Elmshorn. Jury hat über Pläne zur Entwicklung des Quartiers am Buttermarkt befunden. Siegerentwurf lässt keinen Platz für ältesten Stadtbaum.

935 Unterschriften gegen den Plan sind nicht genug gewesen. Als die Hiobsbotschaft eintrudelt, ist Anja Labitzky, Mitglied der Bürgerinitiative zur Erhaltung der Blutbuche in der Schauenburger Straße, wenig überrascht. Im Jury-Entscheid haben Stadtvertretung sowie Bauherr und -träger Semmelhaack Immobilien beschlossen, für den Ausbau des Quartiers am Buttermarkt im Sanierungsgebiet Krückau-Vormstegen einen Entwurf zu bevorzugen, in dem der über 80 Jahre alte Baum keine Zukunft hat. „Angesichts der bisherigen Rückmeldungen aus der Stadt war mit diesem Beschluss zu rechnen“, sagt Labitzky.

Nach den Sieger-Plänen des Braunschweiger Architektenbüros Welp/von Klitzing sollen rund 200 Wohnungen, zum Großteil förderungsfähig, sowie Gewerbeflächen nun in einem Gebiet entstehen, das sich über den bisherigen Verlauf der Schauenburger Straße hinaus nach Norden erstreckt. Die künftige Schauenburger Straße soll in ihrem dann begradigten Verlauf im Süden des künftigen Buttermarktes auf das geplante neue Bahnhofareal hinzuführen. Der Buttermarkt selbst soll im Norden und Süden von Baumreihen (Tokio-Kirche und Eiche) eingerahmt werden.

Bürgerinitiative mahnt die Stadt, auf mehr Bäume und Pflanzen bei der Bebauung zu achten

Pläne, denen die Initiative skeptisch gegenübersteht. „Wir würden uns wünschen, dass die Stadt Elmshorn endlich im Jahr 2024 ankommt“, sagt Labitzky. Das Ende eines so stolzen Baumes sei ein bedenkliches Zeichen. „Nun ist doch gerade so viel in Gange in Elmshorn. Genau jetzt hat doch die Stadt die Möglichkeit, die Weichen für eine Zukunft zu stellen, in der auch die Bedeutung von Bäumen und Grün für die Städte immer wichtiger wird.“

Lars Bredemeier (l., Baustadtrat) und Elmshorns Oberbürgermeister Volker Hatje (hier bei der Vorstellung der Parkplatzneuregelung für die Elmshorner Innenstadt) haben in der Jury mit über den Bauentwurf zum Quartier am Buttermarkt beschlossen und sehen ihre Stadt auf einem guten Weg.
Lars Bredemeier (l., Baustadtrat) und Elmshorns Oberbürgermeister Volker Hatje (hier bei der Vorstellung der Parkplatzneuregelung für die Elmshorner Innenstadt) haben in der Jury mit über den Bauentwurf zum Quartier am Buttermarkt beschlossen und sehen ihre Stadt auf einem guten Weg. © Kitty Haug | KITTY HAUG

Doch genau diesen Wünschen glaubt die Stadt mit ihrer jüngsten Entscheidung auch nachzukommen. Stadtbaurat Lars Bredemeier, zusammen mit Bürgermeister Volker Hatje Teil der Jury, ist sehr zufrieden mit dem Entwurf für das künftige Quartier am Buttermarkt und dessen Bedeutung sowohl für die Menschen in Elmshorn als auch für Natur und Stadtentwicklung.

Lars Bredemeier vermutet, das viel Widerstand auf Fehlannahmen basiert

„Ich vermute, dass hinter den Widerständen viel Fehlinformation beziehungsweise Fehleinschätzungen stecken“, sagt Lars Bredemeier. „Wenn sämtliche Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen sein werden, soll das Gesamtgebiet über deutlich mehr Grün verfügen als jetzt.“ Ein Grund, weshalb sich auch der Braunschweiger Entwurf durchgesetzt habe. „Für die Planung hat Welp/von Klitzing ein riesiges Areal zur Verfügung gestanden. Die Architekten haben sich aber gegen einen großen Komplex und für mehrere Einzelbauten entschieden.“

Oberstes Ziel sei, dass sich die Menschen, die dann hier einziehen, mit ihrem Wohnviertel identifizieren können. Um dem Quartier den Makel von optischer Uniformität zu nehmen, haben sich Welp/von Klitzing auch Gedanken zur Materialauswahl gemacht. „Die Gebäude werden im typisch norddeutschen Rotklinker errichtet“, sagt Bredemeier, weist dabei auf eine Feinheit hin. „Diesen gibt es in vielen Farbschattierungen, und damit werden die Architekten dann auch arbeiten und für optische Auflockerung sorgen.“

Ein Rettungsversuch für die Blutbuche würde das Projekt um fünf Jahre zurückwerfen

Aber was ist mit der Blutbuche in der Schauenburger Straße, um die bislang so hart gerungen wurde? Ist keine Rettung möglich? Klar ist: Würde der Baum an seinem Platz verbleiben, würde er bei allen diskutierten Entwürfen bestenfalls (indirektes) Licht aus vornehmlich Nordrichtung erhalten; sein Überleben würde sich deutlich erschweren.

