Kreis Pinneberg. Goodbye, Deutschland! Ehepaar aus Pinneberg verkauft Haus und Sachen, um die Welt zu erkunden. Ihr Trip ist bisher ein Glücksgriff.
Es hätte doch eigentlich eine Ehe wie aus dem gutbürgerlichen Bilderbuch werden können, ja eigentlich müssen. Zwei junge Menschen, Laura-Lee und Sascha Timmler, lernen sich kennen und lieben. Sie heiraten, kaufen ein Haus am Fasanenweg in Moorrege und gönnen sich hierfür auch noch einen schmucken Anbau. Alles klar: Nest fertig – die Familie kann kommen. Aber wer so dachte, hat sowas von daneben gelegen.
Perfekt ist die Ehe des wie am ersten Tag verliebten Duos aus dessen Perspektive immer noch. Aber doch so ganz anders, als es sich der Löwenanteil der Deutschen wohl für sich vorstellen könnte. Die 34-Jährige und ihr 30 Jahre alter Ehemann haben alle Zelte in Deutschlandabgebrochen und reisen um die Welt.
Weltreise: Die letzten Reste des Hausstands gehen an die Familie, Freunde und Bekannte
Das Haus ist verkauft, ebenso fast alles Hab und Gut, das nicht an Familie, Freunde und Bekannte abgegeben wurde. Jeder der Ehepartner lebt nur noch von und mit dem, was in einen großen Rollkoffer und einen Rucksack passt. „Wir haben uns offiziell aus Deutschland abgemeldet“, sagt Sascha Timmler – ein wenig Stolz schwingt in seiner Stimme mit.
Das junge Paar will künftig überall dort leben, wo es sich wohlfühlt – und wo es Internet gibt. Denn anders als viele Weltenbummler, die auf ihrem Trip vom Ersparten leben und dabei vielleicht einen Reiseblog verfassen oder Fotos für einen Bildband zusammentragen, arbeiten Laura-Lee und Sascha Timmler weiterhin „Fulltime“. Sie verdienen sich ihren Lebensunterhalt unterwegs – zwischen Sightseeing, Fitnessstudio und zurzeit dem Palmenstrand von Koh Phangan, Thailand.
Weltreise: Laura-Lee Timmler ist in der digitalen Welt zu Hause und bringt sie anderen bei
Laura-Lee ist als Freiberuflerin in der digitalen Welt zum Beispiel anderen dabei behilflich, ihre Selbstständigkeit im Internet zu verwirklichen. So gibt sie umfassende Seminare dazu, wie Freelancer Social-Media-Plattformen wie Instagram optimal für sich nutzen können. „Ein Stichwort wäre da zum Beispiel, wie die User den Algorithmus des Systems auf ihre Seite ziehen“, sagt die 34-Jährige.
Laura-Lee Timmler betreibt außerdem einen Reiseblog und dokumentiert auf ihrem Instagram-Profil @lauralee.Timmler das neue Leben des jungen Ehepaars. Es ist eine Seite, die auch anderen Menschen Mut geben soll, einen neuen Weg zu gehen. Ein Mut, den sie selbst bereits vor acht Jahren aufgebracht hat. „Ich habe nach dem Studium sechs Jahre in Barcelona für eine Marketingagentur gearbeitet, aber seit 2016 bin ich online selbstständig und arbeite überall, wo ich gerade bin.“
Globetrotter Sascha Timmler wagt den Sprung vom Elektriker zum Marketingmann
Ein völlig unbekanntes und neues Leben für Sascha Timmler, der mittlerweile als online Marketing Manager Unternehmen dabei unterstützt, sich zum Beispiel per Anzeigen in den sozialen Medien optimal zu präsentieren. „Das war niemals ein Teil meiner Welt. Ich bin gelernter Elektriker und habe sieben Jahre lang bei E.on im Außendienst gearbeitet“, blickt der 30-Jährige auf seine berufliche Vergangenheit zurück. „Ich hatte nie Berührungspunkte mit der digitalen Welt, dass man online gutes Geld verdienen kann und dass man das mit dauerhaften Reisen kombinieren kann. Das alles war für mich Neuland, bis ich Laura-Lee kennengelernt habe.“
