Kreis Pinneberg. Drei Autoren haben die Geschichte der Kaserne und heutigen Unteroffizierschule in Appen zusammengetragen.
Der erste Teil ist fertig. Nach gut acht Jahren eingehender Recherche in Archiven und Gesprächen mit noch lebenden Zeitgenossen haben Hauke Heidecke, Thorsten Göpfert und Bennet Haker jetzt ihren ersten Band über den „Fliegerhorst Uetersen“ vorgelegt, wie die heutige Jürgen-Schumann-Kaserne mit der Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen jahrzehntelang hieß.
Das 265 Seiten starke Werk mit Hunderten von Bildern und Originaldokumenten umfasst zunächst nur die Anfänge des Fliegerhorstes in der NS-Zeit bis zum Kriegsende. Das Autoren-Trio hat den Band im DIN-A4-Format im Selbstverlag herausgegeben.
Neues Buch: Der Fliegerhorst Uetersen und seine Bedeutung in der Nazi-Zeit
„Der zweite Teil, der die Entwicklung des Fliegerhorstes in der Nachkriegszeit beschreibt, soll im Laufe des Sommers erscheinen“, kündigt Heidecke an, der schon sein ganzes Leben in Moorrege lebt. Gut 500 Seiten würden am Ende beide Bände umfassen. Der Hauptkommissar des Landeskriminalamtes Hamburg im Ruhestand hat bei der akribischen Recherche zwei Berufssoldaten an der Seite, den Stabsfeldwebel Thorsten Göpfert. der selbst zum Personal an der Unteroffizierschule gehört, und Hauptmann Bennet Haker aus Rellingen.
„Ich bin mit dem Fliegerhorst groß geworden“, sagt Heidecke über seine Motivation für diese Fleißarbeit des Nachforschens, für die er schon vor 18 Jahren mit dem Befragen der ersten Zeitzeugen begann. In Moorrege sei der Fliegerhorst ständig präsent gewesen. Denn im Ortsteil Oberglinde lebten und wohnten unmittelbar nach dem Krieg auch die Offiziere der britischen Besatzungsmacht. „Sie hatten dort ihre eigene Siedlung, weitgehend abgeschirmt von der deutschen Bevölkerung“, erinnert sich Heidecke. Im Mai 1957 wurde der Standort der Bundeswehr übertragen.
Im Mai 1933 gründete sich der Ortsverband Uetersen des Luftsportverbandes
Los ging es aber mit den Segelfliegern. Im Mai 1933 gründete sich der Ortsverband Uetersen des Luftsportverbandes. Durch die Pariser Vereinbarungen gelang es noch der Weimarer Demokratie, die Beschränkungen aus dem Versailler Vertrag von 1919 für die zivile Luftfahrt aufzuheben. So planten die Uetersener Flugpioniere einen Segelsport-Flughafen auf der sogenannten Franzosenkoppel zwischen Appen, Heist und Moorrege zu errichten.
Der Name Franzosenkoppel ergab sich aus einer Schenkung des Königs Christian VII. (1749-1808) von Dänemark und Norwegen, der den Herrschaften Monsieur et Madame de Noville und Monsieur le Marquis de Bailly hier 182 Hektar Heideland schenkte. Doch „das sandige und moorige Dünen- und Heidegelände wurde nicht besiedelt“, schreibt Heidecke. Im Frühjahr 1934 wurde das zukünftige Fluggelände in den Ausmaßen von 750 mal 400 Metern von der Stadt Uetersen planiert.
Das NS-Regime suchte im Norden des Landes einen militärischen Flugplatz
In einer örtlichen Tageszeitung hieß es dazu im Jahr 1936: „Der Flugplatz Uetersen ist ausgewählt worden von einigen Männern, die getragen wurden von einer grenzenlosen Begeisterung zur Fliegerei.“ Da hier jetzt ein regulärer Motorflugplatz entstehen sollte, schalteten sich die Behörden in Berlin ein. Die NS-Diktatur begann sofort systematisch mit der Aufrüstung und suchte im Norden des Landes einen militärischen Flugplatz. Die Wahl fiel auf das unwegsame Gelände nordwestlich von Hamburg an der Unterelbe, wo sich seit 1933 bereits ein Segelflugplatz des Luftsportvereins Uetersen befand.
Im November 1934 empfahl der damalige Bürgermeister Hermann Dölling (NSDAP) von Uetersen der Reichsregierung, hier einen militärischen Flughafen zu errichten. Im Januar 1935 traf eine Kommission aus Berlin ein, um das Gelände auf seine Eignung als Flughafen zu begutachten. Vorgesehen und geplant war eine Gesamtfläche von 155 Hektar, wovon allein 92 Hektar für das Rollfeld, das schließlich 1024 mal 700 Meter groß werden sollte.
