Kölln-Reisiek. Lara Schaffrinna aus Elmshorn leidet, verlor ihren Job, kann manchmal kaum vor die Tür. Ein Hund soll helfen – doch der kostet.

Der Schmerz kommt plötzlich und mit voller Wucht, meistens in der Nacht. Als würde ihr jemand ein Messer ins rechte Auge rammen – und es dann langsam umdrehen. Manchmal sind die Schmerzen so stark, dass Lara Schaffrinna bewusstlos wird. Die 31-Jährige aus Kölln-Reisiek leidet an Clusterkopfschmerzen sowie schweren psychischen Problemen. Jetzt soll ihr ein Hund helfen, dafür sammelt sie Spenden.

Lara Schaffrinna nimmt jeden Tag schwere Medikamente. „Ich werde pro Monat mehr als 200-mal von dem Schmerz ausgeknockt – bis zu dreimal die Woche bis zur Bewusstlosigkeit. Leider spielen sich die Erkrankungen immer häufiger gegeneinander aus, sodass ich vom Leben weit entfernt bin“, sagt sie. Die Ursachen für die schweren Attacken sind unklar.

Lara Schaffrinna aus Kölln-Reisiek sammelt für Begleithund

Die ersten psychischen Symptome führten sie im Alter von 16 Jahren zum ersten Mal in eine Therapie. Zuerst ambulant und mit 17 Jahren dann erstmals stationär. „Die Ärzte und Therapeuten stellten im Laufe der Jahre verschiedene Diagnosen wie depressive Episoden, Borderline, Ängste und Zwänge“, sagt Lara Schaffrinna.

„Die gravierendste Diagnose, die mich bis zum heutigen Tag im Griff hat, ist eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit Dissoziationen.“ Vor neun Jahren erhielt sie die Diagnose Chronische Clusterkopfschmerzen. Nun soll ihr ein Therapiehund ein Stück Lebensqualität zurück geben.

Lara Schaffrinna aus Kölln-Reisiek sammelt Geld für einen Begleithund.
Lara Schaffrinna aus Kölln-Reisiek sammelt Geld für einen Begleithund. © Privat | Privat

Dafür hat sie einen Spendenaufruf gestartet, denn die Ausbildung eines Begleithundes ist sehr teuer. Zwischen 12.000 und 18.000 Euro kostet es, den passenden Hund zu finden und von einer Trainerin so ausbilden zu lassen, dass er die Kranke im Alltag unterstützen kann, indem er beispielsweise Medikamente oder Hilfe holt oder eine Schmerzattacke frühzeitig erkennt.

Neurostimulator im Kopf funktioniert nicht – und die Firma ist pleite

Vieles hat Lara Schaffrinna bereits unternommen, zahlreiche Ärzte und Kliniken aufgesucht. Gerade erst hat sie wieder eine Cortisonstoßtherapie hinter sich. Sie bekam in der Vergangenheit CGRP-Antikörper gespritzt, mit denen bei schwerer Migräne gute Ergebnisse erzielt werden können. Sie bekam intravenös das Narkosemittel Ketamin verabreicht, um das Schmerzempfinden zu mindern. Ein Medikament, dass in Deutschland nicht zugelassen ist, wurde für sie aus den USA eingeflogen. Kopf-MRTs blieben ohne Befund.

Nichts brachte langfristigen Erfolg. Die Ärzte sind ratlos. Eine Rehamaßnahme, die vor einem Jahr bewilligt wurde, kann sie nicht antreten, weil die Kliniken keinen Sauerstoff akzeptieren.

Vierte Klinik, neun Monate Wartezeit – bis November bewegt sich nichts

Den braucht sie, wenn sie eine Schmerzattacke hat. „Mittlerweile wurde mir die vierte Klinik zugewiesen. Die haben neun Monate Wartezeit“, sagt Lara Schaffrinna. Das bedeutet, dass sie noch bis November warten muss.

Mittlerweile hat Lara Schaffrinna auch einen Neurostimulator im Kopf. Er soll eigentlich Schmerzsignale verändern, bevor sie das Gehirn erreichen und den Schmerz so dämpfen. „Der funktioniert aber nicht und die Firma ist insolvent.“ Damit kann das Gerät, das einen Nerv im Wangen und Nasen-Bereich mit Stromimpulsen stimulieren soll und über eine Fernbedienung aktiviert wird, nicht neu eingestellt werden.

Medikamente und Schmerzen knocken Lara Schaffrinna aus

„Das Gerät verhindert auch, dass Botox am Nervenknoten injiziert werden kann, von dem vermutet wird, dass er den Schmerz aussendet“, sagt die gebürtige Elmshornerin. Sie nimmt täglich 15 Tabletten. „Dadurch bin ich teilweise sehr neben der Spur.“

In den Händen hat sie einen Tremor. Auf dem rechten Auge sieht sie kaum noch. Bei einer Attacke hängt das Lid herunter und das Auge tränt. Neben ihrem Bett stehen Sauerstoffflaschen bereit. „Der Sauerstoff hilft, aber nicht immer zuverlässig“, sagt sie. Manchmal ist sie so verzweifelt, dass sie sich mit der Hand gegen Auge und Schläfe schlägt.