Und es wäre wohl auch heute noch eine fremde Welt für Sascha Timmler, hätte es da nicht diesen einen Abend im Februar 2018 im Elmshorner Funhouse gegeben. Laura-Lee war gerade wieder auf Heimatbesuch. „Lauras Schwester wollte feiern gehen, sie und mein Kollege kannten sich, und die beiden haben uns dann mitgeschleift“, erinnert sich Sascha Timmler an den wichtigsten Abend seines Lebens. „Das haben die unabhängig voneinander gemacht, Laura und ich hatten eigentlich keine Lust auf Feiern, aber von da an waren wir jeden Tag zusammen.“
Als es zwischen den beiden funkt, unterbricht Laura-Lee ihre damalige Weltenbummelei
Es hatte gefunkt. Sowas von. Und ließ erst einmal Laura-Lees weitere Pläne platzen. „Ich wollte eigentlich nach meiner Zeit in Südamerika nur zwei, drei Monate bleiben und dann weiter nach Australien, was schon immer ein Traum von mir war. Tja, und dann bin ich halt geblieben“, sagt Laura-Lee Timmler. Ein kurzes Lachen untermauert, dass sie seitdem noch keine Sekunde diesen Schritt bereut hat, ergänzt aber mit einem Schmunzeln: „Auch wenn ich Australien nun immer noch nicht kenne.“
Das junge Paar ist so von sich überzeugt, dass es keine lange Zeit vertrödelt. Schon im September 2018 macht Sascha seiner Laura-Lee den Heiratsantrag. „Ich bin mir vorher noch nie einer Sache so sicher gewesen. Nachdem wir spontan eine Flugreise nach Florida gebucht hatten, habe ich den Ring gekauft“, blickt Sascha Timmler auf die Wochen zurück, die sein Leben endgültig verändern würden. „Am Miami Beach habe ich sie dann im Regen gefragt, und ich habe so geschwitzt. Es war ja erst unser zweiter Tag dort, und wir hatten noch drei Wochen vor uns, das hätte auch alles nach hinten losgehen können.“
Krise in der Partnerschaft: Nicht doch, Timmlers blicken auf fünf Ehejahre zurück
Ging es aber nicht. Mittlerweile hat das Duo schon seinen fünften Hochzeitstag begangen, und das perfekte Paar hat sich in der Zeit auch zu einem perfekten Team entwickelt. Dabei haben sich die beiden auch in ihrem neuen Heim in Moorrege pudelwohl gefühlt, und doch – irgendetwas fehlte da noch.
Laura-Lee Timmler hatte ihrem Mann schon seit den Tagen des Kennenlernens immer wieder ihre Arbeitswelt vorgestellt. Offenbar mit der nötigen Begeisterung, dass sich auch der versierte Elektriker den Sprung in dieses Leben vorstellen konnte. Der Plan begann zu reifen. „Da waren meine Eltern schon ein wenig geschockt, als ich erzählte, dass ich meinen sicheren Job kündigen wollte, um ohne Ausbildung Onlinemarketing zu machen“, blickt Sascha Timmler, ein gebürtiger Gelsenkirchener, zurück.
Sascha Timmler nutzt Verletzungspause, um sich Know-how für Onlinewelt anzueignen
Für das nötige Know-how sollte dann auch das Internet sorgen: „Als ich mir beim Fußball die Bänder gerissen hatte, da habe ich einen Monat lang gelernt, gelernt, gelernt; und bei YouTube gab es viele Tutorials zu sehen“, sagte der Umschüler in Eigenregie. „Aber es kam der Punkt, als ich mir online selber nichts mehr beibringen konnte. Da habe ich mir einen Mentor gesucht, den Laura-Lee kannte. Zu ihm sind wir nach Fuerteventura geflogen. Ich habe dort dann gelernt, das ganze neue Wissen umzusetzen und den ersten Kunden ranzuholen. Und mit diesem ersten Kunden haben dann auch meine Eltern geglaubt, dass ich so überleben könnte.“
Es war die Basis, auf der fortan das Leben des Paares fußen sollte. Das Leben, das Laura-Lee bis zum Kennenlernen geführt hatte, sollte künftig der gemeinsame Lebensweg der Eheleute werden: die Welt bereisen und dabei doch arbeitend auf eigenen Füßen stehen. „Im Frühjahr 2022 haben wir angefangen, unseren Abschied aus Deutschland konkret zu planen. Das war dann nochmal ein kleiner Schlag für meine Mutter, die irgendwie schon gehofft hatte, dass ich nun doch sesshaft geworden sei“, erinnert sich Laura-Lee.