Fliegerhorst Uetersen: Sumpfiger Untergrund verursachte große Schwierigkeiten
Der Landwirt Otto Kahlke aus Uetersen, dem das Gelände gehörte, war allerdings nicht mit dem Ankauf durch den Reichsfiskus zu dem vorgeschlagenen Preis einverstanden und beschwerte sich bei Reichsminister Rudolf Hess. Vergeblich. Die Eingabe wurde im Januar 1937 vom Stellvertreter des Führers abgelehnt. Das „Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1936 auf den Grunderwerb Uetersen für zulässig erklärt“, wurde dem Bauern beschieden.
So konnten im März 1935 die Landvermessungsarbeiten beginnen. Doch der sumpfige Untergrund verursachte größte Schwierigkeiten, sodass im Mai 1935 beinahe das ganze Projekt wieder aufgegeben worden wäre. Stattdessen sollte der Fliegerhorst in Glinde, im Osten von Hamburg, errichtet werden. Doch es wurde weitergearbeitet, auch wenn es immer wieder zu Verzögerungen und sogar Baustopps kam, wie die Autoren Heidecke, Haker und Göpfert schreiben.
8000 Maurer, Zimmerleute und andere Facharbeiter wurden angeworben
60.000 Kubikmeter Mutterboden mussten allein für die Planierung des Rollfeldes auf den sandigen Untergrund aufgetragen werden. 1600 Mann des Arbeitsdienstes waren mit der Arbeit beschäftigt. Um die Gebäude und Flugzeughallen zu errichten, wurden bis zu zehn Meter lange Eisenbetonpfählen in den morastigen Boden gerammt. Am 1. April 1936 sollte der Fliegerhorst fertiggestellt sein. Bereits im März ist die Busverbindung von Uetersen zum Fliegerhorst eingerichtet worden. Im Juni 1936 befanden sich alle 20 Gebäude noch im Bau, aber das erste Flugzeug landete bereits auf dem Fliegerhorst. Ende August 1936 wurde Richtfest gefeiert.
Parallel dazu wurden in Uetersen Häuser und Wohnungen für die Offiziere und Unteroffiziere gebaut. Es waren 300 Wohneinheiten, wie ein Dokument des Reichsarbeitsministeriums von 1940 ausweist. Auf dem Gelände der Kaserne wurden zudem Unterkünfte und Wirtschaftsräume, Luftschutzbunker und unterirdische Tankanlagen errichtet. Um die Vielzahl an benötigten Arbeitskräften zu rekrutieren, wurden bis zu 8000 Maurer, Zimmerleute und andere Facharbeiter aus ganz Norddeutschland angeworben und in den umliegenden Orten, vor allem in Uetersen, angesiedelt.
Im Krieg spielte der Fliegerhorst eine wichtige strategische Rolle
Autor Heidecke hat dafür bisher unveröffentlichte Fotobelege von Arbeiterhäusern an der Moltkestraße, Meßtorffstraße, Tantausallee und Ossenpadd aufgetan. „Auch im Jahr 1937 war der Fliegerhorst immer noch eine große Baustelle“, schreibt er. Schlussendlich sei der Fliegerhorst eigentlich nie fertig geworden, weil dann auch der Krieg begann.
Im Krieg spielte der Fliegerhorst eine wichtige strategische Rolle für den Überfall auf Skandinavien. Im April 1940 starteten insgesamt 450 Ju-52-Maschinen von hier aus ihren Angriffskrieg gegen Norwegen und Dänemark, wie das Buch akribisch aufzählt. Die Nazis versuchten, den Angriff als „Weserübung“ zu verschleiern.
Was sich für die einheimische Bevölkerung damit ankündigte, dass Hunderte von Soldaten plötzlich zu Fuß von den Bahnhöfen in Pinneberg und Uetersen zum Fliegerhorst marschierten, was mit mehreren Fotos von damals im Buch dokumentiert wird.
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1942 sollen hier zwischen 1200 und 1400 Soldaten der NS-Wehrmacht stationiert gewesen sein. Bei Kriegsende hätten sich allein in Schleswig-Holstein 3000 Militärflugzeuge befunden.
Fliegerhorst Uetersen: Bei einem Luftangriff kamen zwei Menschen ums Leben
Der Fliegerhorst selbst blieb im Krieg weitgehend von Angriffen der alliierten Streitkräfte verschont. Die Heimatforscher entdeckten nur einen Luftangriff der Alliierten Anfang März 1943, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen und ein Gebäude zerstört worden sei, sagt Heidecke.
Der erste Band über die Geschichte des Fliegerhorstes Uetersen wurde bereits 170-mal verkauft. Er kann für 35 Euro unter der E-Mailadresse kontakt@fliegerhorst-uetersen.de oder telefonisch unter 04122/833 80 bestellt werden. Der zweite Teil über die Nachkriegsgeschichte soll Ende Juli erscheinen. Der zweite Band, der Ende Juli erscheinen soll, beschreibt die Nachkriegszeit und die Beziehungen, die sich durch die britischen Besatzungssoldaten mit der einheimischen Bevölkerung ergeben hätten, kündigen die Autoren an. Dazu haben sie mit einigen dieser hier stationierten Royal-Air-Force-Angehörigen sprechen und konferieren können.