Helgoland. Im Krieg zerstörte „UC 71“ genau 61 Schiffe, sank dann selbst unter unklaren Umständen. Nun halfen Filmspezialisten bei der Aufklärung.
- Die UC71 lief 1919 vor Helgoland auf Grund – wieso, weiß bis heute niemand.
- Im Museum der Nordsee-Insel gibt es jetzt eine spektakuläre Ausstellung über das Schicksal des U-Bootes zu bestaunen.
- Daran beteiligt war selbst ein Set-Designer aus Hollywood.
Das U-Boot UC 71 ist ein Mysterium. Niemand weiß, warum es 1919 in der Nordsee vor Helgoland gesunken ist. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es im Ersten Weltkrieg 61 Schiffe versenkt und das Leben ungezählter Seemänner ausgelöscht. Es dauerte Jahrzehnte, bis Taucher begannen, das Wrack in rund 23 Metern Tiefe zu erforschen.
Nun wird die Geschichte des einstigen Kriegsschiffes in einer spektakulären Ausstellung im Museum Helgoland wieder lebendig. An diesem Sonntag, 14. April, wird sie eröffnet. Von der Planung des ersten Tauchgangs zum Boot, das nur einige hundert Meter südwestlich der Hafeneinfahrt liegt, bis zur Fertigstellung der Ausstellung „Die letzte Fahrt von UC 71“ sind rund zehn Jahre vergangen. Erst 2014 begann die Forschung, fast 100 Jahre nach dem Unglück.
Museum Helgoland: U-Boot hollywoodreif in Szene gesetzt
Museumsleiter Jürgen Fitschen hat sich für die Umsetzung hollywoodreife Unterstützung geholt. Im Februar und März 2024 hat Lars Groeger, Visual Effects Artist verschiedener Hollywood Produktionen, im Auftrag des Museums Helgoland das große Modell des U-Boots als Set-Designer farblich und gestalterisch arrangiert. Groeger wirkte beispielsweise an Actionfilmen wie „Mortal Engines – Krieg der Städte“ und „Dungeons & Dragons“ oder Disneys „The little Mermaid“ von 2023 mit.
Das Modell wurde zuvor nach den Unterwasserscans von Forschungstauchern um den Unterwasserarchäologen Dr. Florian Huber im 3D-Druck hergestellt. 22 großformatige spektakuläre Fotos des Wracks und der Unterwasserwelt begleiten dieses Set und schaffen eine situative Assoziation und ein anschauliches Bild der dynamischen Nordsee.
Museum Helgoland stellt Tagebuch eines Matrosen aus
Die Ausstellung rekonstruiert die Geschichte dieses Bootes bis zu seinem rätselhaften Versinken 1919 vor Helgoland. Es sind auch Originaldokumente und historische Aufnahmen von Schauplätzen aus der Zeit von 1916 bis 1918 zu sehen. Einzigartig ist das Tagebuch des Matrosen Georg Trinks, der im Ersten Weltkrieg auf dem Boot als Maschinist diente.
Jürgen Fitschen und Florian Huber geben im Juni eine gleichnamige Publikation zur Ausstellung heraus, die auch Beiträge vom Kieler Marinehistoriker Jann M. Witt enthält.
U-Boot in Hamburg bei Blohm & Voss gebaut
1916 wurde das U-Boot in Hamburg bei Blohm & Voss als Minenleger gebaut. Es wurde der Flandernflottille zugeteilt, die an der belgischen Küste des Ärmelkanals große Marinestützpunkte unterhielt. Im Ersten Weltkrieg war es vor der französischen Atlantikküste (bis in die Biskaya), in der Irischen See und im Ärmelkanal aktiv.
„Das deutsche Marinecorps hatte in Ostende, Zeebrügge und Brügge in kürzester Zeit ausgedehnte Werft- und Ausrüstungsanlagen, darunter die ersten überhaupt bekannten U-Boot-Unterstände und Schutzbunker, bauen lassen“, so Fitschen. „Hunderte deutsche U-Boote starteten von hier aus, um Handels- und Kriegsschiffe aufzubringen oder zu versenken, Häfen durch Minensperren unzugänglich zu machen und so den alliierten Nachschub für die Westfront zu unterbinden.“
Das U-Boot UC 71 versenkte 61 Schiffe
UC 71 lag in Brügge. Von dort führte ein Kanal ins rund 15 Kilometer entfernte Zeebrügge. Von dort fuhren die deutschen U-Boote über den Ärmelkanal in ihre Einsatzgebiete im Atlantik oder an englische, irische und französische Küsten.
UC 71 versenkte zwischen 1916 und 1918 unter Einsatz von Torpedos, Seeminen und Sprenggranaten insgesamt 61 Schiffe – und war dabei stets selbst in Gefahr, durch Beschuss und Bomben zerstört, von Schiffen gerammt oder von Netzsperren versenkt zu werden.
UC 71 sank vor Helgoland unter mysteriösen Umständen
Als sich im Oktober 1918 abzeichnete, dass das deutsche Marinecorps seine Stellungen in Flandern nicht mehr halten konnte, mussten die Stützpunkte in Belgien geräumt werden. Viele U-Boote wurden in deutsche Häfen verlegt und nach dem Waffenstillstand am 11. November 1918 an die Alliierten ausgeliefert.
UC 71 wurde zunächst nach Wilhelmshaven gefahren, von dort vermutlich in den U-Boot-Hafen Helgoland verlegt. Als es am 19. Februar 1919 als eine der letzten Einheiten nach England überführt werden sollte, sank es unter mysteriösen Umständen südwestlich der Einfahrt des Hafens – angeblich wegen des schlechten Wetters.
Erforschung des Wracks vor Helgoland begann 2014
Die Existenz des Wracks von UC 71 etwa 800 Meter vor der Hafeneinfahrt südwestlich von Helgoland war den für die Sicherheit des Seeverkehrs zuständigen Beamten beim Wasser- und Schifffahrtsamt bekannt. Dennoch dauerte es Jahrzehnte, ehe man nach aufwendigen Vorbereitungen im Jahre 2014 mit der Erforschung beginnen konnte.
Seitdem ist es regelmäßig von Forschungstauchern unter der Leitung des Unterwasserarchäologen Florian Huber (Submaris in Kiel) dokumentiert worden. Alle Unterwasserfotos in der Ausstellung stammen von diesen Kampagnen.
Ausstellung im Museum Helgoland eröffnet am 14. April
Wegen seines außergewöhnlichen Schicksals und der speziellen Bauweise ist das U-Boot historisch von großer Bedeutung. Es steht seit 2012 unter Denkmalschutz. Doch nach mehr als 100 Jahren in der hochdynamischen Nordsee zerfällt das 50 Meter lange Wrack unaufhaltsam.
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Spezialisten aus Finnland, Schottland und Kiel haben deshalb das Wrack mittels Fotogrammetrie gescannt. Die Taucher um Huber filmten jeden Winkel des Boots mit hochauflösenden Kameras. Aus den Videoclips wurden später rund 30.000 Einzelfotos extrahiert, die anschließend zu einem digitalen Modell verrechnet wurden. Das im Museum präsentierte Modell wurde auf der Grundlage dieser Daten im 3D-Druckverfahren hergestellt und von Lars Groeger aufwendig in Szene gesetzt.
Die Ausstellung kann vom 14. April 2024 bis 5. Januar 2025 täglich von 10 bis 14.30 Uhr im Museum Helgoland, Kurpromenade 1430, besucht werden. Der Eintritt kostet 6 Euro.