Neben der Haushaltsauflösung hat die Suche nach einer guten Reise-Krankenversicherung Priorität
Der Hausverkauf musste organisiert und eine weltweit funktionierende Krankenversicherung gefunden werden. „Die Versicherung ist mit monatlich 350 Euro für Laura-Lee und rund 200 Euro für mich sogar relativ günstig“, wirft Sascha ein. Der Haushalt wurde aufgelöst, die Sachen verkauft oder an Freunde, Familie und Bekannte abgegeben. „Letztlich hat doch ohnehin jeder seine sechs, sieben Lieblings-T-Shirts“, meint Sascha Timmler. „Wenn man dann ehrlich in sich geht, kann man seine Sachen auf einen Koffer und Rucksack zusammenstreichen.“
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Letzter Schritt im September 2023: Die Abmeldung aus Deutschland. Wenige Tage später stehen die beiden am Strand von Pineda de Mar, etwas nördlich von Barcelona. Das neue Leben hat begonnen und läuft wie erhofft an. „Wir haben uns so organisiert, dass wir konsequent unseren Arbeitstag durchziehen, das können acht bis zehn Stunden am Stück sein“, sagt Laura-Lee Timmler. „Vorher gibt es vielleicht Fitness, danach erst erforschen wir die Gegend, in der wir nun leben.“
Von Teneriffa aus zieht es die Timmlers auf die thailändische Insel Koh Phangan
So haben die Timmlers es auch auf ihrer zweiten Station gehalten – von Katalonien aus ging es nach Teneriffa. Die erste größere Umstellung ihrer Lebens- und Arbeitsabläufe ist erst jetzt erfolgt. Seit Anfang Februar sind Laura-Lee und Sascha in Thailand. Auf der kleinen Insel Koh Phangan haben sie einen schmucken Bungalow bezogen. Von dort auf der Terrasse erfolgt auch das Gespräch per Videotelefonat mit dem Abendblatt.
„Wir müssen unseren Arbeitsrhythmus ja an unsere Kunden anpassen, und die sitzen nun mal mehrheitlich in Deutschland“, erklärt Laura-Lee Timmler. „Wenn es bei uns hier 14 Uhr ist, beginnt in Deutschland erst um 8 Uhr der Tag. Also haben wir unsere privaten Unternehmungen hier jetzt auf den Vormittag gelegt.“
Ende Februar geht es vorübergehend zurück nach Deutschland – die Tourismusbörse ITB in Berlin ruft
Doch diese Umstellung ist nicht von langer Dauer; ohnehin streben die Timmler für jeden Ort eine maximale Verweildauer von nur vier bis acht Wochen an. „Am 28. Februar geht es sogar erstmal zurück nach Deutschland. Anfang März sind wir nämlich auf der Reisemesse ITB in Berlin“, klärt Laura-Lee über die nächsten Stationen des Paares auf. „Für April und Mai haben wir uns erneut Spanien vorgenommen, dann geht es wieder zurück nach Deutschland, und danach könnte es nach Montenegro gehen.“
Aber so ganz sicher sind sich Sascha und Laura-Lee Timmler da noch nicht. Denn das Motto ihres neuen Lebens spiegelt eine ungeahnte Freiheit wider: „Alles kann, nichts muss. Hauptsache, es gibt dort Internet.“