Pinneberg. VfL Pinneberg bietet neue Auspower-Sportart an: Für wen die spezielle Mischung aus Konditions- und Kraftübungen besonders geeignet ist.
Was bewirken eigentlich „Algorithmen“, jene dunklen Mächte im Internet, die uns ausforschen, um uns zu manipulieren? Die überraschende Antwort: Mitunter sogar Gutes. „Auf meinem Instagram-Account ploppten immer mal wieder Hyrox-Hinweise auf, so lange bis ich mich dafür zu interessieren begann“, erzählt Ayleen Aydin aus Tornesch.
Sie arbeitet als Physiotherapeutin, und unter anderem deswegen werde ihr häufig sportlicher Content angezeigt. In diesem Fall ist Aydin dem Algorithmus geradezu dankbar, denn inzwischen empfindet sie das „Super-Training“ beim Hyrox als „funktionell und an die Grenzen gehend“. Die 24-Jährige kokettiert sogar mit dem Gedanken, sich mittelfristig der Herausforderung eines Wettkampfs zu stellen.
Hyrox: Nach dem Training kann man sehr gut schlafen
Ihre Vereinskameradin beim VfL Pinneberg, Sabine Mirwaldt (57), ist dadurch, dass kurzfristig noch eine Mitstreiterin für einen Staffelwettbewerb gesucht wurde, ins Hyrox gerutscht. Sie fördert ihre Fitness schon seit 30 Jahren regelmäßig beim Volleyball, Turnen und bei leichtathletischen Disziplinen.
Im vorigen Jahr kam dann dieser spezielle Mehrkampf hinzu, den sie so charakterisiert: „Es ist eine Art Zirkeltraining mit unterschiedlichen Elementen und dadurch sehr abwechslungsreich.“ Beide Frauen betonen, dass das jeweils am Dienstagabend stattfindende Training einen angenehmen Zusatzeffekt habe: „Wir schlafen danach sehr gut.“
Hyrox ist übrigens keine Idee, die, wie man vermuten möchte, aus den USA stammt. Das von Beginn an kommerziell ausgerichtete Skript entwickelten vielmehr zwei Hamburger Köpfe aus dem Sportbusiness: Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste und Christian Toetzke, ehedem Schöpfer des Radrennens Cyclassics.
Sie glaubten, eine Marktlücke erspäht zu haben: ein an die Fitnesswelle anknüpfender Indoor-Mehrkampf. Damit gingen sie 2017 an den Start. Anfangs belächelt, erwies sich ihr Konzept als marktgängig. Inzwischen ist Hyrox exponentiell gewachsen, hat sich über den Globus verbreitet, finden vielerorts Wettbewerbe statt bis hin zu Weltmeisterschaften.
Hyrox beim VfL Pinneberg: Das Dabeisein ist alles
In die Richtung streben sie beim VfL Pinneberg eher nicht: „Wir wollten das Fitnessangebot gern um diese Komponente erweitern, weil sie die bestehenden Möglichkeiten bei uns sinnvoll ergänzt“, sagt der ausgebildete Fitnessmanager Mike Sen Gupta. Der 43-Jährige leitet beim VfL die Hyroxgruppe.
Wenn, wie geschehen, einige seiner Kursteilnehmer zur „Fitness-Competition“ mit Tausenden von Athleten nach Hamburg fahren, dann gilt für sie der olympische Gedanke: Das Dabeisein zählt. Um Siege und Lorbeer mögen andere kämpfen, die mit erheblich höherer Verbissenheit ihre Leistungen hochzuschrauben bemüht sind.
Seit zwei Jahren hat der VfL den Trendsport im Portfolio, nachdem er gegen eine Lizenzgebühr den Titel „offizieller Hyrox Affiliation Partner“ erworben hatte.
Hyrox hat sich aus dem Crossfit entwickelt
1200 Euro zahlt der Verein dafür jährlich, darf danach per Banner und anderen Maßnahmen mit dem Angebot werben. Zunächst allerdings war einiges Equipment fürs Fitness-Studio anzuschaffen, damit die Mitglieder die verschiedenen Übungen überhaupt praktizieren können, darunter jeweils tausend Meter Skilaufen und Rudern auf Ergometern.
