Elmshorn. Bis zu 3,7 Kilo schwer und 4,5 Milliarden Jahre alt: Einige Rätsel um die Geschosse aus dem All sind nach ersten Tests gelöst.

Nachdem Ende April die Stadt Elmshorn plötzlich bundesweit in die Schlagzeilen geriet, weil der Fund mehrerer Bruchstücke eines Meteoriten in ganz Deutschland für Aufsehen sorgte, sind nun die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen abgeschlossen. Und auch die Sammellust ist geweckt. Für den größten Brocken aus Elmshorn werden inzwischen sechsstellige Summen geboten.

Das Besondere an den Einschlägen in Elmshorn war, dass solche Funde nicht nur äußerst selten sind. Sie werden auch so gut wie nie dokumentiert. Weil die kosmischen Gesteinsbrocken aber direkt in einem Wohngebiet der Stadt an der Krückau niedergingen, konnten sie nach dem Fund umgehend ins Labor geschickt werden. Nun liegen die ersten Ergebnisse der Untersuchung vor.

Elmshorner Meteorit: Sammler bieten schon bis zu 200.000 Euro

Wie die Universität Münster mitteilt, handelt es sich tatsächlich um einen Meteoriten, der zur Gruppe der gewöhnlichen Chondriten gehört und etwa 4,5 Milliarden Jahre alt ist. Nach Angaben des Instituts für Planetologie, das den Meteoriten untersuchte, stammt der Gesteinsbrocken aus der Urzeit des Sonnensystems und weist eine sogenannte Brekziierung auf.

Unter Brekzien versteht man Gesteine, die aus Bruchstücken zusammengesetzt oder durch extreme Hitze „zusammengebacken“ wurden, teilt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit.

Forscher lösen Rätsel um seltenen Himmelskörper

Normalerweise sei das Innere eines Meteoriten, wie die Gesteinsbrocken genannt werden, solang sie noch im All herumfliegen, sehr homogen, sagt Dieter Heinlein, Meteoritenexperte vom DLR. Durch die Kollision mit anderen Objekten verändere sich die Struktur im Inneren.

„Diese Struktur lässt dann Rückschlüsse auf Zusammenstöße mit anderen Himmelskörpern zu“, so Heinlein. Nur aufgrund dieser Zusammenstöße könne ein Meteorit überhaupt auf Kollisionskurs mit der Erde gelangen.

Elmshorn: Forscher erhalten Einblicke in die Geschichte des Meteoriten

„Die Brekziierung des Meteoriten ist durch vorherige Kollisionen im frühen Sonnensystem und im Asteroidengürtel entstanden, einer Region mit einer besonders hohen Ansammlung von Asteroiden, die zwischen Mars und Jupiter liegt“, so Markus Patzek vom Institut für Planetologie.

Eine solche Vermutung hatte Meteoritenexperte Dieter Heinlein schon kurz nach dem Fund der Meteoritenstücke Ende April im Abendblatt geäußert. Diese habe sich nun bestätigt so Heinlein. Der Elmshorner Meteorit sei ein Zeugnis komplexer Vermischungen und Verfestigungsprozesse durch vorherige Zusammenstöße im Asteroidengürtel, heißt es vom DLR.

Experte: Elmshorner Meteorit ein „sehr spektakuläres Ereignis“

Laut der Untersuchungen der Universität Münster gehört der Meteorit zu den gewöhnlichen Chondriten des Typen H, also einer Gruppe von Meteoriten, die einen besonders hohen Anteil an Metall besitzen. Die allermeisten Meteoriten, die auf der Erde einschlagen fallen in diese Kategorie.

„Ein 2019 bei Flensburg eingeschlagener Meteorit hatte allerdings eine ganz andere Zusammensetzung“, sagt Dieter Heinlein. Und auch wenn es sich beim Elmshorner Objekt um einen gewöhnlichen Chondriten handelt, gewöhnlich ist der Fall nicht. „Das ist ein sehr spektakuläres Ereignis“, sagt Dieter Heinlein.

Meteorit könnte Aufschluss über das frühe Sonnensystem liefern

Für die Analyse des Meteoriten zersägte ein Forscherteam des Instituts für Planetologie ein etwa 40 Gramm schweres Stück des Gesteinsbrockens und stellte mehrere sogenannte Dünnschliffe her. Anhand dieser 30 Mikrometer dicken Scheiben konnten die Wissenschaftler weitergehende Untersuchungen durchführen, etwa zur internen Struktur.

