Quickborn. Ältere Jungs haben drei- bis vierjährige Mädchen zu sexuellen Handlungen gezwungen. Diese Konsequenzen ziehen jetzt DRK und Eltern.

In einer Quickborner Kita hat es einen Fall von sexualisiertem Missbrauch gegeben, bei dem fünfjährige Jungs ohne Aufsicht übergriffiges Verhalten gegenüber kleineren und jüngeren Mädchen gezeigt haben sollen. Wie erst jetzt bekannt wurde, wird der Fall schon seit Mitte April vom Träger des Kindergartens, dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), systematisch pädagogisch aufgearbeitet.

„Alle beteiligten Kinder werden vom Wendepunkt psychologisch betreut“, sagt die zuständige Sozialfachwirtin Thekla Kowalleck, die die pädagogische Fachaufsicht für die 20 Kindergärten mit 1800 Kindern im DRK-Kreisverband hat.

Eklat in Quickborn: Sexuelle Übergriffe bei „Gefängnisspiel“ in DRK-Kita

Wendepunkt ist eine Beratungsstelle in Elmshorn für Kinder, die traumatische Erfahrungen erlebt haben und sexuell missbraucht wurden. Die betroffenen Eltern seien informiert, die Kollegen aufgefangen, die Kinder befragt, der Fall komplett aufgearbeitet, erklärt Thekla Kowalleck.

Auch Konsequenzen habe es gegeben. So ist die Kita-Leitung personell verändert worden und auch die betroffene Kita-Gruppe besteht so nicht mehr. Acht Eltern hätten ihre Kinder in andere Quickborner Einrichtungen wechseln lassen, weil sie der Kita nicht mehr vertrauten, was die Quickborner Verwaltung kurzfristig ermöglichte.

Quickborn: Geschehen in Kita lässt sich nicht genau rekonstruieren

Zwei Kinder seien innerhalb der Kita in eine andere der acht Kita-Gruppen gekommen. „Wir haben alle Schritte eingeleitet und sind auf einem guten Weg“, sagt die pädagogische Leiterin. Auch die Eltern hätten „sehr besonnen reagiert“, erklärt Thekla Kowalleck. „Es ging ihnen nicht darum, den oder die Täter zu finden, sondern den Vorfall aufzuklären.“

Was sich genau in der DRK-Kita in der Talstraße in Quickborn im Frühjahr unter den Kindern abgespielt hat und wie oft es geschehen ist, lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren. „Wir wissen es nicht hundertprozentig“, sagt Thekla Kowalleck.

Größere Jungen sollen kleine Mädchen übergriffig angefasst haben

Die Aufarbeitung fuße auf den Schilderungen der beteiligten sechs bis acht Kinder, unter denen zwei bis vier Jungs gewesen sein sollen, die etwas älter als die beteiligten Mädchen waren. Ein Mädchen, das sich dabei nicht wohl gefühlt habe, hat danach ihrer Tante davon erzählt, was dann die Aufarbeitung des Vorfalls in der Kita und beim DRK ins Rollen gebracht hat.

Demnach soll sich die gemischte Gruppe auf dem Gelände einen Ort gesucht haben, der für die Kita-Betreuer nicht einsehbar gewesen sei. Dort spielten sie ihr „Gefängnisspiel“, bei dem die größeren Jungs die kleineren Mädchen festgehalten und übergriffig angefasst haben sollen.

Quickborn: „Machtgefälle“ zwischen den Kindern

„Das haben sie sehr geschickt angestellt und diese Ecke vor den Betreuern geheim gehalten“, berichtet Kowalleck. Auch kleine Kinder entwickelten bereits ein Schamgefühl und wüssten, was nicht unbedingt alle sehen sollten. Die studierte Sozialfachwirtin und ausgebildete Erzieherin, die seit 25 Jahren in und mit Kindergärten arbeitet, betont, dass in dem Alter Doktor- oder Neugierspiele völlig normal seien. „Aber hier hat es ein Machtgefälle gegeben, weil die Jungen älter und größer waren und die Mädchen sich nicht dagegen wehren konnten.“

Nach der Beichte des kleinen Mädchens bei ihrer Tante, dass sie sich nicht wohlfühlte bei diesem „Gefängnisspiel“, habe das DRK und die Kita sofort reagiert und die Eltern informiert, erklärt Thekla Kowalleck. Ohnehin habe das DRK schon vor elf Jahren ein Jugendschutzkonzept für seine Kindergärten und das etwa 320-köpfige Team des pädagogischen Fachpersonals installiert.

