Pinneberg. Viele träumen davon, Arzt oder Polizistin zu werden. Julia Miahipour hat eine andere Vision. Seit April ist sie Streetworkerin.
Wenn Julia Miahipour von ihrer neuen Arbeit als Streetworkerin erzählt, lächelt sie: „Ich habe die Stellenausschreibung für Pinneberg gesehen, kurz bevor die Abgabefrist endete und hab mich dann noch schnell beworben. Die Stelle war einfach wie für mich gemacht.“
Die 39-Jährige bereut es kein Stück, ihren Beruf als Lehrerin und damit auch geregelte Arbeitszeiten aufgegeben zu haben. Als Streetworkerin kümmert sie sich seit dem 1. April um diejenigen, die sich von Eltern, Lehrern und Behörden im Stich gelassen fühlen und das nicht etwa vom Schreibtisch aus, sondern im direkten Gespräch auf der Straße.
Streetworker in Pinneberg: Das ist nicht für jeden etwas
„An einem Samstagabend habe ich um 23 Uhr jemanden getroffen. Das Gespräch dauerte bis 3 Uhr nachts“, erzählt Miahipour und lächelt wieder. Für die meisten wäre das unvorstellbar, nicht so für die Streetworkerin. Sie sagt: „Wenn ich einer Person helfen kann, ist schon viel erreicht.“
Obwohl sie aus Hamburg kommt und Pinneberg nicht kennt, fühlt sie sich hier nicht fremd. Schon nach dem ersten Treffen mit ihrem Kollegen Yasar Topkan, der gut zweieinhalb als Streetworker in Pinneberg unterwegs ist, weiß sie: Hier passt alles. Hier will sie sein.
Pinneberger Stadtverwaltung hatte Stelle wiederholt ausgeschrieben
Die Stadtverwaltung hatte diese Stelle nicht zum ersten Mal ausgeschrieben. „Menschen für soziale Berufe zu finden, ist nicht ganz leicht“, erklärt Heiner Koch, Fachbereichsleiter für Bildung, Kultur und Sport in Pinneberg, „und fürs Streetwork muss man gemacht sein. Die unregelmäßigen Arbeitszeiten, die Belastung – das kann nicht jeder.“
Dass Miahipour jetzt da ist, bedeutet nicht nur eine Entlastung für ihren Kollegen Yasar Topkan, sondern auch ein Gewinn für die Jugendlichen, mit denen die Streetworker täglich zu tun haben.
Immer mehr Mädchen und junge Frauen kommen jetzt zur Beratung
Denn obwohl sie erst eineinhalb Monate da ist, fällt jetzt schon auf, dass deutlich mehr Mädchen und junge Frauen das Beratungsangebot annehmen. „Wir suchen die Jugendlichen ja oft in den späten Abendstunden an Hotspots wie der Hochbrücke auf und da ist es für Mädchen und junge Frauen angenehmer, wenn Julia dabei ist“, erzählt Topkan, der allein durch seine Größe und die breiten Schultern auf den ersten Blick respekteinflößend wirkt.
Das persönliche Gespräch zu suchen, Vertrauen aufzubauen und immer wieder klarzumachen, dass Streetwork nicht sanktionierend ist, das sind die ersten Schritte, die Miahipour gehen muss. Und es funktioniert. „Ich hatte an einem Wochenende ein Gespräch mit zwei jungen Frauen“, berichtet sie, „und nur wenige Tage später stand eine ganze Gruppe vorm Geschwister-Scholl-Haus und bat um eine Beratung. Dass wir da sind und helfen wollen, spricht sich rum.“
Als Streetworker braucht man ein gutes Netzwerk
Wie Yasar Topkan spricht die Streetworkerin, deren Eltern aus dem Iran stammen, mehrere Sprachen, neben deutsch auch Persisch-Farsi; außerdem beherrscht sie den Dari-Dialekt. Das erleichtert den Zugang zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund. „Wenn man die gleiche Sprache spricht, kommen Gefühle oft besser rüber“, meint Miahipour.
Zu den Aufgaben der Streetworker gehört aber nicht nur die Arbeit mit den Jugendlichen, sondern auch Netzwerkarbeit. Schließlich benötigen Miahipour und Topkan Ansprechpartner beim Sozialamt, dem Bürgerbüro oder der Diakonie, damit sie die Jugendlichen an die richtigen Stellen verweisen oder sie dorthin begleiten können. Das Beratungsangebot ist freiwillig und anonym. Die beiden Pinneberger Streetworker unterstehen der Schweigepflicht.
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Ganz wichtig ist es, empathisch zu sein und die Jugendlichen nicht zu verurteilen. Es geht nicht darum, auf falsches oder fragwürdiges Verhalten mit dem erhobenen Zeigefinger zu reagieren, sondern vielmehr um das, was nicht sichtbar ist. „Wir versuchen immer herauszufinden, was das eigentliche Problem ist und da anzusetzen“, erklärt Topkan.
Miahipour: „Streetwork bedeutet nicht, sich für andere zu opfern“
Einen klaren Strich zwischen Beruflichem und Privatem zu ziehen, ist als Streetworker kaum möglich. Miahipour und Topkan, die beide verheiratet und Eltern sind, gehen damit auf ihre eigene Weise um. „Wenn ich den Job länger machen möchte, muss ich auch an mich denken und meine Grenzen kennen“, erklärt Miahipour.
„Streetwork bedeutet nicht, sich für andere zu opfern.“ Auszeiten sind ihr wichtig. Im Urlaub macht sie das Handy aus, um Energie zu tanken. Topkan dagegen gibt zu: „Mich belastet es mehr, wenn ich nicht hin und wieder aufs Handy gucke.“
Unvorhersehbare Arbeitszeiten strapazieren das Familienleben
Ob mit oder ohne strikte Auszeiten: Die oft unvorhersehbaren Arbeitszeiten strapazieren das Familienleben. Hinzu kommt: Abends in den eher düsteren Ecken Pinnebergs unterwegs zu sein, das klingt beängstigend und gefährlich.
Schließlich weiß man nie, wem man begegnet. Miahipour hat dazu eine ganz klare Haltung: „Ich fühl mich nicht immer wohl dabei. Aber ich habe mich dafür entschieden.“ Und damit ist für sie alles gesagt.
Streetworker in Pinneberg: Beratung vor Ort, per Telefon, E-Mail und über Instagram
Das Beratungsangebot der Streetworker richtet sich an alle zwischen 14 und 27 Jahre. Dienstags und donnerstags von 13 bis 17 Uhr sind Miahipour und Topkan im Geschwister-Scholl-Haus (Bahnhofstraße 8) anzutreffen. Darüber hinaus sind sie auf Instagram, per E-Mail oder telefonisch zu erreichen:
Yasar Topkan:topkan@stadtverwaltung.pinneberg.de, 0162-2449496
Julia Miahipour: miahipour@stadtverwaltung.pinneberg.de, 0173-5810650