Mike Sen Gupta ist quasi ein „Mann der ersten Stunde“, war schon bei Gründung der Bewegung vor sechs Jahren dabei. „Damals war Crossfit schwer angesagt“, erinnert sich der gebürtige Pinneberger, „und auf diesen Zug sind die Macher mit einer weniger strapaziösen Variante aufgesprungen.“ Durch die Absenkung des Leistungslevels verbreiterte sich der Korridor für neue Zielgruppen, beispielsweise für Frauen, die heute etwa die Hälfte der Hyrox-Anhängerschaft ausmachen.
Kniebeuge, Liegestütz und Strecksprung über 80 Meter: Gerade für Anfänger oftmals die Angstdisziplin
Das grobe Raster des Mehrkampfs: Es sind achtmal ein Kilometer auf dem Laufband zurückzulegen, dazwischen geschoben werden acht verschiedene Kraftübungen – im Fachjargon „funktionelle Workouts“ genannt. Wie heute üblich, sind sie mit angelsächsischen Bezeichnungen versehen: Beispielsweise „Sled Push“ oder „Sled Pull“, wobei ein 125 Kilogramm schwerer Schlitten fünfzig Meter weit geschoben beziehungsweise gezogen werden muss. Hinter dem Begriff „Burpee Broad Jump“ wiederum versteckt sich eine Kombination aus Kniebeuge, Liegestütz und Strecksprung über 80 Meter, gerade für Anfänger oftmals die Angstdisziplin. Generell geht es aber nicht um Topleistungen, sondern ums „Auspowern“, so Sen Gupta.
Der Vorteil für die Aktiven: Die Reihenfolge der Wettkampfelemente ist festgelegt, sie können also ihre Trainingsleistungen permanent miteinander vergleichen und so Fortschritte nachvollziehen, was im Idealfall motivationssteigernd wirkt.
Die Besseren benötigen ungefähr eine Stunde für das Programm, andere das Doppelte oder länger – jeder nach seiner Fasson. Hyrox kann sowohl solo als auch in Zweier-, Vierer- oder Mixed-Teams betrieben werden. Wie bei den meisten Ausdauersportarten ist davon abzuraten, vom Start weg in die Vollen zu gehen. Hyrox in der Leistungssport-Variante sei von der Belastung her vergleichbar mit einem Halbmarathon oder einem Triathlon über die olympische Distanz, heißt es. Es empfiehlt sich, seine Kräfte einzuteilen.
Hyrox: Henning Mohr wurde Europameister seiner Altersklasse
Dies gilt umso mehr dann, wenn man sich international messen will, wie der Elmshorner Ausdauersportler Henning Mohr. Er fuhr schon zu Welttitelkämpfen nach Leipzig und Las Vegas, wurde 2022 im niederländischen Maastricht Europameister seiner Altersklasse. Im Februar dieses Jahres gelang dem 58-Jährigen, der Hyrox als „sehr herausfordernd“ und sich selbst als „wettkampforientiert“ beschreibt, bei der EM in Wien erneut der Sprung aufs Treppchen. Gehandicapt durch eine Schleimbeutelentzündung holte Mohr Bronze. Vorbereitet hatte er sich unter anderem im CH Fitnessstudio Elmshorn, einer weiteren Anlaufstelle für Hyrox-Interessierte.
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Für Neueinsteiger wichtig: Die acht „Basic-Übungen“ lassen sich nach kurzer Einführung in die Bewegungsstandards technisch ohne große Mühen erlernen. Hyrox ist also kein Hexenwerk. Für die Laufeinheiten benötigen die Aktiven lediglich eine Grundkondition. Muskulatur und Koordination für die Workouts müssen sukzessive ausgebildet werden. Dass manches beim Hyrox gewöhnungsbedürftig ist, sollte indes niemanden schrecken. Im Gegenteil, es gilt die Devise: Wer nur tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.