Kreis Pinneberg/Bönningstedt. Maschinenbauingenieur Rüdiger Gilde muss sein Bauwerk mit Solarmodulen wieder abreißen. Der Kreis Pinneberg war gegen das Konstrukt.
Er ist so etwas wie der Daniel Düsentrieb von Bönningstedt. Wie der umtriebige Tüftler in den Walt-Disney-Comics ist Rüdiger Gilde ständig am Basteln in seiner Werkstatt. Vor allem die Energiewende will der 75 Jahre alte Maschinenbauingenieur vorantreiben. Nicht nur auf seinem großen Eck-Grundstück an der Kieler Straße, auch in seiner Heimatgemeinde.
Auf seinem Dach dreht sich ein kleines Windrad. An der Grundstücksgrenze stehen zwei große Solarmodule, die aus Sonnenenergie Strom erzeugen. In seiner Werkstatt hängt ein Patent, das er für die Geothermie-Nutzung in 1000 Metern Tiefe angemeldet habe, erklärt Gilde.
Erfinder aus Bönningstedt: Großer Traum ist ein Fernwärmenetz mit Geothermie
Sein großer Traum sei, einen Ring von Erdbohrungen um Bönningstedt anzulegen, um die Erdwärme in ein nachhaltiges, regeneratives Fernwärmenetz einzuspeisen, das alle Stuben und Duschen im 4500 Einwohner-Dorf beheizen und mit warmem Wasser versorgen würde. Doch das übersteige seine Verhältnisse, sagt der Tüftler. „Das würde 40 Millionen Euro kosten“, hat er errechnet.
Jetzt ist Gilde mit dem Kreis Pinneberg in Konflikt geraten. Um die Mieter seiner 14 Wohnungen auf seinem 3500 Quadratmeter großen Grundstück überwiegend mit Solarstrom zu versorgen, hat er einen elf Meter hohen Turm aus Metallstreben vom Gerüstbau aufgebaut und mit Solarpanels versehen.
Hatte, muss man sagen. Denn er musste zu seinem großen Bedauern den Solarturm wieder abbauen. Sonst hätte er ein Zwangsgeld von 4000 Euro riskiert, das ihm die Bauaufsichtsbehörde der Kreisverwaltung angedroht hat.
Tüftler hatte versäumt, seinen Solarturm vorab genehmigen zu lassen
Gilde hatte versäumt, sich vorab eine Baugenehmigung für sein Solarturm-Projekt einzuholen. Er glaubte, das sei dafür nicht nötig. Schließlich stünden auf fast jeder Baustelle Gerüstbauten in zum Teil großer, schwindelerregender Höhe. Und überall im Land würden „unzählige derartige Türme“ stehen, sagt Gilde.
Wie zum Beispiel die Funktürme für Handynetze oder Türme mit Werbebannern für Reklamezwecke, die oft auch mit solchen Metallgerüsten aufgestellt seien, wo sie so hoch stehen, wie zum Beispiel in Tornesch-Ahrenlohe, dass sie weit sichtbar von der Autobahn 23 sind, wundert sich Gilde über die Steine, die ihm die hiesige Bürokratie in seinen energie-autarken Weg lege. Gilde vermutet, er sei angezeigt worden.
Solarturm sollte bis zu 17 Meter hoch werden – daraus wird jetzt erstmal nichts
So musste er seinen Solarturm wieder abbauen. „Eigentlich wollte ich den 17 Meter hoch bauen“, sagt Gilde. Da die Bäume rundherum, die er natürlich nicht fällen wollte, in bis zu acht Metern Höhe für zu viel Schatten sorgen. Nur dann hätte der Turm bis zu 12.000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen können, hatte er ausgerechnet – genug um drei bis vier Familienhaushalte mit Energie zu versorgen. Doch daraus wird nun vorerst nichts.
