Uetersen. Um bis zu 30 Prozent steigt die Krebsgefahr, wenn Feuerwehrleute nicht aufpassen. In Uetersen wird nun etwas gegen die Gefahr getan.
Früher galten sie als Helden. Wenn Gesicht und Klamotten stark verrußt waren, hatten die Feuerwehrmänner Großes geleistet. Doch noch Jahre später kann dieser Einsatz für die Retter selbst gefährlich werden – lebensgefährlich, denn das Krebsrisiko bei langjährigen Einsatzkräften steigt um bis zu 30 Prozent. In Uetersen wird etwas dagegen getan.
1,6 Millionen Euro hat die Rosenstadt investiert, um die sogenannte Schwarz-Weiß-Trennung in die Tat umzusetzen. Für das Geld wurden Gebäude errichtet, Räume ausgebaut, vielfältige Technik aufgebaut und die Bereiche zwischen Einsatz- und Alltagskluft strikt getrennt.
Krebsgefahr: Als die Feuerwehrleute sich noch zwischen den startenden Fahrzeugen umzogen
„Früher haben wir uns in der Fahrzeughalle zwischen den bereits startenden Fahrzeugen umgezogen“, erinnert sich Wehrführer Frank Girnus. Das ist in Uetersen zwar schon lange Vergangenheit, aber noch längst nicht in allen Wachen in der Region umgesetzt. Viel Nachholbedarf hat Wedel, wo die Umkleiden noch dicht an der Halle dran sind. Pinneberg baut neu und auch Elmshorn fängt an.
Vorbildlich dagegen die neue Lage in der Uetersener Wache: Hier werden Fahrzeuge, die im Rauch gestanden haben, direkt in einer gesonderten Halle mit Wasser, Abluft und weiterer Technik gewaschen. Die Männer und Frauen ziehen ihre kontaminierte Einsatzkleidung bereits vor dem Einstieg in die rückkehrenden Fahrzeuge aus und Trainingszeug an.
Waschraum mit speziellen Maschinen und einer besonderen Entlüftung
In Säcken werden die verschmutzten Klamotten mitgebracht und landen in einem Raum, wo sie „in speziellen Waschmaschinen mithilfe von speziellen Waschmitteln und unter Absaugen der Luft, die kontaminiert ist“ (Bürgermeister Dirk Woschei) gereinigt werden.
Damit erreicht die Rosenstadt für ihre Einsatzkräfte größtenteils Standards, die das Robert-Koch-Institut vorgibt. „Wir arbeiten hier je nach Verschmutzungsgrad mit Masken oder sogar unter Atemschutz“, erzählt Michael Pflaum. Der gelernte Fluggerätemechaniker ist seit zwei Jahren als einer von zwei hauptamtlichen Gerätewarten in Uetersen angestellt. Angelernt hat ihn der langjährige Kollege Sven Missall.
Kreisfeuerwehrverband will mobile Hygiene-Einheit für Einsätze anschaffen
„Das können die kleinen Kommunen und Wehren noch nicht leisten“, weiß Kreisbrandmeister Frank Homrich. Nichtsdestotrotz wirbt er unermüdlich und überall dafür, dem Gesundheitsschutz mehr Beachtung zu schenken. Der Kreisfeuerwehrverband will zudem eine mobile Hygiene-Einheit anschaffen, die direkt an den Einsatzorten fürs Umziehen und Duschen genutzt werden kann.
Jede Vorsorge ist lebenswichtig. In Langzeitstudien in Hamburg und Berlin wurde nachgewiesen, dass giftige Partikelchen durch die Kleidung in die Haut eindringen und Krebs auslösen können. Das kann im schlechten Fall auch denjenigen treffen, der sich am folgenden Tag ahnungslos in das nicht gesäuberte Einsatzfahrzeug setzt.
Bewusstsein für Eigenschutz bei den Führungskräften bereits durchgesetzt
Diese Gefahr wird bei der strikten Trennung von Schwarz, der kontaminierte Kleidung, Fahrzeugen und Geräten, sowie Weiß, dem reinen Bereich fürs Umziehen der Alltagskleidung, erheblich minimiert. Laut Kreisbrandmeister Frank Homrich, der auch landesweit oberster Brandschützer ist, hat sich das Bewusstsein für die Gesundheitsvorsorge bei den Führungskräften bereits durchgesetzt.
Jetzt gelte es, auch die vielen ehrenamtlichen Einsatzkräfte und vor allem die alten Haudegen davon zu überzeugen, mehr auf sich selbst zu achten. Und noch jemand ist wichtig, damit wie in Uetersen auch wirklich in den Eigenschutz investiert wird. Bürgermeister Dirk Woschei: „Ich wünsche mir, dass das Bewusstsein über die Krebsgefahr unserer Einsatzkräfte in der gesamten Bevölkerung verstärkt wird!“
Dirk Woschei: Vor Kontamination zu schützen ist eine Selbstverständlichkeit
Der Uetersener Bürgermeister bezeichnete es bei der Einweihung des Uetersener Anbaus als „eine Selbstverständlichkeit, dass wir seitens der Stadtverwaltung und Politik alles tun, um Ihre Gesundheit und Ihr privates Umfeld vor Kontamination zu schützen“.
Und wenn es für den Selbstschutz bereits zu spät ist? In Hamburg haben Feuerwehrleute 2016 eine gemeinnützige Organisation gegründet, um erkrankten Kollegen und Kolleginnen zu helfen. Unter der Internetadresse feuerkrebs.de bekommt jeder weitere Informationen und kann mit Spenden die Arbeit unterstützen.
Kreisbrandmeister: Einsätze der Atemschutzträger sorgfältig dokumentieren
Wichtig ist aber auch, dass die Einsätze und die Namen der Kameraden und Kameradinnen, die unter Atemschutz besonders tief in die Brandorte eindringen, dokumentiert werden. Kreisbrandmeister Homrich: „Dann kann auch 50, 60 Jahre später bei der Unfallkasse nachgewiesen werden, ob der Einsatz eine späte Erkrankung verursacht hat.“ Wie schnell so etwas passieren kann, zeigt, dass der Rauch und die dabei entstehenden giftigen Säuren nur einer Plastiktüte einen Menschen töten kann.
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Wer all diese Gefahren freiwillig auf sich nimmt, verdient ein großes Dankeschön Dafür zollte Uetersens Bürgermeister allen „Kameradinnen und Kameraden“ hohen Respekt. Namentlich lobte Dirk Woschei den früheren Wehrführer Karsten Schütt, der den notwendigen Ausbau vorangetrieben habe und bei seiner Vorgängerin Andrea Hansen und dem damaligen Bürgervorsteher Adolf Bergmann auf „offene Ohren“ gestoßen sei.