Pinneberg. Auf dem knackevollen Drosteiplatz genossen Tausende den SummerJazz-Auftakt mit Stefan Gwildis. Welche Höhepunkte noch anstehen.
Dass punktgenau zum Eröffnungstag des 27. Pinneberger SummerJazz der Himmel aufklarte, sei weniger Glück als Garantie gewesen, ist sich Bürgermeisterin Urte Steinberg sicher: „Wenn wir SummerJazz haben, dann haben wir Sommer.“ Eben – und so fiel der Auftakt der diesjährigen Edition unter dem Credo „Jazz meets Beethoven“ ganz und gar nicht ins Wasser, dafür aber in goldenes Sommerabendlicht.
Kaum verwunderlich also, dass sich die ersten Gäste bereits weit vor Konzertbeginn die besten Sitzplätze auf dem Drosteiplatz gesichert und die Zwischenzeit bei Weißwein und Schnack vertrieben haben, bis endlich er, auf den der ganze knackevolle Drosteiplatz gewartet hatte, auf der Bühne erschien – Stefan Gwildis. Unterstützt wurde der Hamburger Musiker von Tobias Neumann am Klavier und Hagen Kuhr am Cello.
SummerJazz in Pinneberg: Stefan Gwildis singt sich sich in Rage
Satte zweieinhalb Stunden sollte der Deutschsoul-Star an diesem Donnerstagabend in Pinneberg singen und scatten und scherzen, dass das Publikum nur so schwärmt und schunkelt und frönt. Das Erstaunlichste dabei: Mit jedem Song wurde Gwildis keineswegs müder und schlapper, sondern blühte erst so richtig auf.
Mit der Dunkelheit hielt die Ausgelassenheit Einzug – sowohl am Weinstand auf dem Drosteiplatz als auch beim Gwildis-Trio auf der Bühne. So sehr, dass sich der Musiker zunehmend in Rage sang und gen Ende seines Konzertes sogar dazu hinreißen ließ, seine Scat-Passagen mit Gebell anzureichern – Spaß machte das offenbar Gwildis und seinen Fans gleichermaßen.
Stefan Gwildis in Pinneberg: Mitsing-Hits und humorvolle Coverversionen
Eine solch abendfüllende Show, wie der Soulsänger sie auf dem Drosteiplatz geboten hat, die ist nicht zu unterschätzen. Andererseits: Genug musikalisches Material für womöglich dutzende Stunden Gwildis live hat er nach rund 40 Bühnenjahren gewiss in petto.
Zum Auftakt des 27. SummerJazz präsentierte der Soulsänger seinem Publikum ein Allerlei aus Mitsing-Hits wie „Heut ist der Tag“ und „Spiel das Lied in dir“, Stegreif-Scherzkeksnummern wie „Britta aus Rellingen“ und „Jörg aus Tornesch“ sowie humorvollen Coversongs. Letztere reichten von „Gestern war Gestern“, gedichtet auf die Melodie von Marc Cohens „Walking in Memphis“, bis hin zu einer „Der Mond über Hamburg“-Version, die in der Tradition Miles Davis’ erklang.
Brasilianische Klänge bis New-York-Swing auf vier Bühnen in der Innenstadt
Damit brachte Gwildis das Konzept des Pinneberger SummerJazz eigentlich ganz gut auf den Punkt. Die viertägige Musikveranstaltung vereint schließlich die ganze Bandbreite des Genres – von Kammerjazz, wie ihm am Donnerstagabend dank Soulcrane & Strings auf der Bühne am Lindenplatz zu lauschen war, bis hin zu brasilianischen Klängen, wie sie Tudo Azul an der Bahnhofsstraße unter anderem Stimmbändern und Querflöte entlockten.
In ein weniger exaltiertes als harmonisches New York der Swingära verwandelte wiederum das Nicole Lang Trio die Innenstadtoase Remise. Unter Zuhilfenahme von Doris-Day- oder Sinatra-Klassikern entführten die Drei das eingeschworene Publikum ganz, ganz weit weg von der Elbe bis an den East River.
Pinneberger SummerJazz: Schade, dass man sich nicht vierteilen kann
Eigentlich bedauernswert, dass der geneigte SummerJazz-Besucher stets nur vor einer der vier Bühnen stehen und staunen und lauschen kann. Auch in den kommenden Tagen werden sich Pinneberger und Angereiste hin und wieder wünschen, sich zwei-, drei- oder vierteilen zu können.
Schließlich erwartet sie sowohl opulenter Big-Band-Jazz (Sidewinder, Freitag von 17 Uhr an auf dem Drosteiplatz) als auch amerikanischer Blues (The Blueberry Smokes, Sonntag von 13 Uhr an in der Remise) und detailreicher Songjazz (Triosence, Freitag von 19 Uhr an in der Bahnhofstraße) ebenso wie Reggae- und Ska-Einflüsse (Tommy Tornado & The Clerks, Sonnabend von 20 Uhr an auf dem Drosteiplatz). Swing von Deutschlands ältester Jazzformation Woodhouse, die seit 70. Jahren Musik macht, gibt es zudem am Sonnabend von 14 Uhr an auf dem Drosteiplatz.
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Cello ist das „Instrument des Jahres“ für die 27. SummerJazz-Ausgabe
Worauf die Veranstalter um Ralph Kricke bei der Programmerstellung neben musikalischer Diversität und einer internationalen Auswahl noch geachtet haben? Dass möglichst viele Celli zu hören sind bei den 35 Konzerten an den vier Tagen auf den vier Bühnen in Pinneberg.
Für die 27. SummerJazz-Ausgabe wurde schließlich das Cello als zentrales Instrument auserkoren. Der Verkauf des kleinen Ansteckers mit dem entsprechenden Motiv für zehn Euro soll einmal mehr die Zukunft des Festivals sichern und den SummerJazz 2024 finanziell stützen. Neben ehrenamtlichem Engagement, Sponsoren und Förderern ermöglicht der Verkauf solcher Pins seit jeher, dass das Festival bei freiem Eintritt zu besuchen ist.
SummerJazz Pinneberg: Hier trifft Beethoven auf Jazz
Mit dem „Instrument des Jahres“ korrespondiert im Übrigen auch das diesjährige SummerJazz-Motto „Beethoven meets Jazz“. Der Wiener Klassiker war immerhin einer der ersten Komponisten, der in größerem Stil Sonaten geschrieben und damit dem Cello eine Bühne verschafft hat. Grelle Zeichnungen von Ludwig van auf dem Fahrrad („Trethoven“) und an der Trompete („Tröthoven“) lassen sich als Festivalplakate erwerben.
Wer sich ein Unikat sichern will, setzt aber vielleicht auf die Zeichnungen von Jörgen Habedank aus Tornesch, der ebenfalls das Cello im Blick behält, während er in seinen Konzertzeichnungen Klänge auf Papier bannt.