Gilde hatte noch versucht, seinen Turm zu retten, indem er sich von einem Gutachter die Standfestigkeit seines Projekts nachweisen lassen wollte. Doch der verlangte dafür mehr als 100.000 Euro netto für eine Untersuchung der Statik. Das Honorar sollte er in voller Höhe im Voraus bezahlen. Gilde dachte noch, der hätte sich um ein paar Kommastellen vertan und lehnte das für ihn abstruse und unseriöse Angebot dankend ab. Die Solarmodule mussten also wieder abgebaut werden.
Prüfstatiker verlangte mehr als 100.000 Euro für seine Untersuchung
Die Kreisbehörde steht auf dem Standpunkt, dass Fotovoltaikanlagen gemäß der Landesbauordnung nur bis zu einer Höhe von drei Metern genehmigungsfrei seien. Das träfe auf die kleinere Anlage an Gildes Grundstücksgrenze zu, heißt es dazu aus Elmshorn. Für seinen höheren Solarturm brauche er unbedingt eine Baugenehmigung und sein Solarturm sei „nicht standsicher“, habe eine Ortsbegehung ergeben, teilte ihm der zuständige Mitarbeiter aus der Bauaufsichtsabteilung mit.
Da er die Standfestigkeit nicht nachweisen konnte, habe das Solarturmgerüst wieder entfernt werden müssen, begründet die Kreisverwaltung ihr Vorgehen. „Auch für eine Baugenehmigung wäre ein entsprechender Standsicherheitsnachweis erforderlich.“ Zudem wäre ein Solarturm von 17 Metern Höhe ohnehin kaum genehmigungsfähig, weil der sich im Innenbereich der Gemeinde Bönningstedt befinden und dort nicht in die umgebenden Gebäude einfügen, sondern diese überragen würde, was nicht zulässig sei, urteilt die Kreisverwaltung.
Kreisbehörde: Nur bis drei Metern Höhe sind PV-Anlagen genehmigungsfrei
Doch Tüftler Gilde will nicht aufgeben und weiter versuchen, seine „Pilotanlage“ doch noch realisieren zu können. Denn eigentlich habe er vor, den aus der Sonnenenergie erzeugten Strom für ein Elektrolyseverfahren zu nutzen, erklärt Gilde.
Er habe sich dafür bereits einen sogenannten Elektrolyseur angeschafft, der das Wasser mit Hilfe elektrischer Energie aus der Fotovoltaikanlage in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Dies geschehe, indem Elektronen an der Kathode in Wasser gepumpt würden, erläutert der Maschinenbauingenieur. „Das Wasser wird dadurch gespalten, sodass gasförmiger Wasserstoff entsteht.“
Tüftler hat bereits eine Anlage für Wasserstoff-Elektrolyse angeschafft
Auf diese Weise könnte er Strom und Wärme im Sommer auch für die Wintermonate speichern, erklärt Gilde. Sogar eine kleine Ladetankstelle für Elektrofahrzeuge schwebt ihm vor. Nächstes Jahr werde er einen neuen Anlauf nehmen, um seine klimaschonende Energiegewinnung doch noch realisieren zu können.
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„Ich tue hier etwas für die Umwelt und das Klima und kriege solche Klötze in den Weg gestellt“, sagt Gilde enttäuscht. „Dabei sollten die Behörden mir eigentlich dankbar sein.“
Landrätin fordert Klimaprojekte, die ihre eigene Behörde konterkariert
Und die Landrätin Elfi Heesch müsste eigentlich auf seiner Seite sein. Immer wieder betont diese, welche wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe der nachhaltige Klimaschutz habe. PV-Anlagen auf den Hausdächern sollten überall im Kreis mit Hilfe eines Solarkatasters errichtet und gefördert werden, so das Credo der Kreisverwaltungschefin. Eigentlich genau das, was er hier in Bönningstedt vorhabe, wundert sich Gilde darüber, dass diese Versprechen in der bürokratischen Praxis anscheinend nicht gelten sollen.