Kreis Pinneberg. Mit dem größten mobilen Kurzwarengeschäft des Nordens macht Mirko Schuh etliche Kunden wieder glücklich, und zwar fast immer.

Die Frau hält einen Lederrock in der Hand. „Können Sie den Reißverschluss reparieren?“ Klar, Mirko Schuh kann fast alles. Einen lockeren Spruch gibt es dazu am offenen Stand auf dem Wochenmarkt in Uetersen. „Da war wohl jemand zu wild?“ Die Frau kontert schmunzelnd: „Das ist natürlich nicht mein Rock.“

An diesem Tag kommt der Markthändler, der in Borsfleth (Kreis Steinburg) lebt, kaum zur Ruhe. Männer und Frauen wechseln sich als Kunden ab. Die Anfragen sind bunt. Die Werbung läuft nach dem Motto: Einer ruft es dem anderen zu, frag doch mal bei Mirko Schuh.

Kaufmann aus Leidenschaft kann fast immer helfen

Fast immer kann der Kaufmann aus Leidenschaft helfen. Heute muss er allerdings zweimal passen. Den kaputten Lederriemen für die Handtasche und den defekten Griff für den Koffer, da traut er sich nicht ran. Nur bei Reißverschlüssen geht alles, auch Gürtel sind schnell repariert.

Kinga Smaglinska, selbst gelernte Näherin aus Heidgraben, freut sich über den reparierten Reißverschluss an der Jacke ihres Sohnes: „Das ist eine tolle Sache, dass es diesen Händler gibt.“
Kinga Smaglinska, selbst gelernte Näherin aus Heidgraben, freut sich über den reparierten Reißverschluss an der Jacke ihres Sohnes: „Das ist eine tolle Sache, dass es diesen Händler gibt.“ © Michael Rahn | Michael Rahn

„Zumeist ist der Schlitten, also der Schieber, kaputt“, erzählt Mirko Schuh. So war es auch bei der Hose des Sohnes, die Kinga Smaglinska mitbrachte. Sie ist selbst Näherin, hatte von ihren Kunden immer wieder Gutes über Mirko Schuh gehört, und ließ sich jetzt selbst überzeugen.

Eltern setzten Grundstein für größtes mobiles Kurzwarengeschäft des Nordens

Mirko Schuh war nicht immer Markthändler. Ursprünglich hatte er etwas ganz anderes gelernt. Er ist Elektriker, wurde bei der Bahn ausgebildet und arbeitete im ICE-Werk in Eidelstedt. Doch viel lieber war er draußen im Gange und schon als Kind mit den Eltern auf Wochenmärkten in Norddeutschland unterwegs.

Das größte mobile Kurzwarengeschäft Norddeutschlands ist gut 15  Meter lang. 
Das größte mobile Kurzwarengeschäft Norddeutschlands ist gut 15  Meter lang.  © Michael Rahn | Michael Rahn

Vater und Mutter verkauften nebenbei zuerst Farben zweiter Wahl, und irgendwann standen Kurzwaren auf dem Programm, die es immer weniger im Einzelhandel gab. Ende der 90er-Jahre übernahm er mit seinem Bruder, einem gelernten Tischler, das Marktgeschäft. 2005 gründeten beide eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für die Organisation der Wochenmärkte in Glückstadt. Außerdem lenkten sie seitdem Norddeutschlands größtes mobiles Kurzwarengeschäft.

Hier werden auch einzelne Knöpfe verkauft

Das Geschäft mit den Kurzwaren florierte. Bei Schuhs bekommt jeder auch einen einzelnen Knopf, wenn er irgendwo fehlt. 40 Cent macht das! Haben Sie Schneiderkreide? Natürlich. In welcher Farbe benötigen Sie den Markierer? 60 Cent, bitte. Gibt es bei Ihnen ein rundes Gummiband für Unterwäsche? Immer. Wie lang muss es sein? Ich benötige Klettband. Muss ich die ganze Rolle kaufen? Nein, ich schneide Ihnen die gewünschte Länge ab. Zwei Euro bitte. Haben Sie so ein Band, um Braten zu binden? Natürlich. Hiermit können Sie jede Menge Rouladen machen.