Ein Teil des Himmelskörpers wurde zudem zu einem feinen Pulver verarbeitet, dies soll anderen Instituten in Europa zur weiteren Untersuchung zur Verfügung gestellt werden. Geprüft werden soll unter anderem, ob der Meteorit neue Erkenntnisse über Kollisions- und Bildungsprozesse im frühen Sonnensystem liefert.

Elmshorner Meteorit ist ein Glücksfall für die Wissenschaft

Ein weiteres Stück das Meteoriten wurde in ein Dresdner Labor geschickt. Dort sollen die Radioisotope des Gesteinsbrocken untersucht werden. Dies ist nur in Ausnahmefällen möglich, da die Isotope äußerst kurzlebig sind. Daher sei es wichtig, dass die Gesteinsbrocken schnellstmöglich untersucht würden, sagte Dieter Heinlein dem Abendblatt.

Dieter Heinlein ist Meteoritenexperte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Dieter Heinlein ist Meteoritenexperte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). © picture alliance/dpa | Felix Kästle

Daher sei der Elmshorner Meteoritenfund ein „Glücksfall für die Wissenschaft“, so Heinlein. Der Fund in Elmshorn sei insofern besonders, als dass dort Uhrzeit und Ort des Aufschlags genau dokumentiert seien. Nur deshalb sei es möglich, die schnell zerfallenden Radioisotope im Labor zu untersuchen. Diese Untersuchung dürfte sich aber noch etwas hinziehen, so Heinlein.

Elmshorner entdecken Meteoriten auf ihrer Auffahrt

Am 25. April leuchtete eine Feuerkugel über Schleswig-Holstein auf. Kurze Zeit später schlugen die Gesteinsbrocken auf Grundstücken und Hausdächern in Elmshorn ein. Nicht überall war gleich ersichtlich, um was es sich bei den Steinen handelte.

Gleich mehrere Elmshorner berichteten Ende April von den Einschlägen und präsentierten erste Fundstücke. Wilfried Labusch entdeckte ein mehrere hundert Gramm schweres Meteoritenstück auf seiner Auffahrt, stellte das seltene Fundstücke der Wissenschaft zur Verfügung.

Meteorit wurde von Beobachtungsstation aufgezeichnet

Der Meteoritenschauer über Elmshorn war auch von mehreren Beobachtungsstationen aufgezeichnet worden. Die Videos könnten Aufschluss über die Flugbahn des Himmelskörpers geben. „Die Aufnahmen aus Wolfsburg und Bremerhaven wurden ausgewertet. Zwar handelt es sich um Tag-Aufnahmen, was die Berechnung der Flugbahn ein wenig erschwert“, so Heinlein. Bei Nachtaufnahmen könne diese präziser berechnet werden.

Dennoch liefere der Elmshorner Steinmeteorit „sehr viele Erkenntnisse“. Selten seien Flugbahn und möglicherweise auch die Strahlungsgeschichte so gut dokumentiert wie in diesem Fall.

Elmshorn: Sammler bieten sechsstellige Summe für Meteoriten

Das Größte Stück wog laut Dieter Heinlein ganze 3,7 Kilogramm und ging nicht weit von Wilfried Labuschs Haus entfernt nieder. Dieser Gesteinsbrocken weckte allerdings nicht nur das Interesse der Wissenschaftler. Laut Medienberichten boten Sammler der Familie von Mahmut Sahin, in deren Garten sich der Meteorit 40 Zentimeter tief in den Rasen grub, bis zu 200.000 Euro für das Stück. Dem NDR sagte Sahin, er wolle den Stein aber nicht verkaufen, sondern ihn „auch anderen Menschen zugänglich machen“.

Die Nachricht der Meteoritenfunde in Elmshorn hatte eine Vielzahl von Hobby-Planetologen auf den Plan gerufen, die sich auf die Suche nach weiteren Bruchstücken machten. Eine 46-Jährige legte dabei sogar zeitweise den Bahnverkehr lahm. Insgesamt wurden etwa vier Kilogramm kosmischer Gesteinsmasse in Elmshorn gefunden.