Uetersen. Eines der größten Gymnasien in Schleswig-Holstein ist 100 Jahre alt geworden. Lehrer, Schüler und Ehemalige feierten das groß in Uetersen.
Der Schulhof des Ludwig-Meyn-Gymnasiums in Uetersen hat an diesem Abend etwas von einem Musik-Festival. Mehrere Bühnen sind aufgebaut, Mikrofone und Instrumente stehen bereit. Stände mit Krimskrams, Selbstgebackenem und Süßigkeitenverkäufer gibt es auch. Und natürlich Bier. Eine Schulveranstaltung die viel mehr ist, als trockene Reden von Würdenträgern und Elternapplaus.
Der Anlass für die Festlichkeiten: das Ludwig-Meyn-Gymnasium wird 100 Jahre alt. Mit knapp 1000 Schülerinnen und Schülern sowie etwa 80 Lehrkräften zählt es zu den größten Gymnasien in Schleswig-Holstein. Zur großen Sause am Sonnabend eingeladen waren alle Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte, Ehemalige und Freunde.
Ludwig-Meyn-Gymnasium in Uetersen: trockene Reden unerwünscht
Alle Blicke sind auf die Hauptbühne gerichtet. Alle Stühle sind besetzt, der Schulhof quillt über vor Leuten. In den oberen Stockwerken der Schulgebäude stehen Menschen an offenen Fenstern und blicken in den Schulhof. Schulleiter Alexej Stroh hält eine kurze Ansprache, dankt allen, die das Fest ermöglicht haben.
Dann übernehmen zwei Schüler einer sechsten Klasse. Sie holen Uetersens Bürgermeister Dirk Woschei, Schulleiter Stroh, Schulaufsichtsrat Martin Baudach und die Schülervertreterin Isabel Peredo auf die Bühne, werfen ihnen abwechselnd Fragen zu. Keiner von ihnen darf eine trockene Rede halten, Elternapplaus gibt es aber schon.
Bürgermeister Woschei lobt die geschichtliche Aufarbeitung der Schule auch während der NS-Zeit. „Die Schule bedeutet nicht nur viel für Uetersen, sondern die ganze Region“, sagt er. Während auf der Bühne gesprochen wird, fliegt aus irgendeinem Fenster ein Papierflieger in die Menge.
Ludwig-Meyn-Gymnasium: Lehrermangel und Digitalisierung sind Herausforderungen
Auch Schulleiter Stroh kommt auf die NS-Zeit zu sprechen: „Wir haben jetzt eine wirklich starke Demokratie aufgebaut in unserem Land und man muss im Kopf behalten: Das war nicht immer so.“ Er sehe es als die wichtigste Aufgabe der Schule, den Schülern Selbstbestimmung und einen demokratischen Grundgedanken zu vermitteln.
Mit dem Abendblatt spricht Schulleiter Stroh über die größte Herausforderung, vor der die Schule jetzt steht: „Das ist der Lehrkraftmangel“, sagt er. Noch seien alle Lehrerstellen besetzt, doch er bange um die Zukunft. „Sind wir mal ehrlich, wenn man Uetersen hört, klingt das nicht gleich nach einem Top-Standort, um eine Lehrerkarriere zu beginnen. Wenn wir sie aber erst einmal hier haben, dann ist es meist um sie geschehen.“
Auch Schulaufsichtsrat Martin Baudach sieht Herausforderungen: Viele Schüler in Schleswig-Holstein hätten noch corona-bedingte Defizite. An der Auflösung würde immer noch gearbeitet. „Dann die Digitalisierung, unsere Lehrer müssen weitergebildet und die Schulen ausgestattet werden“, sagt er. Zuletzt hätte es eine freiwillige Weiterbildung für Lehrer in Schleswig-Holstein gegeben. Viele Lehrer hätten sich dafür angemeldet. „Da sieht man, dass die Lehrer das auch wirklich wollen.“
Viele Generationen tummeln sich auf Schulhof am Ludwig-Meyn-Gymnasium
Auch die vielen ehemaligen Schüler, die an diesem Abend noch einmal an ihre Schule zurückkommen, sind vielleicht ein Anlass so manchen Lehrer stolz zu machen. Paul Söhngen, Philipp Schlicht und Christian Czepluzh machten 2017 ihren Abschluss, sind alle 24 Jahre alt. Sie bemerken, dass sich bereits in dieser kurzen Zeit, viel an ihrer alten Schule verändert hat.
„Alles hier ist neu, der Boden hier auf dem Schulhof ist ein anderer, hier hinten der angehende Neubau, gefühlt einfach alles“, sagt Söhngen, der nach der Schulzeit Steuerfachangestellter geworden ist. Nach der Schule seien sie Freunde geblieben. „Wir hatten eine gute Schulzeit hier“, sagt Czepluzh.
„Ich finde die Schule hat uns gut vorbereitet. In meinem Studienjahrgang fiel anderen das Studium deutlich schwerer als mir“, sagt Schlicht, der mittlerweile seinen Master in Maschinenbau gemacht hat.
