Kreis Pinneberg. Bei CDU und SPD sind Frauen unterrepräsentiert. Das planen die Parteien, um Geschlechter in der Kreispolitik gerechter zu verteilen.
Die Politik soll weiblicher und jünger werden, heißt es schon länger aus den Parteizentralen. Während die Grünen dies mit ihrer systematischen Quotenregelung, die für paritätische Besetzung im Kreistag und in den Kommunalparlamenten sorgen, hinkriegen, sind SPD und CDU noch weit davon entfernt. Die SPD hat einen Frauenanteil von 36 Prozent im Kreistag (fünf von 14) und 37 Prozent in 31 Gemeindevertretungen (56 von 152).
Knapp drei Viertel der Mandatsträger der CDU im Kreis sind Männer
Die CDU bleibt weit dahinter und ist weiterhin zu fast zwei Dritteln männlich vertreten. 29 Prozent (sieben von 24) beträgt der Frauenanteil im Kreistag und 27 Prozent in den 40 Gemeinde- und Stadtvertretungen (74 von 272), in denen die CDU Mandate bei der Kommunalwahl im Mai errungen hat.
Dass sich das Erscheinungsbild der CDU künftig mit mehr Frauen präsentiert, versucht jetzt Dagmar Steiner aus Hasloh zu erreichen. Die 59 Jahre alte Ärztin, die eine von sieben Frauen im 20-köpfigen Kreisvorstand ist, führt jetzt die Frauen Union mit dem klaren Bekenntnis an, mehr Frauen für die CDU und für die Politik vor Ort zu gewinnen. Ihr selbst war es 2016 nicht vergönnt, sich gegen den elf Jahre älteren Michael von Abercron bei der Kandidatur für den Bundestag durchzusetzen. Ihr fehlten gerade mal acht Stimmen.
Von Verjüngung kann zurzeit keine Rede bei der Kreis-CDU sein
Und wenn der CDU-Kreisvorstand jetzt ihren Vorsitzenden Christian von Boetticher mit 52 Jahren als Spitzenkandidat für die Europawahl nominiert, spricht das nicht gerade für eine Verjüngung der Partei. Zuletzt konnte dieser seinen erheblich jüngeren Herausforderer innerhalb der CDU in die Schranken weisen: Vor vier Jahren scheiterte der 17 Jahre jüngere Nicolas Sölter aus Elmshorn gegen von Boetticher.
Und vor zwei Jahren setzte sich Peter Lehnert (60) aus Bilsen, der seit mehr als 30 Jahren dem Landtag angehört, deutlich gegen den 14 Jahre jüngeren Herausforderer Lars Kuhlmann aus Tangstedt durch.
Das Durchschnittsalter der Parteien im Kreistag liegt bei über 50 Jahren
Auch wenn fünf der 24 CDU-Kreistagsabgeordneten 30 Jahre oder jünger sind – das Durchschnittsalter ihrer Abgeordneten liegt bei 50. Sieben CDU- Abgeordnete sind zum Teil weit über 60. Bei der SPD, die fünf von 14 Abgeordneten unter 40 Jahren und sechs über 60 Jahren im Kreistag hat, beträgt das Durchschnittsalter 51 Jahre. Und die Grünen, die zwar vier von 14 Kreistagsabgeordneten unter 40, aber auch sechs über 60 in ihren Reihen haben, sind sogar im Durchschnitt noch ein Jahr älter.
„Wir haben eine weibliche Fraktionsvorsitzende im Kreistag und in den Städten Pinneberg, Wedel, Tornesch, Klein Nordende und Kölln-Reisiek sowie zahlreiche weibliche Ortsvorsitzende in Uetersen, Quickborn, Halstenbek, Sparrieshoop und Bönningstedt“, sagt Nadine Mai aus Uetersen, die für die Grünen dem Kreistag angehört. Dort hat auch die CDU mit Heike Beukelmann immerhin die dienstälteste Fraktionschefin im Kreistag.