Die Pinneberger Marktverkäuferin Jirska Seider freut sich über einen neuen Knopf an der Hose. „Das ging so schnell. Ich komme hier immer wieder her!“
Die Pinneberger Marktverkäuferin Jirska Seider freut sich über einen neuen Knopf an der Hose. „Das ging so schnell. Ich komme hier immer wieder her!“ © Michael Rahn | Michael Rahn

Die Ware und Dienstleistung ist günstig. Wenn mit einem kurzen Ruck der Zipper wieder locker gleitet, kostet das nichts. Außer einem Lächeln. Am Ende des Tages macht es die Menge und die immer fröhlich-freundliche Kundenbindung.

Mirko Schuh macht den Job gern, hat fast für jeden einen flotten Spruch übrig. Auch das bindet ans Geschäft. Schnelligkeit ist der nächste Trumpf. Jirska Seider, ebenfalls Marktbeschickerin in Uetersen, und zwar am Fischstand aus Friedrichskoog, ist begeistert. „Ich habe heute zum ersten Mal eine Hose mitgebracht, und er hat sie sofort repariert. Ich werde immer wiederkommen.“

Bruder Martin bringt Reißverschluss-Idee aus der Türkei mit

Auch wenn seit Langem Knöpfe, Garn, Gummibänder und Co., die sogenannten Kurzwaren, gern genommen werden, ist seit ein paar Jahren die Reißverschluss-Reparatur der Bringer. Die Idee dazu hatte Mirko Schuhs Bruder, Martin. Bei einem Urlaub in der Türkei kurz nach der Jahrtausendwende beobachtete er einen Schneider, der diese Dienstleistung in Sekundenschnelle ausführte.

Geniale Geschäftsidee: Die Schlitten, auch Zipper und Schieber genannt, der Reißverschlüsse zu ersetzen, ist mit wenigen Handgriffen erledigt.
Geniale Geschäftsidee: Die Schlitten, auch Zipper und Schieber genannt, der Reißverschlüsse zu ersetzen, ist mit wenigen Handgriffen erledigt. © Michael Rahn | Michael Rahn

„Das können wir auch“, sagten sich die Geschwister und begeisterten seitdem Tausende Kunden. „Wir haben damit ganz viel Kleidung vor dem Müll gerettet. Nachhaltiges Denken und Leben schont Ressourcen“, freut sich Mirko Schuh.

Neues Projekt wird aufgegeben, als der Bruder stirbt

Eigentlich wollten die Brüder im vorigen Jahr diese Idee mit den schnellen Reparaturen noch ausbauen. Im Dezember 2022 hatten sie deshalb die Organisation des Wochenmarktes nahe ihrem Heimatdorf in Glückstadt abgegeben. Sie wollten stattdessen direkt mit Wäschereien zusammenarbeiten.

Doch der schöne Plan wurde wenige Tage später jäh zerstört, als der jüngere Bruder Martin starb, nachdem eine Hirnarterie geplatzt war. Seitdem ist Mirko Schuh allein unterwegs, hat seine Marktauftritte eingeschränkt. Aber im Kreis Pinneberg ist er noch oft dabei: Mittwochs schätzen ihn die Kunden in Elmshorn, donnerstags steht er allen mit Rat und Tat in Pinneberg zur Seite und freitags in Uetersen. Sonnabends ist der Kurzwarenhändler in Hamburg-Volksdorf aktiv und dienstags zum Heimspiel in Glückstadt.

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Er kommt immer wieder gern: Andreas Fölster wird für fünf Euro ein neuer Schlitten in den Reißverschluss gesetzt.
Er kommt immer wieder gern: Andreas Fölster wird für fünf Euro ein neuer Schlitten in den Reißverschluss gesetzt. © Michael Rahn | Michael Rahn

„Gib mir zehn Minuten. Dann kannst Du die Jacke wieder abholen“, sagt Mirko Schuh zur neuen Kundin. Anschließend verkauft er schnell das schwarze Garn für die nächste. Danach greift er zur Zange, öffnet den Weg für den neuen Schlitten an der Jackentasche von Andreas Fölster, verschließt die offene Stelle mit Sekundenkleber – selbstverständlich waschbar.

Und schon ist wieder ein Kunde zufrieden: „Lass dem Reißverschluss mal eine Stunde Ruhe.“ Und auch beim Lederrock, der vor einer Viertelstunde abgegeben wurde, funktioniert der Reißverschluss wieder. Die Kundin lächelt und der Zipper-Retter ebenso.