Pädagogin: Neugieriges Verhalten sei aus dem Ruder gelaufen

Danach müsse jeder Mitarbeitende eine Schulung absolvieren, die alle zwei Jahre aufgefrischt werde. Zudem würde jedes Jahr eine genaue Risikoanalyse vorgenommen, die beinhalte, welche Räume oder Situationen für die Kinder gefährlich sein könnten, welches Verhalten und welche Kollegen vielleicht auffällig oder unangepasst gewesen wären.

Für die pädagogische Leitungskraft stellt dieser Fall ein in dem Alter typisches, neugieriges Verhalten von Kindern dar, das aber wegen des Machtgefälles übergriffig und aus dem Ruder gelaufen sei.

Kindliche Sexualität „reine Neugier und nicht ergebnisorientiert“

„Dafür gibt es klare Regeln bei uns, die hier gebrochen worden sind. Kindliche Sexualität ist aber reine Neugier und nicht ergebnisorientiert“, erklärt die Fachfrau.

So gehöre es zum Alltag in fast jedem Kindergarten, dass solche „Neugierspiele“ vorkämen, die in den meisten Fällen einvernehmlich geschehen würden. Darüber werde mit den Kindern auch ausführlich gesprochen, sobald sich Ansätze davon in der Kita zeigten. Das sei hier aber nicht möglich gewesen, da niemand davon etwas mitbekommen habe. Die Eltern würden regelmäßig darauf vorbereitet und informiert, damit sie nicht geschockt sind, wenn sie davon erführen.

„Traumatisches Erlebnis“ für die jungen Mädchen

Auch wenn die Kita-Leitung jetzt alle wichtigen Schritte unternommen habe, den Vorfall aufzuarbeiten und die beteiligten Kinder psychologisch zu betreuen, sei es nicht ausgeschlossen, dass das traumatische Erlebnis für das oder die Mädchen Folgewirkungen haben kann, sagt Thekla Kowalleck. „Wir haben die Kuh vom Eis geholt, aber wir können nur den Alltag der Kinder in der Kita begleiten und wissen nicht, was es in den Köpfen und Seelen der Kinder macht.“

Ulf Kienast, Vorstand des DRK-Kreisverbandes, sagt zu dem Vorfall: „Uns war wichtig, offen und transparent den Fall aufzuklären mit den Eltern, Mitarbeitenden, der Kommune und der Fachaufsicht.“ Gut und richtig sei auch gewesen, mit dem Wendepunkt frühzeitig externe Hilfe eingeholt zu haben, sagt Kienast. Insofern habe das DRK gut und schnell auf den Vorfall reagiert und er hoffe, „dass wir in der Kita bald wieder zu einem normalen Betrieb kommen können.“

Eklat in Quickborn: Sexuelle Übergriffe in Kita ein „Einzelfall“

Kreissprecherin Katja Wohlers sagt auf Anfrage, dass es bei den Vorkommnissen in der Quickborner Kita „um einen Einzelfall“ gehe. „Ein vergleichbarer Fall ist in den vergangenen Jahren nicht vorgekommen.“ Kreisweit werden 13.500 Vorschulkinder von etwa 2000 Erzieherinnen in 155 Kitas pädagogisch betreut.

Die Kita an der Quickborner Talstraße feierte im vorigen Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Dort werden zurzeit 150 Kinder von 26 pädagogisch qualifizierten Fachkräften betreut. Die bisherige Leiterin ist nach Bekanntwerden des Vorfalls vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden, um sie vorsorglich aus der Schusslinie zu nehmen. Neue Leiterin ist Nicole Eickhoff. Sie sagt: „Wir sind auf einem guten Weg.“