Elmshorn. In Elmshorn soll eine vielseitige Multiball-Anlage neue Mitglieder begeistern. Wie dort die analoge mit der digitalen Welt verschmilzt.
„Wer sich nicht digitalisiert, wird ausgeknockt.“ Diese Drohprognose wird dem Ex-Schwergewichtsweltmeister Wladimir Klitschko zugeschrieben. Könnte sein, dass er recht hat. Fest steht, dass die Digitalisierungswelle seit geraumer Zeit über fast sämtliche gesellschaftliche Bereiche hinwegrollt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch der Sport betroffen ist, und zwar nicht nur hinsichtlich direkterer Kommunikationskanäle oder digitalisierter Mitgliedsausweise.
Mitunter entstehen mithilfe moderner Technik neue, spannende Muster. Beispielsweise „Multiball“, das seit dem vorigen Jahr der Tennisclub Elmshorn anbietet. „Eine Verbindung von digitaler mit analoger Welt“, wie Initiator Ben Delhey die Novität anpreist.
Elmshorner hat gegrübelt, wie Nachwuchs zum Tennis gelockt werden kann
Tennis, das wird man sagen dürfen, ist heute nicht mehr der „heiße Scheiß der Republik“. Der Hype der Ära von Steffi Graf, Michael Stich und Boris Becker ist längst abgekühlt, die Zahl der Aktiven zusammengeschrumpft. Um gegenzusteuern, begann Delhey – im Jahre 2022 noch amtierender Vizepräsident des „Lawn Tennis Club Elmshorn von 1896“ – darüber nachzudenken, wie er junge Leute, wie er Nachwuchs locken könne.
Nach passenden Digitalangeboten zu forschen, lag bei dieser Zielgruppe nahe. Delhey wurde fündig. Er entdeckte „Multiball“, das neben Tennis auch diverse andere Sportarten und Spiele ermöglicht, was die Sache nur noch interessanter machte. Das innovative Zentrum sieht in der Praxis so aus: Es ist eine 4,89 x 3,35 Meter große Leinwand, auf die verschiedenste Spiele projiziert werden können.
Anschaffung der 25.000 Euro teuren Anlage bleibt für den LTCE kostenneutral
Seine Vorstandskollegen inhaltlich zu überzeugen verlief unkompliziert. Dabei ist so eine Multiballanlage ein kostspieliges Investment. Zu etwa 18.000 Euro für die Anschaffung addieren sich die Kosten für die technische Infrastruktur. „Wir mussten ja zunächst einmal Internet in die Halle legen“, sagt Delhey (47).
Als schon von Berufs wegen umtriebigem Start-up-Unternehmer gelang es ihm, unterschiedliche Fördertöpfe anzuzapfen. Knapp die Hälfte der mit allem „Zipp und Zapp“ erforderlichen 25.000 Euro übernahm das Land Schleswig-Holstein, die Bürgerstiftung der VR Bank beteiligte sich ebenso wie Stadtwerke Elmshorn. Den Rest trieb Delhey durch Spenden von Vereinsmitgliedern ein – bis hin zur „Kostenneutralität für den Verein“.
Einige Trainingsspiele schulen gezielt die Reaktionsgeschwindigkeit
Logisch, dass die Wand beim LTCE vor allem für Sportvarianten genutzt wird, für die es lediglich handelsübliche Tennisschläger und Filzkugeln braucht. Die zahllosen Spiele tragen dem Zeitgeist entsprechend oft angelsächsische Titel. Interaktive Lernspiele wie „Math Mission“ oder „Countries“ vermitteln auf spielerische Weise Wissen, während „Memory“ Gedächtnis und Reaktionsgeschwindigkeit schult.
Spiele wie „Darts“, „Targets“ oder „Goal“ fördern Zielgenauigkeit und Antizipation. „Monster Match“, „Space Invaders“ oder „Ozean“ sind auf Spaß ausgelegt, um in erster Linie Kinder durch unterhaltsame Animationen in Bewegung zu bringen.
Die Videowall ist ein beliebtes Aufwärmprogramm und bietet Anfänge für den Tenniskindergarten
Tatsächlich stehen die jüngsten Jahrgänge im Mittelpunkt der Bemühungen, wie Martin Hausmann-von Hunoltstein, Leiter der LTCE-Tennisschule, erläutert: „Wir setzen die Videowall hauptsächlich ein als Aufwärm- und Spaßfaktor in unserem Tenniskindergarten und bei der Kooperation mit umliegenden Schulen.“
An einem bunten Multiball-Konzept für Kindergeburtstage wird gerade gefeilt, denn die Erfahrung lehrt: je jünger die Kinder, desto mehr fasziniert sie diese Computertechnik. Älteren Mitbürgern dürfte auffallen, dass gleich mehrere Spiele der um die Jahrtausendwende beliebten Moorhuhnjagd auf Heim- und Bürocomputern ähneln.
Reaktions- und Koordinationsspiele sind auch ohne Tennisschläger zu bestreiten
Tennisschläger und Bälle sind zwar meistens im Einsatz, jedoch nicht zwingend erforderlich. Es sind auch Spiele im Angebot, die man mit den Handflächen bedient. Reaktion und Koordination werden angesprochen, der Lauf und die Bewegung im Abstand zur Wand entfällt, was weniger fitten oder betagteren Menschen Möglichkeiten eröffnet, am Multiball teilzuhaben. Auch die Kleinsten, zuweilen noch im Vorschulalter, haben sichtlich Spaß an derartigen Aufgaben.
Für organisierte Wettkämpfe mit Titelvergaben sei die Technik indessen weniger geeignet, meint Delhey. In der Herstellerwerbung heißt es: „Für Multiball wurden diverse Anwendungen entwickelt, die durch visuelle und auditive Elemente, steigende Schwierigkeitsgrade und leicht verständliches Gameplay ein abwechslungsreiches Spielerlebnis bieten. Die Spiele sind konzipiert worden, um körperliche Bewegung und kognitive Fähigkeiten zu kombinieren.“ Und somit sei der „Spaß für alle Altersgruppen garantiert“.
Auch Junggesellenabende sollen mit Multiball aufgepeppt werden
Das entspricht dem Ansatz bei den Elmshorner Multiballern. Doch Ben Delhey schwebt daneben noch eine ziemlich ausgefallene Nutzung vor: „Ich finde, das wäre auch was für Junggesellenabschiede.“ Ganz billig ist das Vergnügen allerdings nicht. Wer die Wand mieten will, muss dafür 50 Euro pro Stunde bezahlen. Dabei geht es Delhey nicht vorrangig darum, „Einnahmen zu generieren“, sondern darum, den Mitgliedern etwas Gutes zu tun und Vereinseintritte zu stimulieren.
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Kommen neue Spiele auf den Markt, werden sie vom Cheftrainer und dessen Team vorm Einsatz auf ihre zielgruppenspezifische Verwendbarkeit getestet. Von Hunoltstein selbst trägt mit seinen Kollegen zuweilen Matches aus, bei denen es immerhin darum geht, wer das Bier im Anschluss an die Trainingseinheit zahlen muss.
Die Elmshorner sind nach eigenem Wissen die deutschen Vorreiter beim Multiball
Unabhängig davon, ob sich Multiball ausbreitet oder Seltenheit bleibt: Der Tennisclub Elmshorn kann sich – laut Eigenattest – auf ewig damit schmücken, der erste deutsche Sportverein zu sein, der sich so eine schicke Multiballwand leistet.