Pinneberg. Bahnhöfe, Treppen, öffentliche Gebäude: Eine Vandalismuswelle mit Graffiti schwappt durch die Kreisstadt. Auch die Bahn zeigt Täter an.
Relegationsfrust oder einfach nur stumpf? Offenkundig HSV-Fans haben in Pinneberg ihre schmierigen Spuren hinterlassen. Abwechselnd blau, weiß und schwarz sind etliche Gebäude, Treppen und Stromkästen besprüht – die Farben des Hamburger Sport-Vereins.
Die Schmierereien finden sich am frisch sanierten Bahnhof Pinneberg, den Treppen zum Fahlt und vor dem Rathaus. Auch die erst kürzlich eingeweihten Stufen am S-Bahnhof Thesdorf wurden Ziel der Schmierereien. Augenscheinlich die Tat von HSV-Sympathisanten.
HSV-Graffiti in Pinneberg: Nicht nur Treppen an Bahnhöfen betroffen
Die auf Fotos dokumentierten Sprühereien wurden stellenweise schon wieder durch Mitarbeiter des Kommunalen Servicebetriebs entfernt. Abgeschlossen ist der Vorfall damit nicht. Die Stadt hat wegen der neu errichteten Treppe in Thesdorf Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt – ein übliches Vorgehen, wenn Dinge, die im Eigentum der Stadt sind, beschädigt oder zerstört werden.
Betroffen seien derzeit oft Treppen, Fernmeldekästen (die nicht der Stadt gehören), der Bahnhof und alle Flächen, die nachts unbeobachtet sind. Der Schaden lässt sich zunächst nur an den Beseitigungskosten messen. Die Reinigung von Graffiti kostet – je nach Arbeitsaufwand – im Schnitt grob kalkuliert zwischen 20 und 30 Euro pro Quadratmeter, heißt es aus dem Rathaus.
Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg appelliert an die schmierenden HSV-Fans, die Krakeleien zu unterlassen. „Uns liegt die Unterstützung von Sportvereinen sehr am Herzen, aber das ist der falsche Weg“, sagt sie.
Die Schmierereien seien eine Straftat und deswegen werde die Stadt weiterhin bei vergleichbaren Vorfällen Anzeige erstatten. „Man kann nicht privates oder öffentlichen Eigentum besprühen, nur weil man es schön findet oder ein Zeichen setzen will.“
Bürgermeisterin schlägt Spiel des HSV gegen Pinneberg vor
Ihr Vorschlag: Der HSV solle lieber ein Sport-Event veranstalten, bei dem sich die Fangruppen zeigen und sich sportlich einsetzen könnten – gern in Kooperation mit der Stadt und Pinneberger Sportvereinen. „Wie wäre es denn zum Beispiel mit einem Spiel HSV gegen Pinneberg in unserem Stadion? Das wäre doch großartig!“, sagt sie.
Auch bei der Deutschen Bahn nimmt man die Schmierereien am Bahnhof in Pinneberg ernst. Sobald öffentliches oder privates Eigentum illegal bemalt wird, handelt es sich um Sachbeschädigung. In Extremfällen drohen den Verursachern bis zu zwei Jahre Gefängnis.
„Die Bahn erstattet grundsätzlich bei jedem Vandalismusdelikt Strafanzeige“, sagt eine Bahnsprecherin. Alle Verschmutzungen würden dokumentiert: „Tags und Pieces werden fotografiert, um sie den Sprayern zuzuordnen und Schadensersatz fordern zu können.“
Graffiti am Bahnhof Pinneberg: Deutsche Bahn erstattet Anzeige
Was den wenigsten Schmierern klar sei: Auch wenn sie strafrechtlich unter das Jugendstrafrecht fallen und oft sogar ohne Strafe davonkommen, könne die DB den materiellen Schaden als zivilrechtliche Forderung mehr als 30 Jahre im Nachhinein geltend machen.
Beträge von oft vielen Tausend Euro können so noch Jahre später eingefordert werden, auch wenn Täter zum Zeitpunkt der Tat minderjährig waren oder kein Einkommen hatten.
„Als weitere Straftat kommt noch Hausfriedensbruch dazu, wenn zur Tatausübung beispielsweise Bahnanlagen oder Grundstücke unbefugt betreten werden“, erklärt die Mitarbeiterin der DB-Pressestelle. Wird der Bahnbetrieb gestört, erfolgt eine Anzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr.
Schutzfolien und -lacke sollen helfen, Graffitis leichter zu entfernen
„Dabei vergessen Sprayer oft, dass sie sich bei ihren Aktionen in Lebensgefahr begeben“, sagt sie. Berührungen mit Stromleitungen oder fahrenden Züge können zu lebensgefährlichen Verletzungen führen. Die DB will mit Präventions- und Aufklärungskampagnen in Schulen helfen, Jugendlichen die Gefahren und Konsequenzen illegalen Sprayens deutlich zu machen.
Zum Schutz von Zügen und Gebäuden setzt die DB Schutzlacke und Graffiti-Schutzfolien ein. Außerdem sorgt sie bei Zugabstellanlagen mit Technik und Personal für Überwachung. „Gebäude erhalten zum Schutz neben Lackanstrichen auch zusätzliche Lackschichten, von denen sich Graffiti leichter entfernen lassen“, so die Bahnsprecherin. „Allerdings muss die Schicht nach drei bis vier Reinigungen erneuert werden.“
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Eine stärkere Beleuchtung möglicher Tatorte und der verstärkte Einsatz von Sicherheitstechnik sollen dafür sorgen, dass weniger Graffiti entsteht. Um effektiv gegen die Schmierereien vorzugehen, arbeiten die Sicherheitskräfte der DB eng mit der Bundes- und Landespolizei zusammen.
2022 gab es bundesweit 101.658 polizeilich erfasste Fälle von Sachbeschädigung durch Graffiti. Haus und Grund beziffern Schäden durch ungewollte Graffiti bundesweit auf jährlich zwischen 200 und 500 Millionen Euro.