Kreis Pinneberg. Nach dem BVG-Urteil zum Bundeshaushalt müsse der Straßenbauplan auf den Prüfstand, fordert die Initiative aus dem Kreis Pinneberg.
Wenn der Bund jetzt 60 Milliarden Euro einsparen müsse, sollte er bei den klimaschädlichsten Projekten anfangen. Das fordert Jochen Kunz-Michel aus Halstenbek. „Das Urteil des Verfassungsgerichtes verlangt eine neue finanzpolitische Prioritätensetzung für die nächsten Jahre. Somit muss der Bundesverkehrswegeplan auf den Prüfstand“, sagt der Mitstreiter der Bürgerinitiative A23 für umweltfreundliche Mobilität im Kreis Pinneberg.
Jetzt sei ein guter Zeitpunkt, den geplanten sechsspurigen Ausbau der Autobahn zwischen Tornesch und Eidelstedt ad acta zu legen, ist Kunz-Michel überzeugt.
Das Urteil des Verfassungsgerichts sei ein guter Zeitpunkt, A23-Ausbau zu beenden
Die zurzeit dafür veranschlagten 310 Millionen Euro sollten lieber in den öffentlichen Nahverkehr und da vor allem in ein besseres Schienennetz investiert werden, wie insbesondere in den nun auch endlich vom Land Schleswig-Holstein und der Deutschen Bahn AG geplanten Bau des dritten und vierten Bahngleises zwischen Pinneberg und Elmshorn, schlägt Kunz-Michel vor.
Das Bundesverfassungsgericht hatte wie berichtet Mitte November nach einer Klage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entschieden, dass die von der Ampel-Regierung benötigte Kreditermächtigung in Höhe von 60 Milliarden Euro durch eine Zuführung an den „Energie- und Klimafonds“ (EKF) nicht verfassungsgemäß war. Somit sollten jetzt Straßen- und Autobahnprojekte gestrichen werden, die unnötig seien, nur zusätzlichen Autoverkehr anzögen und Umwelt und Klima nachhaltig belasten und schädigen würden, fordert der Halstenbeker Aktivist.
Sanierungen von maroden Brücken ja, aber keine neuen Autobahnen mehr bauen
Dazu zählt er neben dem Ausbau der A23 auch den Weiterbau der A20, für den allein zwischen Weede bei Bad Segeberg und der Elbe bei Glückstadt rund zwei Milliarden Euro im Bundesverkehrswegeplan eingeplant sind.
„Die notwendige Sanierung der bestehenden Straßen-Infrastruktur zum Beispiel bei den maroden Autobahnbrücken könnte weitergehen, aber der ungehemmte Neu- und Ausbau muss jetzt auf seinen wirklichen Nutzen und die Einhaltung der Klimaziele überprüft werden“, fordert der Gegner des Ausbaus der A23.
A23: Bei Staus sei der Heideweg in Halstenbek dicht
Er selbst lebe seit 1989 in Halstenbek, sagt der diplomierte Betriebswirt, der lange für eine Hamburger Stiftung gearbeitet hat. Er und seine Frau wohnten weit genug entfernt vom Autobahnzubringer Halstenbek-Krupunder, um vom Verkehrslärm und den Abgasen von der Autobahn allzu stark belästigt zu sein.
Aber er weiß aus jahrelanger Beobachtung, dass der Autobahnverkehr auf die umliegenden Wohnstraßen ausweiche, sobald es auf der A23 zu Staus oder Störungen kommt. „Dann ist der Heideweg hier in Halstenbek dicht.“
Die Klimakrise mache ein Weiter-so beim Straßenbau obsolet
Kunz-Michel, der nach eigener Aussage sein Elektroauto nur selten nutze und vorwiegend Bus und Bahn fahre und „leidenschaftlicher Radfahrer“ sei, sagt: „Es darf wegen der Klimakrise nicht einfach so weitergehen wie bisher.“ Neue und noch breiter ausgebaute Autobahnen zögen nur zusätzlichen Verkehr an.
