Pinneberg/Itzehoe. Mitten in Pinneberg eskaliert eine Auseinandersetzung von zwei Männern. Am Ende ist einer fast tot. Jetzt wird vor Gericht verhandelt.
Mit einem freundlichen Tschüs verabschiedet sich Witali W., grauer Bart und Glatze, von den Richtern der Schwurgerichtskammer, bevor ihn zwei Justizbeamte am Dienstag zurück in seine Zelle im Gebäude des Landgerichts Itzehoe führen. Kurz vorher hatte Staatsanwältin Madeleine Hader die Anklage verlesen, die dem 35-Jährigen mit den höflichen Manieren eine schwere Straftat vorwirft.
In dieser Sache wird es noch häufiger zu einem Wiedersehen des in Pinneberg bei seinen Eltern lebenden Mannes mit den Juristen am Landgericht Itzehoe kommen. Denn zu Beginn des Verfahrens, für das zunächst fünf Verhandlungstage bis Mitte Juni angesetzt sind, wurde nur die Anklageschrift verlesen. Sie wirft dem Angeklagten vor, eine Messerattacke vor einer Raucherkneipe in seiner Heimatstadt begangen zu haben.
In der Raucherkneipe „Alo‘s“ in Pinneberg begann die folgenreiche Auseinandersetzung
„Sie haben versucht, einen Menschen zu töten, ohne Mörder zu sein“, hielt Staatsanwältin Hader dem 35-Jährigen vor. Übersetzt heißt das: Angeklagt ist ein versuchter Totschlag (Mindeststrafe fünf Jahre), in Tateinheit begangen mit einer gefährlichen Körperverletzung. Tatort war am 7. Oktober der Fahltskamp in Pinneberg auf Höhe der Raucherkneipe „Alo‘s“.
In dieser Nacht besuchte Witali W. besagte Kneipe und geriet dort laut Anklageschrift in eine zunächst verbale Auseinandersetzung mit Gabriel M., einem anderen Gast. „Dem Geschädigten missfiel, dass sich der Angeklagte mit der Freundin des späteren Opfers unterhielt“, so die Staatsanwältin.
Beide Männer wollten den Streit mit Fäusten vor der Kneipe austragen
Beide Männer hätten sich dann geeinigt, den Streit durch einen Schlagabtausch zu entscheiden und seien nach draußen gegangen. Dort hätten sich beide gegenseitig mehrere Faustschläge versetzt. Im Verlauf der Auseinandersetzung habe Witali W. dann jedoch ein Messer mit unbekannter Klingenlänge gegriffen und mehrfach auf den Oberkörper von Gabriel M. eingestochen, der sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen hat.
Der Angeklagte habe somit „billigend in Kauf genommen, sein Opfer tödlich zu verletzten“, so die Staatsanwältin. Noch als sich Gabriel M. zurück ins Lokal begab, habe Witali W. ihm nachgesetzt und nochmals zugestochen.
Fünf Stich- und Schnittverletzungen zählt die Anklageschrift auf. Ein Stich traf den Oberkörper kurz unterhalb der Brust, ein weiterer die linke Schulter, ein dritter den unteren Rücken. Außerdem werden ein Schnitt im Bereich des Ohrs und des Schlüsselbeins aufgeführt.
Am gefährlichsten waren die Stiche unterhalb des Brustbereichs und im unteren Rücken. Dabei wurde die rechts Niere des Opfers so stark verletzt, dass sie inklusive der Nebenniere von den Ärzten entfernt werden musste. Der andere Stich öffnete die Lunge des damals 44 Jahre alten Mannes und führte zu einem beidseitigen Pneumothorax, also zu Luft in der Lunge. Sein Überleben verdankt Gabriel M. nur einer sofortigen Notoperation.
- Polizei Pinneberg: Bluttat vor Raucherkneipe - Messerattacke endet beinahe tödlich
- Messerattacke Pinneberg: Haftbefehl gegen Schenefelder erlassen
- Polizist rettet sich mit Hechtsprung: Autodieb „bereut, Beamte gefährdet zu haben“
Witali W. war nach den Messerstichen geflüchtet, die übrigen Gäste in der Kneipe kannten nur seinen Vornamen. Zeugenhinweise hatten die Beamten der Mordkommission dennoch zu Witali W. geführt. Er wurde drei Tage nach der Tat durch ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in Schenefeld festgenommen.
Der Ende 1988 in Russland geborene Angeklagte kam mit vier Jahren nach Deutschland, ist deutscher Staatsbürger. „Und er spricht hervorragend Deutsch“, betonte Verteidiger Ole Baumann. Das stellte der 35-Jährige auch kurz unter Beweis. Der Vorsitzende Richter Johann Lohmann hatte vorsorglich einen Dolmetscherin für Russisch geladen, um für den Angeklagten zu übersetzen.
Verteidiger wird am nächsten Verhandlungstag eine Erklärung seines Mandanten verlesen
Das wird am nächsten Verhandlungstag am 30. April nicht mehr notwendig sein. Dann will Verteidiger Baumann eine schriftliche Einlassung seines Mandanten verlesen. „Es wird eine Verteidigererklärung geben“, kündigte Baumann an. Darüber hinaus sei sein Mandant gerne bereit, Fragen der Verfahrensbeteiligten auch persönlich zu beantworten.