Das Abendblatt trifft auch einen Ehemaligen, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Er sucht auf dem Fest seine alte Geschichtslehrerin: „Sie meinte im Unterricht einmal, dass die Kuba-Krise für den Kalten Krieg unbedeutend gewesen sei. Als ich mithilfe von Google erklärte, dass es in der Tat einer der Höhepunkte dieses Konfliktes war, war ich bei ihr unten durch. Es wäre lustig sie zu treffen.“
100-Jahrfeier in Uetersen: Viele ältere Jahrgänge sind vertreten
Angemeldet haben sich laut Organisatoren mehr als 100 ehemalige Schüler. Viele seien auch unangemeldet hier.„Wir sind mit 40 Leuten aus dem Jahrgang 1983 hier“, sagt Birte Siedenburg. Nach ihrer Schulzeit sei sie Journalistin geworden, habe beim Abendblatt und weiteren Medien gearbeitet.
Thorsten Puck aus dem 83er-Jahrgang, der mit seiner Frau Martina Puck zu der Feier gekommen ist, erinnert sich: „Damals hatten wir noch jeden zweiten Sonnabend Unterricht.“
Uwe Schölermann hat 1966 in Uetersen seinen Abschluss gemacht. „Ich habe vorhin einen Lehrer getroffen, der zu meiner Zeit noch Referendar war. Das war interessant“, sagt er. Er sei einer der wenigen aus seiner Klasse, die noch in Uetersen wohnten. Deshalb vielleicht habe er noch keinen aus seiner Klasse hier getroffen.
Bei Führungen durch Ludwig-Meyn-Gymnasium Uetersen staut es sich
Schüler bieten alle 15 Minuten Führungen durch Keller, Dachböden und andere sonst verschlossene Räume an. Der Andrang ist riesig. Überall staut es sich. Teilweise brechen Menschen die Führung ab, weil es ihnen zu eng wird.
Dabei lohnt es sich: In den Kellern lagern Zeugnisse vergangener Zeiten. Alte Kreidetafeln, die nicht einmal abgewischt wurden, Overhead-Projektoren und viele andere Kuriositäten. Und: Man versteht, warum die Schule auch den liebevollen Spitznamen „Hogwarts“ hat. Sie ist herrlich verschachtelt, durch neue Anbauten über Jahrzehnte gewachsen und hat deshalb ein mysteriöses Antlitz.
Auch an der frischen Luft gibt die Schule tiefe Einblicke. An einem Infostand steht Geografie-Lehrer Lars Koesterke. Er meldet ehemalige Schüler an, steckt sie in Mail-Verteiler und verkauft nebenbei Produkte – von Schülern in Seminarprojekten entwickelt.
Dazu gehört beispielsweise ein Lehrer-Quartett oder auch das Brettspiel „Hamburg – wem gehört die Stadt?“. Die Schule macht oft solche ausgefallenen Projekte oft. „Die Schule finanziert das durch den von einigen Lehrern gegründeten gemeinnützigen Verein Mein-Unternehmen e.V.“, so der ebenfalls beteiligte Koesterke.
Vorzeigeprojekt: Das offizielle Buch zu 100 Jahren Ludwig-Meyn-Gymnasium in Uetersen
Das neueste Projekt war die Verfassung eines 256-seitigen Buches zum 100. Jahrestag der Schule, das auch auf dem Fest verkauft wird. Der zuständige Lehrer Söhnke Zankel erklärt: „Die Schüler haben sich durch Schul- und Stadtarchive gewühlt, mit vielen Zeitzeugen gesprochen und dabei ein wirklich tolles Buch hervorgebracht.“ In dem Buch seien alle Epochen der Schule vertreten. „Von der NS-Zeit über Veränderungen an der Schule bis hin zu kuriosen Schummelversuchen ist vieles in dem Buch zu finden.“
Muriel Jaworski und Jonas Zimmer aus der elften Stufe sind maßgeblich daran beteiligt. „Ich habe dabei wirklich viel gelernt, vor allem was Arbeitsplanung betrifft“, sagt Jonas. Der 17-Jährige ist stolz auf das Ergebnis. „Ich habe in dieses Fach mehr Zeit investiert als in jedes andere. Und dabei ist es nur ein Nebenfach.“
Muriel (17) hat viele der Artikel selbst geschrieben und gewährt ein paar Einblicke: „Der ehemalige Schulleiter Michael Lohmann hat sich beispielsweise beim Armdrücken mit einem Schüler den Arm gebrochen.“ Ebenfalls in dem Buch überliefert, ist die Klage eines Musikanten-Verbandes aus dem Jahr 1931. Ein Schüler hatte seine musikalischen Künste anderen Schülern zum Kauf angeboten und das unter den verbandsüblichen Preisen. Deshalb wandte sich der Verband an das Gymnasium, um das künftig zu verbieten.
Jahrfeier am Ludwig-Meyn-Gymnasium in Uetersen geht zu Ende
Ein ebenfalls riesiges Projekt war die Jahrfeier selbst. „Wir bereiten das Fest seit mehr als einem Jahr vor. Es waren eigentlich alle unserer 1200 Schüler daran beteiligt“, so Schulleiter Stroh. Musikalische Planung, die Verpflegung der Gäste, das Säubern des Schulhofs – alles hätten die Lehrer gemeinsam mit ihren Schülern erledigt, so Stroh.
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Langsam neigt sich das Fest dem Ende. Bis 22 Uhr spielen noch die unterschiedlichen Jahrgangs-Orchester der Schule auf den Bühnen. Der Abend ist geprägt von alten Bekanntschaften, modernem Tatendrang und vielen engagierten Schülern, die das Fest zu etwas ganz besonderem gemacht haben. Bis zur 200-Jahrfeier dann!