Kreis Pinneberg. Warum im Kreis Pinneberg Millionen Tannen wachsen, aber nur wenige groß rauskommen. Was passiert mit den anscheinend „Krummen“?
Etwa 25 Millionen Weihnachtsbäume werden jedes Jahr in Deutschland verkauft. Ein großer Teil von ihnen hat die ersten Sprossen im Kreis Pinneberg gebildet. Doch im Alter von drei bis vier Jahren müssen die meisten aus der heimischen Baumschule raus. Dann geht es auf große Reise ins In- und Ausland.
„Die Produktion von Weihnachtsbaum-Jungpflanzen ist eine besondere Stärke des Gebiets.“, sagt Frank Schoppa, Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Baumschulen. Genau beziffern lasse sich der Anteil des in Pinneberg aufgezogenen Saatguts am Gesamtverkauf der Christbäume nicht.
Die Fachverbände führen darüber keine Statistiken. Und die einzelnen Forstbaumschulen mögen sich auch nicht ganz in die Karten schauen lassen. Doch klar ist, dass allein Familie Henning Pein in Appen einige Millionen Pflanzen weiterverkauft und weitere Forstbaumbetriebe in der Region produzieren ebenfalls fleißig.
Warum Henning Pein die Nordmanntanne nach Appen holte
Bei Pein in Appen steht vor allem die in Deutschland wegen ihrer weichen Nadeln beliebte Nordmanntanne – Marktanteil 90 Prozent – hoch im Kurs. Henning Pein pflegt direkte Geschäftsbeziehungen in den Kaukasus, wo die Samen von den hohen Tannen in Handarbeit geerntet werden. Auch Sohn Ole, der sich vor neun Jahren vom elterlichen Betrieb löste, schaute sich die Arbeit vor Ort an.
Und warum wachsen die Weihnachtsbäume nicht komplett im Kreis Pinneberg hoch? „Das hängt mit der zur Verfügung stehenden Fläche zusammen“, erklärt Ole Pein. Baumschulland sei rar, jeder neue Hektar hart umkämpft und der Weihnachtsbaum ja nur ein Teil des Geschäfts, und das auch nur saisonal. Bei ihm liege der Anteil bei 15 Prozent, bei den Eltern bei etwa 40.
Preise für Weihnachtsbäume steigen nur leicht
Trotz des Schwerpunkts mit dem Verkauf der Jungpflanzen geht auch Ole Pein jetzt in den privaten Einzelverkauf mit den neun bis zwölf Jahre alten Tannen. „Viele wollen schon jetzt einen Baum, um möglichst lange davon gutzuhaben“, berichtet der 37 Jahre alte Appener.
Preislich bleiben die Produzenten fast bei den Vorjahrestarifen, und das trotz höherer Kosten bei Anbau und Logistik. Das prognostizieren der Bundesverband der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger in Deutschland und der Verband natürlicher Weihnachtsbaum. Eine Nordmarktanne kostet pro laufenden Meter 21 bis 29 Euro. Blautannen 13 bis 18 Euro sowie Fichten zehn bis 15 Euro.
Als die Kinder Papa Christian Röttger überraschten
Auf bis zu einer Milliarde Euro wird das Weihnachtsbaumgeschäft bundesweit vom Verband geschätzt. Doch lohnt es sich wirklich, dabei als mittelständischer Baumschuler in den Direktverkauf zu gehen? Auf diese Frage, gestellt am Essenstisch der Familie, bekam Christian Röttger eine erstaunliche Antwort von seinen Kindern.
„Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, dass ich ausgerechnet zu Weihnachten so wenig Zeit für die Kinder hatte“, erinnert sich Papa Christian Röttger. Ansonsten ist der Sonntag für die Familie heilig. Aber durch das Weihnachtsgeschäft war dieses Prinzip nicht zu halten. Also schlug Christian Röttger seiner Familie vor, die Weihnachtsbäume aufzugeben.
„Das ist eine ganz besondere Zeit für die Familie auf dem Feld“
Doch die Kinder legten spontan ihr Veto ein. „Das macht so viel Spaß.“ Das sei eine „besondere Zeit, mit gebackenen Keksen aus der heimischen Küche und heißen Getränken auf dem Feld“.
