Halstenbek/Itzehoe. Krimineller fährt auf der Flucht in Halstenbek zwei Beamte über den Haufen. Nun sein Teilgeständnis, aber er bestreitet auch Dinge.

Er kam per Miet-Audi aus Polen, um gemeinsam mit zwei Komplizen ein gestohlenes Auto in Halstenbek abzuholen und über die Grenze zu bringen. Doch das Vorhaben schlug fehl – und brachte Radowslaw R. in Deutschland einen Platz hinter Gitter ein.

Weil er Ende September zwei Polizisten auf seiner misslungenen Flucht angefahren haben soll, lautet die Anklage gegen ihn auf versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr sowie tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte.

Verteidiger verliest Einlassung im Namen seines Mandanten

Am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Itzehoe legte der 25 Jahre alte Pole über seinen Verteidiger Gregor Jezierski ein Teilgeständnis ab. Den Hauptvorwurf, nämlich den versuchten Totschlag, bestritt der Angeklagte vehement.

Der Vorfall, der seit Mitte März die Schwurgerichtskammer beschäftigt, hatte sich am 21. September vorigen Jahres auf dem Parkplatz des Krupunder Sees an der Altonaer Straße abgespielt. Dort hatten Autodiebe einen in der Nacht in Hamburg gestohlenen Toyota RAV zwischengeparkt.

Drei Männer kommen aus Polen, um gestohlenes Auto abzuholen

Dieses Fahrzeug wollten die drei Männer, die dort um kurz nach 12 Uhr in einem schwarzen Audi A6 erschienen, abholen und nach Polen bringen. Das räumte Radowslaw R. vor Gericht ein. Mit dem Autodiebstahl an sich will der 25-Jährige indes nichts zu tun haben.

Der in Warschau lebende Berufskraftfahrer gab an, von einem Bekannten für einen Job angeheuert worden zu sein. „Der wohnt in meiner Nachbarschaft.“ Der Bekannte habe ihm 1000 Euro versprochen und folgende Gegenleistung verlangt: Ein Auto anmieten, ihn und einen weiteren Mann nach Deutschland fahren und dort ein Auto abholen.

Angeklagte will zunächst von einem Autokauf ausgegangen sein

„Zunächst bin ich davon ausgeangen, dass es sich um einen gekauften Wagen handeln würde“, so der Angeklagte. Auf der Fahrt sei ihm jedoch anhand der Gespräche klar geworden, dass es um einen Diebstahl gehen würde. „Da war es aber zu spät, um einen Rückzieher zu machen.“

Das Trio habe die Nacht in einem billigen Hotel in Hamburg verbracht und sei am späten Vormittag zum Abstellort des Fahrzeugs nach Halstenbek gefahren. Dort hätten seine Komplizen in das Fahrzeug umsteigen sollen, er hätte telefonischen Kontakt zu ihnen halten und den Miet-Audi alleine nach Polen zurück chauffieren sollen.

Auf dem Parkplatz kam ein Mann auf ihn zu – ein Polizist

Auf dem Parkplatz am Krupunder See seien die beiden Mitfahrer ausgestiegen. Er habe kurz darauf auch den Audi verlassen, weil einer der Komplizen sein Handy im Fahrzeug vergessen hatte und er dies draußen übergeben habe. Dann sei er eingestiegen und habe den Audi gewendet.

„Kurz vor der Ausfahrt kam ein Mann auf mich zu, der zivil gekleidet war. Ich habe jedoch schnell realisiert, dass es sich um einen Polizeibeamten handelte“, so der 25-Jährige. Er sei zu diesem Zeitpunkt etwa zehn bis 15 Kilometer pro Stunde schnell gewesen.

Angeklagter wollte an den Beamten vorbeifahren, sah keine Gefahr

Er habe weiter beschleunigt, jedoch entgegen der Anklage nicht durchgehend. Dort ist angeführt, dass der Angeklagte mit Tempo 40 bis 45 ungebremst auf den in der Ausfahrt postierten zweiten Beamten zugefahren ist, der sich nur durch einen Sprung zur Seite mit abschließendem Abrollen in Sicherheit bringen konnte.

