über das Tier stülpen, um die Sicht zu nehmen. Am besten in einen Karton packen!
Der Trick: Decke, Jacke oder Tuch über den Kopf legen
Ein Handtuch liegt im Auto, eine Kiste fehlt. Die Hetlingerin packt mutig zu, setzt das Tier in den Fußraum ihres Kleinwagens und fährt in Richtung Wildtierstation. „Durch die Wärme im Auto ist der Bussard wieder ein wenig beweglich geworden, hat sich vom Handtuch befreit. Ich habe ihm gesagt, er dürfe hier jetzt nicht fliegen und soll unten hocken bleiben.“
Der Greifvogel gehorcht. Auch die Mitarbeiterin in der Wildtierstation hat später keine Mühe, das verletzte Tier aus dem Wagen zu heben und zu untersuchen. Die gute Nachricht: „Es ist nichts gebrochen. Der Vogel hat wahrscheinlich durch den Zusammenprall mit einem Auto eine Gehirnerschütterung erlitten. Wir behalten ihn ein paar Tage hier und lassen ihn dann wieder frei.“
Polizei und Jäger helfen zumeist gern
Das bestätigt auch Katharina Erdmann, die gemeinsam mit ihrem Mann die Wildtierstation leitet. Sie lobt das mutige und umsichtige Verhalten der Frau. Gleichzeitig rät sie, in solchen Fällen gern die Polizei um Hilfe zu bitten. Die Beamten wüssten in der Regel, wer der zuständige Jagdaufseher sei.
„Viele Jäger und auch Polizisten bringen uns verletzte Tiere“, erzählt Katharina Erdmann, die ebenso wie ihr Mann auch selbst ausgebildete Jägerin ist. Grundsätzlich würden Greifvögel dem Jagdrecht unterliegen. Für die Greifvögel gelte eine ganzjährige Schonzeit. Trotzdem habe die Bürgerin richtig gehandelt: Die Wildtierstation habe eine Sondererlaubnis, sich um die verletzten Vögel zu kümmern.
Finder eines verletzten Tieres sollte Geduld haben
Was in diesem Fall für alle Beteiligten gut gelaufen ist, geht in der Praxis leider so manches Mal schief. Denn manchmal wisse der diensthabende Beamte auf der Wache leider doch nicht, wer der zuständige Jagdaufseher sei. Und auch die Jäger seien ja nur ehrenamtlich tätig, also nicht immer greifbar.
„Wenn dann im Ernstfall der Finder eines verletzten Tieres den fünften Anruf tätigt und auch bei uns nur hört, dass leider niemand zurzeit kommen könne, landet der Frust und Ärger oft bei uns“, erzählt die Stationsleiterin. Deshalb bittet sie alle Anrufer um Geduld.
Forderung: Mehr Berufsjäger und bessere Ausstattung der Polizei
Um im Sinne des Tieres angemessen helfen zu können, fordert Katharina Erdmann, mehr Berufsjäger einzustellen sowie Polizei und Feuerwehr für Tierrettungen besser auszustatten. Denn im Ernstfall könnten leider nicht viele Tierfinder so beherzt handeln wie die Hetlingerin im akuten Fall.
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Die Wildtierstation in Klein Offenseth-Sparrieshoop ist wie folgt zu erreichen: Am Sender 2, Telefon 04121/4501939, aktuelle Sprechzeiten 8.30 bis 17 Uhr, info@wildtier-und-artenschutzzentrum.de. Weitere Infos finden sich auf der Homepage der Einrichtung, deren laufende Kosten rein durch Spenden finanziert werden.