Gesagt, getan, und nicht erst seit diesem Tag packen die drei Geschwister fleißig mit an. Die Älteste im Bunde darf schon im Team die Tannen mitverkaufen. Und jetzt ist da wieder die Freude auf den gemeinsamen Ausklang des Tages: abends nass und kalt nach Hause zu kommen und vor dem Kamin gemeinsam das von außen bestellte Essen zu genießen.
Wie Christian Röttger zum Weihnachtsbaumverkäufer wurde
Irgendwie erinnert Christian Röttger diese Geschichte auch an die eigene Jugend. Die in den 60er- und 70er-Jahren In Privatgärten besonders beliebte Omorica-Fichte lief nicht mehr so gut. Deshalb schlug Christian Röttgers Vater vor, diese Produktion zu beenden. Doch der potenzielle Firmennachfolger hatte eine andere Idee.
Christian Röttger schlug vor, diese Fichten als Weihnachtsbäume zu verkaufen. „Goode Idee! Loot uns datt so mooken“, entschied der Vater in schönstem Plattdeutsch. Aber er stellte gleichzeitig klar, dass der Sohn sich zu kümmern habe. „Ikk will nix domit to doon häm.“
Und am zweiten Tag stand der Vater mit auf dem Feld
Und der Sohn legte los. Am ersten Verkaufstag waren die Eltern abends irgendwo anders eingeladen. Der Junior legte die Tageseinnahmen auf den Essenstisch. „Und am nächsten Tag stand mein Vater mit auf dem Feld“.“
Christian Röttger freut sich auf die neue Saison. Er ist auch von der Nachhaltigkeit der Produktion voll überzeugt. „Unsere Bäume wachsen hier. Wir haben keine langen Transportwege. Es wird nur so viel geschlagen, wie wieder nachwächst. Etwa zehn Jahre bis zur Marktreife sei jeder Bestand ein wunderbarer Ort für Vögel und Insekten, die dort nur wenig gestört leben.
Krüppelige Bäume: „Es gibt Liebhaber auch für die außergewöhnlich Gewachsenen“
Und was passiert bei ihm mit den krummen Gewächsen? „Es gibt viele Liebhaber auch für den außergewöhnlichen Wuchs“, weiß der 45 Jahre alte Christian Röttger. Und was doch auf dem Feld übrigbleibt, wird wieder untergepflügt. Der natürliche Kreislauf beginnt von vorn.
Während Röttger, der 2008 die alteingessene Baumschule seines Vaters in Heist komplett übernahm, konventionell arbeitet, setzen andere auf mehr auf Öko. Die Familien haben in unserer Region an vielen Stellen hervorragende Möglichkeiten zwischen den Angeboten zu wählen und sich den „allerbesten Baum“ entweder selbst zu sägen oder aus dem großen Angebot der bereits geschlagenen Bäume auszusuchen.
Öko-Tannen aus dem Forst Klövensteen und anderswo
Eine Bioproduktion ist an der Grenze von Wedel und Hamburg zu finden: Im Forst Klövensteen werden zertifizierte, ökologisch aufgewachsene Tannen verkauft. Mitglieder des Lions Club Elbufer dürfen diese Aufgabe übernehmen. Verkauft wird vom 9. bis 22. Dezember täglich zwischen 13.30 und 17 Uhr am Eingang des Wildgeheges am Sandmoorweg. Dort öffnet ein kleiner Markt mit regionalen Spezialitäten und Anbietern geöffnet.
Die Überschüsse des Weihnachtsbaumverkaufs gehen in diesem Jahr an den Förderverein Palliativstation im Asklepios Westklinikum Hamburg. Grundsätzlich halten Förster und Mitarbeiter eine kleine Weihnachtsbaumkultur mit rund 1000 Bäumen vor – für Ausbildungszwecke.
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Nachwuchskräfte in der Branche werden überall gesucht. „Das ist ein toller und vielseitiger Beruf“, sagt Christian Röttger. Er startete mit einer Ausbildung als Baumschulgärtner bei Steffen in Rellingen – auf zwei Jahre verkürzt dank Abitur –, vertiefte sein Wissen als Geselle im In- und Ausland, machte dann seinen Gartenbautechniker an der Fachschule in Münster. Röttger: „Dieser Beruf als Gärtner ist eine gute Grundlage für alles andere in der Branche.“