Hamburg/Kreis Pinneberg. Die massiv in der Kritik stehende Bahn nach Westerland wird mit neuem Betreiber modernisiert. Das sind die konkreten Pläne.
Nachdem die Marschbahn-Strecke von Hamburg nach Sylt mit erheblichen Imageproblemen zu kämpfen hatte, wurde die Strecke nun neu vergeben. Ein Ziel war, dass der Verkehr reibungsloser laufen soll. Und offenbar soll dabei weiter auf die Deutsche Bahn vertraut werden. Denn die DB Regio soll wie bisher zwischen Westerland und Hamburg-Altona fahren, das teilt der schleswig-holsteinische Nahverkehrsverbund Nah.SH mit.
„Nach der heutigen Zustimmung des Finanzausschusses beabsichtigt das Land Schleswig-Holstein, DB Regio auch künftig mit dem Verkehr auf der Bahnlinie RE 6 Westerland – Hamburg-Altona und der Bahnlinie RB 62 Heide – Itzehoe zu beauftragen“, heißt es in der Mitteilung. Bekanntlich führt die Strecke auch durch den Kreis Pinneberg mit den Bahnhöfen Elmshorn und Pinneberg.
Deutsche Bahn: Dieses Unternehmen betreibt nun die Strecke nach Sylt
Der neue Verkehrsvertrag soll von Dezember 2025 bis Dezember 2034 gelten. DB Regio habe in der Ausschreibung des Landes das beste Angebot abgegeben, heißt es. Der Zuschlag soll noch im Februar endgültig erteilt werden, und zwar, wenn die Einspruchsfrist für unterlegene Bieter abgelaufen ist. Informationen zum neuen Verkehrsvertrag will das Land erst nach dem Zuschlag veröffentlichen.
Angesichts von zahlreichen Baustellen während der Modernisierung und Elektrifizierung der Marschbahn werden sich die Pendlerinnen und Pendler zwischen Niebüll und Westerland auf Sylt weiterhin in Geduld üben müssen. Das machten Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen und DB-Regio-Chef Torsten Reh am Freitag bei einem Treffen mit Unternehmern und Vertretern der Pendler-Initiative deutlich.
Madsen: Fahrgäste können sich noch 2024 über mehr Qualität freuen
Laut Madsen und Reh können sich die Fahrgäste in diesem Jahr aber auch schon über mehr Qualität freuen: Neben einer verbesserten Kunden-Kommunikation sollen im Sommer die ersten von insgesamt 90 modernisierten Reisezugwagen eintreffen. Das Land investiere dafür rund 30 Millionen Euro.
„Ein Großteil der Marschbahn-Probleme samt schlechter Pünktlichkeitswerte von zuletzt unter 70 Prozent sind auf die jahrzehntelange Vernachlässigung der Strecke zurückzuführen“, sagte Madsen. Deshalb sei es gut, dass seit längerer Zeit massiv saniert und ausgebaut werde, doch schränke das zunächst weiterhin den Bahnverkehr ein.
Zwei Abschnitte befinden sich aktuell in der Vorplanung.
Der zweigleisige Ausbau der Streckenabschnitte zwischen Niebüll und Klanxbüll auf dem Festland sowie zwischen Morsum und Tinnum auf Sylt befinde sich aktuell in der Vorplanung. Für diesen acht Kilometer langen Abschnitt sei das Land mit drei Millionen Euro bereits in Vorleistung gegangen.
Die aus der DB Netz GmbH hervorgegangene neue Bahn-Infrastrukturgesellschaft DB InfraGo wolle zudem noch in diesem Jahr einen Zeitplan zur Umsetzung vorlegen. Ziel sei es, die Reisezeit für den Personenverkehr zu verkürzen, weil dann Züge an heute noch eingleisigen Stellen nicht mehr aufeinander warten müssten.
Minister Madsen: „Im März soll das neue Stellwerk in Westerland in Betrieb gehen“
Die Elektrifizierung der Marschbahnstrecke werde den Zugverkehr laut Madsen an der Westküste insgesamt stabiler und umweltfreundlicher machen. Bis zum Sommer werde der Verkehrsverbund NAH.SH die Zuschläge für mehrere Generalplanungsbüros erteilen, die auf der Strecke in drei verschiedenen Abschnitten mit der Vorplanung beginnen sollen.
Ziel sei es, Anfang der 2030er Jahre unter Oberleitung klimaneutral auf der Marschbahn unterwegs zu sein. Madsen: „Im März soll das neue elektronische Stellwerk in Westerland in Betrieb gehen und die Stabilität und Zuverlässigkeit des Bahnbetriebs auf der Marschbahn erhöhen.“
„Unzumutbare Wartezeiten“: So begründet der Chef die desolaten Zustände
Die zum Jahresende 2023 gehäuften Probleme auf der Strecke mit Ausfällen und teils unzumutbaren Wartezeiten begründete DB-Regio-Chef Reh vor allem mit den umfangreichen Baumaßnahmen im Raum Hemmingstedt sowie witterungsbedingten Betriebsstörungen. „Eine nachhaltige Verbesserung der Betriebssituation wird erst durch weitere Ausbaumaßnahmen zu erreichen sein“, sagte Reh.
Zwischen 2018 und 2022 seien schon rund 140 Millionen Euro investiert worden, um die Gleisanlagen auf der Strecke zwischen Elmshorn und Sylt zu erneuern. Hier seien 200 Kilometer Gleise und 33 Weichen erneuert und für weitere 20 Millionen Euro Bahnübergänge, Brücken sowie Leit- und Sicherungstechnik modernisiert worden.
Fahrgäste sollen besser informiert werden
Um die Fahrgäste künftig besser informieren zu können, werden neben den bekannten Kanälen seit kurzem auch automatische Ansagen zu Baustellen, Streiks oder Großstörungen in den Zügen genutzt. Ebenso werde die Lage der Ersatzhaltestellen in der Reiseauskunft angezeigt und seit November auch in die Reiseauskunft der NAH.SH übertragen.
Das grundsätzliche Ziel, die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Westerland zur klimaneutralen Verkehrsachse werden zu lassen, habe sich nicht geändert. Ab den 2030er-Jahren sollen Züge dort nicht mehr mit Diesel, sondern elektrisch unter Oberleitung fahren. Dadurch werden sich mehr Stabilität für den Betrieb und eine Ersparnis von etwa 15 Millionen Litern versprochen. Das entspräche auch 65.000 Tonnen weniger CO2.
Marschbahn: Eine der letzten Linien ohne Oberleitung
Die sogenannte Marschbahnstrecke ist zwischen Itzehoe und Westerland als eine der wenigen Hauptverkehrsadern nicht elektrifiziert. Das 173 Kilometer lange Stück ist bundesweit eine der letzten Strecken, die keine Oberleitung haben. Für die Elektrifizierung hat das Land eine Ausschreibung für die Planungsleistungen veröffentlicht.
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Mit der Ausschreibung werden sogenannte Generalplaner gesucht. Für das Projekt geht das Land zunächst mit etwa 20 Millionen Euro in Vorleistung. Der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein hat die Ausschreibungsunterlagen erstellt und verfolgt mit der Inhaberin der Streckeninfrastruktur, DB Netz, den Ausbau. Die ersten Phasen der Planung werden durch die NAH.SH beauftragt. Im weiteren Verlauf geht das Projekt an die DB Netz über, die dann auch den Bau der Oberleitung verantworten wird. nib