„Ich bin in der Nacht mit einem Visus von 0,05 quasi blind. Werde ich durch eine Attacke wach, schaffe ich es nicht, mich mit Sauerstoff oder Medikamenten zu versorgen. Wenn ich dann panisch werde und ich im schlimmsten Fall auch noch dissoziiere, ist eine Bewusstlosigkeit vorprogrammiert“, beschreibt sie.

Lara Schaffrinna aus Kölln-Reisiek verlässt nur selten das Haus

„Seit dem Frühjahr 2022 habe ich keine Lebensqualität mehr. Mir wurde ans Herz gelegt, mir einen Assistenzhund zuzulegen, der mir unterstützend zur Seite steht“, sagt sie. Er wäre auch eine psychische Stütze. „Da ich Hunde liebe und es in meiner Kindheit und Jugend mein Anker war, wäre es perfekt.“

Meistens sitzt sie im abgedunkelten Raum. Geht sie mal vor die Tür, informiert sie vorher ihre Eltern. Sie trägt dann ein Notfallarmband mit einem QR-Code. Sollte sie umkippen, werden Fremde, die ihr helfen wollen, darüber informiert, was zu tun ist.

Nicht selten wird ihr Taumeln oder Wegdriften auch fehlgedeutet. „Die Leute denken dann, ich sei gesoffen“, sagt Lara Schaffrinna. Und auch wenn sie ihr Recht auf einen Behindertenplatz in Bus und Bahn besteht, sind die Reaktionen der Mitmenschen oft alles andere als verständnisvoll. „Man sieht mir die Krankheit nicht an“, sagt sie. Sie kommt dann nicht umhin, ihren Schwerbehindertenausweis zu zeigen.

Kontakte wurden mit den Krankheiten immer weniger

Freunde hat sie nicht mehr. „Ich habe früher viel gearbeitet“, sagt die gelernte Bankkauffrau, die nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau den Abschluss zur Wirtschaftsfachwirtin machte. Sie arbeitete bei der Sparkasse in Barmstedt, Uetersen und Pinneberg, ehe sie zur Commerzbank nach Quickborn wechselte. Dort war sie sechs Jahre angestellt, ehe sie gekündigt wurde.

Ihre Kontakte beschränkten sich größtenteils auf die Kollegen. Da sie zuletzt mehrmals den Job wechselte, wurden auch diese Kontakte immer weniger. „Ich hatte 2020 vier verschiedene Arbeitgeber, konnte aber nicht wirklich Fuß fassen“, sagt sie. Dann kam Corona und die Kontakte wurden noch weniger. „Die Pandemie hat mir allerdings auch gut getan, weil Maske getragen und Abstand gehalten wurde.“ Für ihre Psyche sei es besser gewesen.

Seit dem vergangenen Jahr kann sie nicht mehr im Angestelltenverhältnis arbeiten. „Ich wollte aber nicht mit 30 Jahren in Rente gehen, wie es mir nahegelegt wurde“, sagt sie. Außerdem wollte sie Geld für einen Assistenzhund sparen.

Lara Schaffrinna versucht, sich selbstständig zu machen und scheitert

Also machte sie sich selbstständig als Ernährungsberaterin und Personal-Trainerin. „Leider war das eine ganz dumme Idee“, sagt Lara Schaffrinna. Die Erkrankungen ließen es gar nicht zu. „Jetzt bin ich arbeitslos, habe immer noch keinen Hund und bin kränker denn je.“

Aktuell lebt sie von Arbeitslosengeld. Vor zwei Monaten hat sie einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt. „Mit 31 Jahren! Ich bin verzweifelt und möchte einfach nur wieder ein Stück ins Leben zurückfinden“, sagt sie.

Die Clusterkopfschmerzen haben auch Ängste und Zwänge verstärkt. „Ich habe zum Beispiel Angst, dass der Sauerstoff explodiert und muss meine Wohnung zwanghaft auf Sicherheit kontrollieren“, beschreibt Lara Schaffrinna. Oft fehlt ihr die Zuversicht und Kraft. „Es ist schwer, weiterzumachen.“

Lara Schaffrinna setzt ihre Hoffnungen auf einen Begleithund

Halt gibt ihr die Familie. Lara Schaffrinna lebt in einer eigenen Wohnung mietfrei im Haus der Eltern. Nur noch selten verlässt sie das Haus. Menschenmassen kann sie schlecht aushalten. „Einkaufen gehe ich am liebsten sonnabends früh, wenn es ganz leer ist“, sagt sie. Ein ausgebildeter Begleithund könnte sie beispielsweise an der Supermarkt so abschirmen, dass andere Kunden sie nicht bedrängen könnten.

Mehr als 50 Spenden sind bereits eingegangen und 1025 Euro vom Spendenziel 12.000 Euro sind erreicht. „Es rührt mich sehr, dass mir Menschen, die mich nicht kennen, helfen“, sagt Lara Schaffrinna. Ein persönliches Video findet sich in ihrem Spendenaufruf.