Also den Baum versetzen? Mit Geld ist doch alles möglich und bei dem Multimillionen-Bauvorhaben mit hierfür geschätzt 100.000 Euro doch ein verschwindend geringer Kostenfaktor? „Leider würde ein solcher Plan unser ganzes Bauvorhaben um rund fünf Jahre zurückwerfen“, begründet Bredemeier, warum dieses Planspiel keine Chance hat. „Die Wurzeln des Baums müssten reihum, Stück für Stück, langsam zurückgeschnitten werden. Und ob dann nach dieser mühsamen Prozedur die Versetzung gelingen und der Baum leben würde, das ist überhaupt nicht gewiss.“

Allein in die „Grüne Stadtkante“ an der Berliner Straße sollen 60 Bäume integriert werden

Aber Bredemeier macht den Bürgern Hoffnung auf deutlich mehr Bepflanzung in diesem Viertel als bislang. Für die Berliner Straße zum Beispiel ist Großes geplant. „Der Streifen auf der Seite hin zum Buttermarkt heißt in unseren Plänen nicht umsonst ,Grüne Stadtkante‘“, sagt der Baustadtrat. „Künftig wird dort unter bis zu 60 Bäumen entlang des Quartiers geparkt.“ Allein schon dort werde sich ein gänzlich neues Stadtbild ergeben.

Aber dem Stadtrat ist auch die Verständigung mit den besorgten und protestierenden Bürgern wichtig. Er möchte mit Zahlen überzeugen. „Wir werden demnächst eine Baumbilanz erstellen“, sagt Bredemeier. „Darin soll aufgeführt werden, wie viel erhaltenswerte Bäume überhaupt weichen müssen, was erhalten bleibt und auch, mit wie viel Ausgleich im Zuge der Sanierung zu rechnen ist.“

Fridays For Future kann Plänen der Stadt nicht zustimmen und protestiert

Argumente, die auf dem Boden von Fridays For Future nicht fruchten. Die Umweltbewegung registriert ohnehin schon bei der Entscheidungsfindung einen bitteren Nachgeschmack. „Wenn eine Jury aus Vertreter*innen der Stadt Elmshorn sowie der Firma Semmelhaack besteht und hinter verschlossenen Türen tagt, ist klar, welches Spiel da gespielt wird. Und das Ergebnis stützt diese These doch sehr“, teilt FFF in einem Statement mit.

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Die Initiative hatte im Vorfeld beobachtet, dass städtische Vertreterinnen und Vertreter in der Jury mehrfach klar geäußert hätten, dass sie gegen einen Erhalt der Blutbuche seien. Die Aktivisten erheben den Vorwurf mangelnder Demokratienähe: „Es ist unfassbar, dass sowohl der Beschluss der Politik aus dem Jahr 2021 als auch der Willen vieler Bürger*innen Elmshorns eiskalt ignoriert wird. Da sieht man leider einmal mehr, wo in der Stadt Elmshorn die Prioritäten gesetzt werden.“

Die Umweltinitiative sieht den Bürgerwillen bei der Entscheidung zur Baumfällung missachtet

Nach Ansicht von FFF hätten die Demonstration im November und die Unterschriftensammlung gezeigt, dass viele in der Bevölkerung für den Erhalt der Blutbuche seien. „Das Vertrauen in die Stadt Elmshorn bröckelt immer weiter. Wenn Klimaschutz und Klimaanpassung an entscheidenden Stellen bewusst ignoriert werden, sieht es schlecht für die Zukunft aus.“

Argumente der Stadt, dass dem Naturschutz und der Stadtbegrünung mehr als ausreichend Raum gegeben werde, lässt Fridays For Future nicht gelten. Große, alte Bäume seien gerade in Zeiten der Klimakrise in die Stadtplanung zu integrieren. „Es ist wichtig, zu betonen: Die Fällung der Blutbuche ist nicht notwendig. Der Baum hätte auch erhalten werden können. Dass die Blutbuche fällt, liegt rein an der Entscheidung der acht stimmberechtigten Menschen in der Jury“, lautete die Meinung der Initiative. Die getroffene Entscheidung sei schlecht für Mensch und Umwelt.