Das sei eine Schraube ohne Ende. Die angebliche Entlastung, die ein Ausbau bringen soll, sei nach weniger Jahren verpufft, weil immer mehr Fahrzeuge nachfolgten, hätten einschlägige Studien ergeben. „Wir brauchen keine breiteren Autobahnen, sondern einen besseren Schienenverkehr.“
Bevorzugung des Straßenbaus machte den Schienenverkehr unattraktiv
Dieser sei nämlich noch viel zu unattraktiv für die Bürgerinnen und Bürger, um vom Auto in den Öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Das zeigten Untersuchungen des Instituts für Verkehrsplanung und Logistik der technischen Universitär Harburg recht anschaulich, erklärt Kunz-Michel. So könnte praktisch jeder Bürger im Norden, von Dithmarschen bis Ostholstein und weit bis nach Mecklenburg sowie von Cuxhaven, Bremen und Hannover bis fast nach Berlin innerhalb von 30, höchstens 40 Minuten das nächste Mittelzentrum mit dem Pkw erreichen.
Mit Bus und Bahn gelingt es ihm oder ihr nur innerhalb der großen Städte wie Hamburg, Lübeck oder dichtbesiedelten Zentren. Die allermeisten Menschen müssten in derselben Region Fahrtzeiten von mehr als einer Stunde mit dem ÖPNV in Kauf nehmen.
Nah.SH-Chef: Die Bahn kann nicht aufholen, was jahrzehntelang versäumt wurde
Das hat seine Ursache vor allem in der von so gut wie allen Bundesregierungen jahrzehntelang betriebenen Vernachlässigung des Schienenverkehrs zu Gunsten des Straßenbaus. Darauf wies jetzt auch Arne Beck von Nah.SH hin, als vor ein paar Tagen in Tornesch endlich die seit Jahrzehnten geforderte Planung des dritten und vierten Bahngleises zwischen Pinneberg und Elmshorn zwischen dem Land und der Deutschen Bahn AG vertraglich vereinbart wurde.
„Was hier in drei Jahrzehnten versäumt worden ist beim Schienenausbau im Norden, können wir nicht in ein paar Jahren wieder aufholen.“, sagte der Chef der landeseigenen Gesellschaft, die den gesamten Bahnverkehr in Schleswig-Holstein plant und verantwortet.
Bundesverkehrswegeplan: 1360 Straßenbau- und 64 Schienenausbauprojekte
Dieses enorme Missverhältnis offenbart sich auch im aktuellen Bundesverkehrswegeplan. So zählt dieser insgesamt 1360 aktuelle Fernstraßenprojekte auf. Davon befinden sich 278 in Bayern, 215 in Nordrhein-Westfalen, 167 in Niedersachsen, 148 in Baden-Württemberg, 140 in Hessen und gerade mal 24 Straßenbauprojekte in Schleswig-Holstein.
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Für die Verbesserung des Schienenverkehrs werden darin 37 aktuelle und 27 neue Vorhaben für ganz Deutschland benannt. Für weitere 46 Infrastrukturprojekte im Schienenverkehr wird vom amtierenden Bundesverkehrsministerium immerhin ein „potenzieller Bedarf“ erkannt.
Insgesamt rund 165 Milliarden sind demnach für diese Straßenbauprojekte veranschlagt. Da davon rund 21 Milliarden Euro verausgabt und weitere 60 Milliarden Euro gebunden seien, könnten aus Sicht des Halstenbekers Kunz-Michel rund 83 Milliarden Euro auf den Prüfstand gestellt und in den viel wichtigeren und klimaschonenden Schienenausbau umgeleitet werden. Das Bündnis A23 gehe dabei von einer Summe von rund 50 Milliarden Euro aus, die endlich die propagierte Verkehrswende voranbringen könnte.