Quickborn. Das Himmelmoor in Quickborn, sagt Naturführerin Verena Lange, könne man erleben, riechen, fühlen – und sogar essen.
- Moorführer und -führerinnen werden von der Loki-Schmidt-Stftung ausgebildet
- Im Himmelmoor gibt es auch fleischfressende Pflanzen
- Förderverein und VHS bieten Führungen an
Mit einem Vorurteil räumt Verena Lange gleich zu Beginn des Gesprächs auf. „Moore sind weder dunkel und eintönig, noch langweilig und lebensfeindlich“, sagt sie. Und muss es wissen, denn die Quickbornerin ist eine von 20 Moorführern und Moorführerinnen, die bundesweit erstmals von der Loki-Schmidt-Stiftung ausgebildet und vor Kurzem zertifiziert wurden.
„Moore sind ein faszinierendes, vielseitiges Universum, es lohnt, genau hinzuschauen“, schwärmt die 57-Jährige, die auch Mitglied im Förderverein Himmelmoor ist. Als studierte Landschaftsplanerin und Baumschulgärtnerin ist sie eigentlich vom Fach. Doch auch sie lernte erst während der dreimonatigen Ausbildung, kleine Schätze zu erkennen und weiß nun auch, was nicht hierhergehört – wie das Pfeifengras. „Bisher habe ich mich bei meinen Besuchen im Himmelmoor immer daran gefreut, doch nun weiß ich, dass es eine Zeigerpflanze für ein bedrohtes Moor ist.“
Ein Tag im Quickborner Himmelmoor ist wie ein Kurzurlaub in Schweden
„Etwa 95 Prozent der Moorflächen in Deutschland sind entwässert, abgetorft oder werden landwirtschaftlich genutzt. Das ist alarmierend, denn sie bieten Lebensräume für hoch spezialisierte Pflanzen- und Tierarten und sind die größten und effektivsten Kohlenstoffspeicher auf der Erde, wenn sie intakt sind“, erklärt Timo Zeimet, Projektleiter der Loki-Schmidt-Stiftung. „Moore brauchen deshalb unseren Schutz. Neben der Renaturierung gehört die Vermittlung von Wissen um das wertvolle Ökosystem dazu.“
Mit künftigen Führungen möchte Verena Lange Klein und Groß für das jahrtausendealte Himmelmoor vor ihrer Haustür begeistern. Und das mit allen Sinnen. „Moor muss man erleben, fühlen, schmecken und riechen, um Respekt und Verständnis zu bekommen“, sagt die frischgebackene Naturführerin und steckt sich ein paar Brösel Torf in den Mund. „Schmeckt wie Salatsauce – zumindest genauso sauer. Das kommt durch den pH-Wert unter vier“, resümiert sie grinsend.
Auch „Tropen-Feeling“ gibt es im Himmelmoor
Weiter geht es auf dem vier Kilometer langen Rundweg. Die Reste von weißen, flauschigen Wollgras-Samenpuscheln säumen malerische Wasserflächen. „Mit ihnen wurden früher Kopfkissen gestopft“, erklärt Lange. Am liebsten demonstriert sie das „Torf-Trampolin“. „Vor allem Kinder jubeln, wenn sie auf dem federnden Boden liegen und durch die Schwingungen ‚fliegen‘, die andere durch ihr Hüpfen erzeugen“.
Wer die Perspektive wechselt und auf die Knie geht, kann sogar „Tropen-Feeling“ genießen. Der nur wenige Zentimeter hohe Sonnentau ist eine fleischfressende Pflanze, die Fliegen und andere kleine Insekten mit ihren klebrigen Tentakeln fängt. Gefährlich werden können die im Himmelmoor vorkommende Kreuzottern – vor allem Hunden oder im hohen Gras spielenden Kindern, denn die scheuen Schlangen injizieren ein blut- und gewebezersetzendes Nervengift. Ein Biss kann ernste Folgen haben, in schwerwiegenden Fällen ist die Gabe eines Gegengiftes erforderlich. „Hunde gehören daher an die Leine, Zweibeiner tragen feste Schuhe und bleiben immer auf den Wegen“, mahnt Verena Lange.
Das Himmelmoor ist größte Hochmoor Schleswig-Holsteins
Für sie sind zwei Stunden im Moor wie ein Kurzurlaub in Schweden: „Der Blick über die weite Landschaft und die Stille sind einfach wunderschön.“
Mit rund 600 Hektar war das Quickborner Himmelmoor das größte Hochmoor Schleswig-Holsteins. Seit dem 18. Jahrhundert wurde Torf gestochen. Erst mühsam von den Parzellenpächtern per Hand, ab 1870 im großen Stil auch mit Maschinen. Unzählige Kubikmeter Torf wurden als Heizmaterial verbrannt oder dienten als Blumenerde. Bis zu sieben Meter Moorkörper gingen verloren.
Himmelmoor: Förderverein und VHS bieten Führungen an
Der Blick von einem der Aussichtshügel auf Originalniveau macht sicherlich jeden Besucher betroffen. „Was über 10.000 Jahre gewachsen war, hat der Mensch in nur 200 Jahren vernichtet“, bedauert Lange. Einsicht und Umkehr erfolgten, als das Thema Klimaschutz immer wichtiger wurde. Mit dem Torfabbau war 2018 Schluss und die Wiedervernässung vorrangig. Seit Anfang des Jahres ist das Himmelmoor Naturschutzgebiet.
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Der Förderverein Himmelmoor entstand 2005 und hat aktuell 70 Mitglieder. Im ehemaligen Torfwerk richtete der Verein eine informative Ausstellung ein, die zu einem Museum ausgebaut werden soll. Geöffnet ist jeden ersten und dritten Sonntag im Monat von 11 bis 17 Uhr. In der Zeit, in der auch die Torfbahn Fahrten anbietet, finden Führungen spontan oder nach Anmeldung über den Verein (www.foerderverein-himmelmoor.de) statt sowie über die VHS Quickborn (www.vhs-quickborn.de) am 17. August, 2., 17. und 20. September.