Heist. Spaziergänger im Kreis Pinneberg entdecken Gast aus Nordamerika in Baumkrone. Doch: Wie kommt der Greifvogel an die Elbe?

Spaziergänger im Tävsmoor in Heist (Kreis Pinneberg) rieben sich verwundert die Augen. Denn sie konnten kaum glauben, was sie in einer Baumkrone entdeckt hatten. Dort saß ein großer Greifvogel mit einem gelben Schnabel und einem weißen Kopf – offenkundig ein Weißkopfseeadler, der eigentlich nur in Nordamerika heimisch ist. Einem Hobby-Vogelkundler, der mehr Informationen über den exotischen Gast erhalten wollte, gelang sogar ein Schnappschuss mit dem Handy.

Bilder des in der Haseldorfer Marsch unbekannten und bestimmt nicht heimischen Vogels sowie ein dazugehöriger Beitrag mit Fragen landeten schnell in der Facebook-Gruppe „Haseldorfer Marsch - Was geht?“. „Ich bin leider nicht so firm in der Vogelkunde und ein Weißkopfadler in Deutschland ist ja eher utopisch. Aber was kann das für ein schönes Tier sein?“, bat der Beitragsersteller um Hilfe.

Kreis Pinneberg: Greifvogel aus den USA an der Elbe gesichtet

Ein paar Stimmen tippten auf einen Seeadler, in der Gegend würde ein Pärchen leben. Denn: Sowohl in der Optik als auch der Lebensweise ähneln sich beide Adler-Arten. Der Kopf des Seeadlers wird mit zunehmendem Alter ebenfalls heller. Doch schon schnell verdichteten sich die Anzeichen, dass es sich bei dem Gast um einen Weißkopfseeadler handeln muss. Da diese Vogelart ursprünglich in Nordamerika beheimatet ist, scherzte jemand, dass dieser Vogel möglicherweise vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA geflohen sein könnte.

Doch es gab auch sachdienliche Hinweise: Dieses Exemplar müsste „irgendwo ausgebüxt“ sein. Auch der Nabu (Naturschutzbund) wurde daraufhin eingeschaltet. Doch wem gehört der Vogel? Eine Mitarbeiterin des Wildparks Schwarze Berge aus der niedersächsischen Gemeinde Rosengarten (Landkreis Harburg) meldete sich ebenfalls zu Wort und kannte sogar den Rufnamen: Es sei „Molly“.

Ein ausgewachsener Weißkopfseeadler (Haliaeetus leucocephalus) im freien Flug.
Ein ausgewachsener Weißkopfseeadler (Haliaeetus leucocephalus) im freien Flug. © picture alliance / imageBROKER | Philippe Henry

Professionelle Falkner aus dem Wildpark-Team kamen daraufhin am Montag, 26. Februar, in das Moor, um den gefiederten Flüchtling zu finden. Und der entflohene Weißkopfseeadler landete schließlich auf dem ihm bekannten Spezialhandschuh. Er kam wieder zurück nach Hause. Die Mitarbeiterin des Wildparks meldete ebenfalls Vollzug im Internet.

Wildpark Schwarze Berge: Verwaltung war über Fluchtversuch nicht informiert

Der Verwaltung des Wildparks Schwarze Berge selbst war dieser Vorfall bis zu einem Abendblatt-Anruf am Dienstagmorgen nicht bekannt. Die Pressesprecherin sei heute nicht im Einsatz. Die Mitarbeiter würden nun zunächst einmal intern auf Spurensuche gehen.

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Ein Beitrag auf der offiziellen Wildpark-Seite im sozialen Netzwerk Facebook deutet zumindest auf die Reisefreude von „Molly“ hin: „Hin und wieder zieht sie ganz bewusst weiter raus und genießt ein wenig die Thermik am Elbstrand.“ Zwischen ihrem eigentlichen Wohnort und dem Moor sind es gut 30 Kilometer Luftlinie.

Weißkopfseeadler „Molly“ wird Ende März sieben Jahre alt

„Molly“ wird Ende März sieben Jahre alt und sei laut Steckbrief im Jahr 2017 wenige Wochen nach dem Schlüpfen aus dem Ei in den Wildpark gezogen. „Molly ist eher introvertiert und zeigt unseren Falknern deutlich, was ihr nicht so gefällt. Trotz ihrer eher schüchternen Art ist sie die erfahrenste unter unseren Greifvögeln hier im Park.“

Von März bis Oktober gibt es die Flugschau der eigenen Falknerei zweimal täglich für Park-Besucher zu bewundern. Und zwar um 12 und 15 Uhr im Freigehege. An Sonn- und Feiertagen zusätzlich noch um 16.30 Uhr. Von November bis Februar gibt es dann einen Termin täglich um 14 Uhr.

Falknerei hatte sich zuvor aus dem Wildpark Schwarze Berge zurückgezogen

Vor einem guten Jahr hatte sich die Event-Falknerei aus Bomlitz (Heidekreis) nach 17-jähriger Tätigkeit aus dem Wildpark zurückgezogen. Der Wildpark übernahm die 16 Greifvögel und hat seit April 2023 ein eigenes Falkner-Team. Neben einigen Bussard-Arten und Falken zählen auch ein Uhu – und der Weißkopfseeadler „Molly“ dazu. Der majestätische Adler, der auch das symbolträchtige Wappentier der Vereinigten Staaten von Amerika ist, trägt seinen Namen tatsächlich wegen des weißen Kopfes, der sich erst zwischen dem siebten und zehnten Lebensjahr sukzessive ausprägt.

Die Körperlänge beträgt bis zu 90 Zentimeter, die Flügelspannweite kann bis zu imposanten 2,50 Metern reichen. Nachdem der natürliche Bestand des Weißkopfseeadlers in Nordamerika vom 19. Jahrhundert an – unter anderem wegen Jagd – dramatisch rückläufig war, kommen die Tiere nun wieder in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet vor. Es gibt weit mehr als 71.000 Brutpaare. Die Art gilt nicht mehr als gefährdet.