Er habe noch realisiert, dass der erste Mann vom Außenspiegel am Arm getroffen wurde. Dass der Audi ihn einige Meter mitschleifte, habe er nicht bemerkt. Wohl aber, dass sich in der Ausfahrt ein zweiter Polizist positioniert hatte und Anhaltezeichen gab.

„Ich war in Panik, konnte nicht mehr klar denken“

„Ich war in Panik, konnte nicht mehr klar denken“, gab der Angeklagte an. Er sei davon ausgegangen, dass die Ausfahrt breit genug sei, um an dem Beamten gefahrlos vorbeizukommen. „Ich wollte links vorbei, auf die Straße einbiegen und flüchten, um mich der Festnahme zu entziehen. Das sah unproblematisch aus.“

Er sei zudem davon ausgegangen, dass sich der Polizist keinesfalls einem flüchtenden Fahrzeug in den Weg stellen würde. Eine Kollision mit dem Beamten habe er nicht mitbekommen. „Er muss auf das Auto gesprungen sein. Ich wollte ihn weder anfahren noch verletzen. Ich war in Panik, wollte nur flüchten.“

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Festgestellte Schäden an dem Audi stammen laut dem Angeklagten nicht von der Kollision, sondern seien bereits bei der Übernahme des Wagens vorhanden gewesen. Er könne dies auch belegen. „Rückblickend gesehen habe ich die falsche Entscheidung getroffen, ich hätte den Anweisungen folgen und anhalten müssen.“

Er bereue zutiefst, die beiden Polizisten in Gefahr gebracht zu haben, so Radowslaw R.. „Ich bin froh, dass nicht mehr passiert und niemand ernsthaft verletzt worden ist.“ Weitere Fragen zum Sachverhalt wollte der 25-Jährige nicht beantworten.

Verteidiger hält einen Tötungsvorsatz nicht für nachweisbar

Dafür ergriff sein Anwalt Gregor Jezierski das Wort und präsentierte eine Zwischenbewertung. „Es wird angesichts der Einlassung schwierig sein, meinem Mandanten einen Tötungsvorsatz nachzuweisen“, so der Verteidiger.

Er wisse selber, dass der Prozess nicht mit einem Freispruch enden werde, so Gregor Jezierski. Jedoch sehe er „keinen dringenden Tatverdacht“ mehr. Daher wäre aus seiner Sicht auch eine Aufhebung des Haftbefehls unabdingbar.

Viel wird vom Gutachten eines Sachverständigen abhängen

Soweit will Richter Johann Lohmann nicht gehen. „Ich sehe eine deutliche Diskrepanz zwischen der Einlassung und dem Gutachten, dem werden wir nachgehen.“

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Rekonstruktion des Geschehens durch einen Unfallsachverständigen in Auftrag gegeben. Der Experte wird später noch im Verfahren gehört. Seine Ergebnisse, die von der Verteidigung angezweifelt werden, hatten zu einem Umdenken der Staatsanwaltschaft im Ermittlunsgverfahren geführt.

Gericht hat weitere Verhandlungstage bis Ende Mai angesetzt

Zunächst war die Ermittlungsbehörde von einer gefährlichen Körperverletzung ausgegangen, dieser Tatvorwurf begründete auch den Haftbefehl. Das Gutachten führte dann zu einer Abänderung aufgrund eines versuchten Tötungsdeliktes. Diesen Anklagevorwurf hat auch das Landgericht bestätigt.

Am Dienstag nächster Woche sollen nun die ersten Zeugen in dem Verfahren gehört werden. Es handelt sich um zwei der an dem Einsatz beteiligten Polizisten. Die Kammer hat noch vier weitere Prozesstage angesetzt. Sollten diese ausreichen, könnte das Urteil Ende Mai fallen.