Elmshorn/Itzehoe. Jörg T. aus Elmshorn führte einen Doktortitel und impfte als Privatarzt sogar gegen Corona. Nun sitzt er hinter Gittern – die Vorwürfe.

Er fälschte seine Approbationsurkunde und führte einen Doktortitel: Jörg T. aus Elmshorn betrieb eine Privatpraxis, impfte Patienten gegen Corona und bewarb sich im Vorjahr sogar als Kandidat für die Kammerwahl der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Dabei hat der 62-Jährige weder Medizin studiert noch promoviert. Hinter der Fassade des smarten Privatarztes verbarg sich ein vorbestrafter Kinderschänder.

Seine Räumlichkeiten an einer von Villen gesäumten Straße in Elmshorn, wo Jörg T. laut Internet sowohl seine Praxis als auch eine Computerfirma betrieb, hat er seit einigen Monaten mit einer kleinen Zelle in der JVA Lübeck getauscht. Am Donnerstag begann vor der 15. Großen Strafkammer des Landgerichts Itzehoe der Prozess gegen den mutmaßlichen Hochstapler.

Kinderschänder gibt sich als Privatarzt aus: Urkundenfälschung und Titelmissbrauch

Und die Vorwürfe in der Anklageschrift wiegen schwer. Es geht um Urkundenfälschung, um Titelmissbrauch, um Betrug. Aber auch um schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes, um den Besitz und das Anfertigen von Kinderpornografie. Taten, die den wegen Kindesmissbrauch rechtskräftig vorbestraften und unter Bewährung stehenden Mann für einige Jahre hinter Gitter bringen könnten.

Wer den Namen des Angeklagten, der selbst Kinder hat, bei Google eingibt, stößt sofort auf die Arztauskunft. Sie weist den 62-Jährigen als praktischen Arzt in Elmshorn aus, der die Berufsbezeichnung Dr. med führen soll. Auch eine Telefonnummer sowie werktägliche Sprechzeiten werden angegeben. Laut Anklage soll Jörg T. auch ein Schild vor dem Haus mit Verweis auf seine Praxis aufgestellt haben.

Gericht: Mal behauptete Jörg T., Notarzt, mal Anästhesist, mal Amtsarzt zu sein

In der Anklageschrift werden drei Zeugen aufgelistet, denen gegenüber sich der Angeklagte als Arzt ausgegeben haben soll. Mal behauptete er demnach, Notarzt, mal Anästhesist, mal Amtsarzt zu sein. Am 31. Mai 2022 versuchte er mit einem selbst ausgestellten Privatrezept, sich das Beruhigungsmittel Diazepam in einer Apotheke zu besorgen. Das scheiterte jedoch, weil der 62-Jährige keinen Arztausweis vorlegen konnte.

Eine Außenansicht mit dem Eingangsbereich zum Landgericht Itzehoe, wo sich der Hochstapler jetzt verantworten muss.
Eine Außenansicht mit dem Eingangsbereich zum Landgericht Itzehoe, wo sich der Hochstapler jetzt verantworten muss. © dpa | Christian Charisius

In dieser Hinsicht besserte der Elmshorner dann offenbar nach. Laut Anklageschrift fälschte er eine Approbationsurkunde und stellte am 29. Juli 2022 einen Aufnahmeantrag bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein, dem auch entsprochen wurde. Daraufhin ließ sich der Angeklagte als Kandidat für die Kammerwahl im Juni 2023 aufstellen. Von den neun Bewerbern aus dem Kreis Pinneberg erhielt er jedoch die wenigsten Stimmen.

Auch auf Visitenkarte führte der Angeklagte unrechtmäßig einen Doktortitel

Das hielt den Angeklagten jedoch laut Anklage nicht davon ab, sich Visitenkarten zu drucken, auf denen sein angeblicher Doktortitel prangte. Auch im Impressium seines IT-Unternehmens bezeichnete er sich als Doktor. „Sie haben weder Medizin studiert noch promoviert“, hielt Staatsanwältin Anna Merz dem 62-Jährigen vor.

Laut Anklageschrift nahm dieser im Jahr 2021 auch Corona-Impfungen in seiner angeblichen Praxis vor. Ein Zeuge wird aufgeführt, der sowohl die Erst- als auch die Auffrischungsimpfung bekam – im Glauben, einen richtigen Doktor vor sich zu haben.

Bei dem Elmshorner handelt es sich um einen rechtskräftig verurteilten Kinderschänder

Stattdessen impfte ihn ein Mann, der am 8. Mai 2015 vom Amtsgericht Elmshorn wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu einer Strafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Und trotz des Urteils und der laufenden Bewährung soll Jörg T. ab Sommer 2016 weitere Taten dieser Art begangen haben.

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Auch sie sind Bestandteil der Anklageschrift. Betroffen ist ein zu Beginn der Taten zwölf Jahre alter Junge, zu dessen Ersatzvater Jörg T. geworden war. Der leibliche Vater des Jungen war zuvor verstorben. Jörg T., der mit der Familie befreundet war, sprang ein – und nutzte das Vetrauensverhältnis laut Anklage zur Befriedigung seiner eigenen sexuellen Bedürfnisse aus.

Von Masturbation und Oralverkehr in mehreren Fällen ist in der Anklage die Rede. Und davon, dass der Angeklagte die sexuellen Übergriffe aufzeichnete. Die Aufnahmen wurden bei ihm gefunden, ebenso wie weitere kinderpornografische Dateien. Zudem soll Jörg T. eine Vollmacht gefälscht haben, um den Eindruck zu erwecken, Entscheidungen für die Familie des missbrauchten Jungen treffen zu können.

Missbrauchsprozess: Große Strafkammer hat acht weitere Termine anberaumt

„In der Anklage steht noch, dass sie verheiratet sind. Trifft das noch zu?“ fragte die Vortsitzende Richterin Rebecca Knof. Jörg T. verneinte, gab an, inzwischen geschieden zu sein. Laut Anklageschrift verließ ihn seine Frau, bevor im Sommer 2016 die angeklagten sexuellen Übergriffe begannen.

Der Angeklagte erhält am nächsten Termin am 7. Mai die Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Laut seinem Verteidiger Jesko Baumhöfener wird Jörg T. persönlich dazu Stellung nehmen. In dem Prozess, dem sich das mutmaßliche Missbrauchsopfer als Nebenkläger angeschlossen hat, hat die aus drei Berufsrichterinnen und zwei Schöffinnen bestehende Große Strafkammer acht weitere Termine bis zum 23. Juli angesetzt.