Pinneberg. Nach dem Not-Abbruch eines verseuchten Gebäudeteils legt Gutachten den Komplettabriss nahe. Wann Mitarbeiter mit Neubau rechnen können.

Jetzt ist klar: Auch der verbliebene Ostflügel des Amtsgerichts Pinneberg ist nicht zu retten. Wie das Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH) mitteilt, wird derzeit der Abriss des Gebäudeteils geplant und später erfolgen. Auf dem Grundstück an der Bahnhofstraße wird dann das Gerichtsgebäude komplett neu gebaut.

Das ist für die 125 Mitarbeiter des Amtsgerichts zweifellos eine gute Nachricht. Die schlechte ist, dass bis zur Inbetriebnahme des neuen Standortes in Pinneberg noch mehrere Jahre vergehen dürften. Bisher gibt es keinerlei Planungen für das Projekt, sie werden jetzt erst aufgenommen.

Betonkrebs in Pinneberg: Das 1975 gebaute Amtsgericht bestand aus zwei Flügeln

Das 1975 erbaute Gerichtsgebäude bestand aus einem Ost- sowie einem Westflügel, der auf Stelzen über einer Parkfläche erbaut worden war. Letzterer wurde im Mai 2021 fluchtartig verlassen worden, nachdem an den Stützen ein Betonkrebsbefall festgestellt worden war. Dahinter verbirgt sich eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion, die die Tragfähigkeit der Fundamente beeinträchtigt. Es bestand akute Einstutzgefahr.

Etwa 30.000 Akten konnten von den Entschärfungsrobotern „Telemax“ und „Teodor“, die zwischen August 2021 und Ende Januar 2022 im Einsatz waren, aus dem Gebäude geholt werden. Andere mussten zurückgelassen werden. Ebenso wie viele persönliche Gegenstände der 69 Mitarbeiter, die in diesem Gebäudeteil tätig waren.

Pinneberg: Der vorsichtige Abriss des Westflügels startete im Spätsommer 2022

Der Abriss des Westflügels hatte im Spätsommer 2022 begonnen und endete im Mai 2023. Im Anschluss wurde ein Gutachten über den baulichen Zustand des Ostflügels erstellt, dessen Fertigstellung sich immer weiter verzögerte. Auf der Basis dieser Expertise sollte die Entscheidung fallen, ob der ebenfalls geschädigte Ostflügel saniert und durch einen Anbau ergänzt werden kann und wenn ja, ob diese Maßnahme gegenüber einem kompletten Neubau die wirtschaftlichere Variante ist.

Die Entscheidung ist jetzt gefallen – und die GMSH hat den Daumen, was den Ostflügel angeht, gesenkt. „Wir konnten nicht ausschließen, dass es trotz einer Sanierung auch weiterhin zu Schäden am Bauwerk kommt“, so GMSH-Sprecherin Barbara Müller.

Jetzt ist die Entscheidung gefallen: Auch der Ostflügel des Amtsgerichts Pinneberg wird abgerissen. An der Bahnhofstraße wird später ein kompletter Neubau entstehen.
Jetzt ist die Entscheidung gefallen: Auch der Ostflügel des Amtsgerichts Pinneberg wird abgerissen. An der Bahnhofstraße wird später ein kompletter Neubau entstehen. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Laut Müller habe die GMSH in den vergangenen Monaten intensiv untersucht, ob der Ostflügel saniert werden kann. Die externen Gutachten hätten jedoch ergeben, dass aufgrund aufsteigender Feuchte im Untergeschoss auch nach einer Sanierung mit einer weiteren Schädigung der Fundamente zu rechnen ist. Zudem würden sich bei einer Sanierung die Archivflächen im Untergeschoss deutlich reduzieren.

Auf der Basis dieser Untersuchung sei jetzt die Entscheidung getroffen worden, einen kompletten Neubau für das Amtsgericht Pinneberg zu errichten. „Er wird auf dem jetzigen Grundstück entstehen“, so die GMSH-Sprecherin. Es sei geplant, beim Neubau auf regenerative Energien zu setzen.

Amtsgericht Pinneberg erhält Neubau nach neuesten und modernsten Standards

Zudem würden nachhaltige Baustoffe verwendet. Die Büros und Gerichtssäle sollten modernsten Standards der Justiz entsprechen und optimale Zugänge für die Öffentlichkeit ermöglichen, um einen reibungslosen Ablauf von Gerichtsverfahren zu gewährleisten.

Klingt gut, dauert aber. Als erstes muss das Grundstück vom Altbestand befreit werden. Wie schnell der Ostflügel plattgemacht werden kann, steht nicht fest. „Wir müssen nicht wie beim Westflügel das Gebäude Stockwerk für Stockwerk abtragen“, betont Müller. Klar ist also, dass dieser Gebäudeteile zügiger abgebrochen werden kann.

Die Betonstützen, die den über einer Parkfläche errichteten Westflügel trugen, waren vom Betonkrebs zerfressen. Es bestand akute Einstutzgefahr.
Die Betonstützen, die den über einer Parkfläche errichteten Westflügel trugen, waren vom Betonkrebs zerfressen. Es bestand akute Einstutzgefahr. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Ob dies noch in diesem Jahr erfolgen kann, ist unklar. Laut Müller haben aktuell die Planungen für den Abriss begonnen, dieser soll nach Abschluss der Planungsphase zügig erfolgen. Müller: „Wann mit dem Neubau gestartet werden kann und wie hoch die Kosten sein werden, steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest.“

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Knapp drei Jahre nach Aufgabe des Standorts ist jetzt zumindest klar, dass ein vollständiger Neubau erfolgen wird. Dafür beginnen jetzt die Planungen. Zunächst muss ein Raumprogramm aufgestellt werden, damit klar ist, wie viel Bauvolumen an der Bahnhofstraße tatsächlich benötigt wird.

Im Anschluss kann ein Architekturbüro damit beginnen, den Neubau zu entwerfen. Sind die Entwürfe finalisiert, müssen die Baugenehmigung eingeholt und die Bauleistungen ausgeschrieben werden. Es folgt die Bauphase. Klar ist: All das wird mehrere Jahre dauern. Ein neues Amtsgericht dürfte frühestens zum Ende des Jahrzehnts in Betrieb gehen.

Mitarbeiter arbeiten an Interimsstandorten in Quickborn und Schenefeld

So lange müssen die 126 Mitarbeiter des Amtsgerichts an ihren Interimsstandorten ausharren. 50 Mitarbeiter aus den Bereichen Register, Grundbuch, Nachlass und Insolvenz waren bereits im Oktober 2021 in eine Außenstelle in Quickborn gezogen. Sie waren zuvor größtenteils im Westflügel in Pinneberg tätig.

Die 75 übrigen Mitarbeiter aus dem Ostflügel waren im Juni 2022 nach Schenefeld gezogen – und zwar an den Osterbrooksweg in ein ehemaliges Bürogebäude der Firma Interschalt. In dem Komplex hat das Land 2900 Quadratmeter angemietet. Dort sitzen die Abteilungen für Zivil-, Straf- und auch Familiensachen – und parallel finden dort die Gerichtsverfahren statt.