Steiner will Frauen Mut machen und Angst nehmen, sie gefährden ihre Karriere
Mit gezielter Frauenförderung durch Seminare, Workshops, Mentoring und „Lady-Nights“ will Frauen-Unions-Vorsitzende Steiner mehr Frauen für die Kommunalpolitik gewinnen. Als sie die Frauen Union vor vier Jahren übernahm, in der automatisch alle Frauen in der CDU Mitgliederinnen sind, habe es in dieser Richtung „keine Aktivitäten“ gegeben, sagt sie. „Ich möchte Frauen sichtbarer in der CDU-Politik machen und Frauen Mut zusprechen, sich politisch zu engagieren“, sagt sie. Ihre neuen Vorstandskolleginnen in der Frauen-Union seien hochmotiviert, diese Aufgabe zu bewältigen.
Frauen-Mentoren und Kurse für Reden und Rhetorik
Die Elmshorner Landtagsabgeordnete Birte Glißmann und Bildungsministerin Karin Prien unterstützten sie dabei, indem sie sie als Mentorinnen fungierten oder Rede- und Rhetorik-Schulungen machten. Über regelmäßige Treffs und einen Austausch würde bald ein Netzwerk von CDU-Politikerinnen entstehen, die sich in ihren Kommunen neben den klassischen Themen wie Schule und Kindergärten auch über Straßenbau und Neubaugebiete auskennen würden, erklärt Steiner.
Zudem werde sich dieses Frauen-Netzwerk verstärkt um die Integration von Frauen in die Politik, das Recht auf gleiche Bezahlung, Flüchtlingsforen sowie Frauen und Beruf einsetzen. „Uns geht es darum, Frauen zu fördern und für die CDU zu gewinnen.“
Dabei sehe sie ihre Aufgabe auch darin, gerade den jüngeren Frauen die „Angst“ zu nehmen, dass sie ihre berufliche Karriere aufs Spiel setzten, wenn sie sich politisch engagierten oder zeitweise in die Familie zurückzögen, erklärt Steiner. Sie selbst habe sich bewusst für die Erziehung der Kinder entschieden und dann danach noch mal beruflich durchgestartet, sagt Steiner. „Diese Tür offen zu halten, ist ganz wichtig für Frauen.“
SPD-Abgeordnete Heidrun Keck: Beim Frauenanteil noch Luft nach oben
Ähnliches plant auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Vize-Kreisvorsitzende Heidrun Keck aus Wedel. „Beim Frauenanteil ist bei uns in der SPD noch Luft nach oben“, sagt sie. Allerdings gebe es dafür noch einige Hindernisse in der Kreispolitik und Gesellschaft zu überwinden. So seien die jüngeren Frauen und Mütter in den Familien oft zeitlich zu sehr mit Haushalt und Kinderbetreuung neben dem Beruf gebunden.
Als die SPD während des Corona-Lockdowns ihre Sitzungen weitgehend hybrid mit möglicher Online-Teilnahme veranstaltet habe, „gab es einen sprunghaften Anstieg der Frauen bei uns“, sagt Heidrun Keck. Diese virtuelle Möglichkeit der Mitarbeit müsste weiter ausgebaut werden, fordert sie.
Die Beschlussvorlagen der Verwaltung sind oft zu umfangreich
Zudem seien die Beschlussvorlagen der Verwaltung viel zu umfangreich, um sie in der wenigen Freizeit lesen, verstehen und interpretieren zu können. „Das ist inzwischen eine Flut von Papier“, die kaum noch zu beherrschen sei. Da müsste die Kreisverwaltung unbedingt dafür sorgen, dies einzudämmen und kürzere und besser verständliche Zusammenfassungen zu erarbeiten, fordert Keck.
Schließlich sei das ihre Aufgabe. Und in den Kommunen sollten die Sitzungen auch im zeitlichen Rahmen bleiben, damit junge Mütter ihren Babysitter auch rechtzeitig ablösen könnten.
Abgeordnete Mai: Frauen haben andere Sichtweisen und können beruhigen
Für Grünen-Abgeordnete Mai ist es nicht nur eine Frage der Gender-Gerechtigkeit, verstärkt Frauen in die Kommunalpolitik einzubinden. „In vielen Bereichen führt die weibliche Sicht der Dinge zu ganz anderen Sichtweisen und verschiedenen Perspektiven, die auch hilfreich sind, um emotional aufgeheizte Stimmungen zu beruhigen.“
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Das Frauen-Netzwerk der Gleichstellungsbeauftragten im Kreis, das alle drei Monate zu themenbezogenen Veranstaltungen einlädt, „ist ein tolles Format, dass über alle Parteigrenzen hinweg Frauen für die politische Arbeit motivieren kann.“