Wedel. Christrosen wurden an der Gedenkstätte für Opfer der NS-Verbrechen gestohlen. Aktivisten wenden sich mit einem Appell an die Täter.
Wer die unerschütterliche Frohnatur Irmgard Jasker aus Wedel kennt, weiß: Die rüstige Friedensaktivistin kann so schnell nichts aus der Fassung bringen. Doch jetzt ist die 79 Jahre alte Wedelerin, die sich zeit ihres Lebens dem Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit verschrieben hat, ziemlich traurig.
Am KZ-Mahnmal an der Rissener Straße kommt es in diesem Jahr zu dreisten Blumendiebstählen – und das in einer von Zeit, in der der Nahostkonflikt in brutalster Form wieder eskaliert ist. Anfangs waren es „nur“ von Irmgard Jasker zusammengebundene Blumensträuße, die in Wedel vom Gedenkstein abhandenkamen. Nun sind allerdings die erst am vergangenen Wochenende in die Kübel eingepflanzten weißen Christrosen schon wieder weg – der Diebstahl ist am Montag, 23. Oktober, bemerkt worden.
Wedel: Dreiste Blumendiebstähle am KZ-Gedenkstein
„Einen antisemitischen Hintergrund? Daran glaube ich nicht. Da fand jemand die Blumen einfach wunderschön und hat sie mitgenommen, weil er sie gut gebrauchen konnte“, sagt die Wedelerin. Das laminierte Schreiben an die diebischen Blumenfreunde liegt seit dieser Woche vor dem Stein. Die neu bepflanzten Kübel, zum Beispiel mit Heidekraut, sind bisher noch nicht angerührt worden.
Im Brief steht: „Wir sind wirklich enttäuscht und etwas unglücklich darüber, dass uns die sehr schönen und auch teuren Christrosen aus den Pflanzschalen entwendet wurden“, so Jasker. Nach Empfinden des Arbeitskreises sei es „eine Beschädigung des Andenkens an die Opfer von Gewalt im Namen Deutschlands.“
Wedeler Friedensaktivisten kämpft seit Jahrzehnten gegen Rechts
Irmgard Jasker ist seit Jahrzehnten hochengagiert im Arbeitskreis der Stadt Wedel gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit aktiv, um die Erinnerungskultur am Leben zu erhalten und den nachfolgenden Generationen Ideale für ein friedliches Miteinander zu vermitteln.
Den Gedenkstein an der Rissener Straße gibt es seit 1987. Schmierereien oder Diebstähle habe es noch nie zuvor gegeben, sagt Jasker. Sie und ihre Mitstreiter verschönern regelmäßig den Bereich mit Jahreszeit-typischen Blumen und Pflanzen. Oft würden sie und ihr Mann Wolfram Jasker dabei angesprochen werden und kämen mit Wedelerinnen und Wedelern ins Gespräch über die Gräueltaten der NS-Zeit. In Wedel gab es zu jener Zeit beispielsweise ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme.
Im Brief an die Diebe steht: „Wenn es Ihnen nur um schöne Blumen geht, unterstützen Sie doch lieber uns in der Pflege und erhalten dann dafür auch schöne Pflanzen.“ Wer mithelfen würde, am Denkmal Blumen zu pflanzen, bekäme als Dank auch selbst welche, verspricht Jasker.
Der Arbeitskreis der Stadt Wedel gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit treffe sich stets am letzten Mittwoch im Monat im Rathaus. Jasker hofft im Namen der Gruppe, dass „unser Gedenken respektiert wird und keine Blumen mehr entwendet werden.“
Pogromnächte am 9. November: Gedenkveranstaltung in Wedel
Am Donnerstag, 9. November, richtet der Arbeitskreis in Erinnerung an die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung seine alljährliche Gedenkveranstaltung „Gegen das Vergessen“ aus. Um 17 Uhr wird am weiteren Wedeler Mahnmal Ecke Puttener Weg/Kronskamp der Opfer der Nazi-Verbrechen gedacht. Es werden Spenden für die Liberale Jüdische Gemeinde in Hamburg gesammelt.
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Musikalische Begleitung gibt es von Musikern der Christuskirche, Pastorin Susanne Schmidtpott berichtet gemeinsam mit Konfirmanden über die Entwicklung von damals bis heute. Dabei soll auch der Bogen von Hass und Gewalt zu Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Rücksicht geschlagen werden. Anschließend geht es mit mitgebrachten Blumen und Kerzen weiter zum KZ-Gedenkstein an der Rissener Straße.
„Menschen jüdischen Glaubens müssen wieder Angst um ihr Leben haben“
„85 Jahre nach den Novemberpogromen in Deutschland müssen Menschen jüdischen Glaubens wieder Angst um ihr Leben haben. Der Hass auf Juden wächst, auch wenn es in ganz Deutschland nur knapp 95.000 Anhänger mosaischen Glaubens gibt“, erzählt Jasker. Der Hass wachse auch, „obwohl die hier lebenden jüdischen Menschen nicht verantwortlich gemacht werden können für eine Politik der israelischen Regierung, egal wie man in dieser Krisenzeit zu einzelnen Vorgehensweisen steht“, meint die Friedensaktivistin.
Es sei beschämend für unser Land, dass angstfreies jüdisches Leben in Deutschland aktuell nicht mehr möglich sei. Irmgard Jasker sagt: „Wir wollen mit Empathie für die damaligen und für die heutigen Opfer mahnen, gegen immer neuen Hass und Gewalt Stellung zu beziehen.“ Es müsse immer an die schlimme Zeit erinnert werden, „um damit zu mahnen, heute endlich einen anderen Weg zu beschreiten.“