Kreis Pinneberg. Zahl der Taten steigt in fast allen Bereichen deutlich an: Einbrüche, Diebstähle, Gewalt, Missbrauch – der große Kriminalitätsbericht.
Die Anonymität im Internet – sie bleibt für Straftäter reizvoll. Laut der am Dienstag vorgestellten Kriminalstatistik 2022 für den Kreis Pinneberg spielten sich 1473 Fälle im Bereich des World Wide Web ab. Das entspricht einem Anstieg von 78 Fällen gegenüber dem Vorjahr.
Meistens sind es Betrugstaten, die sich im Netz abspielen. Doch auch Nötigungen, Bedrohungen und Nachstellungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Aber auch im realen Leben steigen die Zahlen, die Polizei weist anhand der Häufigkeit etwa auch die statistisch gefährlichsten Orte des Kreises aus.
Kreis Pinneberg: Kriminalstatistik – Zahl der Straftaten schnellt in die Höhe
Die Zahl der 2022 im Kreis Pinneberg erfassten Straftaten stieg insgesamt auf fast 20.000. Mit exakt 19.718 Vergehen liegt die Kriminalitätsrate deutlich höher als in den Vorjahren. Die Jahre 2020 (17.338 Straftaten) und 2021 (18.038 Straftaten) waren weniger intensiv, auch im Vor-Corona-Jahr 2019 gab es nur 18.552 Straftaten. Die 20.000er-Marke wurde zuletzt in den Jahren 2012 bis 2015 erreicht beziehungsweise überschritten.
Im Vergleich mit dem Vorjahr ist ein Anstieg von 9,3 Prozent der Taten zu verzeichnen. Die zuständige Polizeidirektion Bad Segeberg verweist als Vergleich auf die Landeszahlen. So sei in ganz Schleswig-Holstein die Zahl der Straftaten sogar um 25 Prozent nach oben geschnellt.
Aufklärungsquote sinkt gegenüber dem Vorjahr um 1,4 Prozent
Genau die Hälfte aller Straftaten kann aufgeklärt werden. Die Aufklärungsquote liegt bei exakt 50,0 Prozent und ist gegenüber dem Vorjahr um 1,4 Prozent zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die absolute Zahl der aufgeklärten Taten allerdings um 602 Fälle (2021: 9263 Fälle) auf 9865 Fälle. Dies entspricht einem Anstieg von 6,5 Prozent. Landesweit ist eine Zunahme der aufgeklärten Taten um 32,5 Prozent zu verzeichnen.
Weiterhin sind Diebstähle der dominierende Faktor im Kreis. In diesem Bereich ist ein deutlicher Anstieg sichtbar. 7346 Fälle sind diesen Delikten zuzuordnen – 2021 waren es noch 6052 Taten. Die Aufklärungsquote liegt mit 24,9 Prozent leicht über dem Vorjahreswert von 23,4 Prozent.
Einbrüche in Wohnungen weisen eine steigende Tendenz auf
Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist dabei nach mehreren Rückgängen in den Vorjahren wieder angestiegen. 344 Mal schlugen Einbrecher im Vorjahr zu (2021: 298 Taten). Im Landesvergleich steht der Kreis Pinneberg in diesem Sektor auf einem der oberen Plätze.
In allen Städten und Gemeinden mit Einwohnerzahlen jenseits der 10.000 ist die Zahl der Wohnungseinbrüche gestiegen. Besonders in Tornesch und Wedel sowie in Elmshorn sind deutliche Zuwächse sichtbar. Die Aufklärungsquote liegt bei 15,4 Prozent und ist im Vergleich mit dem Vorjahr um 2,4 Prozent gesunken.
Gewerberäume werden bei Einbrechern beliebter
Auch Gewerberäume werden bei Einbrechern zunehmend beliebter. 238 Fälle werden 2022 dieser Kategorie zugeordnet, 2021 kam es hier zu 169 Taten. Die Aufklärungsquote in diesem Bereich stieg von 11,8 auf 14,3 Prozent.
Autoaufbrecher waren 2022 auf dem Vormarsch. 945 Fälle nahmen die Beamten auf, 2021 waren es 301 Taten weniger. Damit ist in diesem Segment das Niveau von 2018, als es zu 941 Taten kam, erreicht. Autoaufbrecher werden nur selten erwischt. Die Aufklärungsquote lag 2022 bei 4,6 Prozent. Im Zehn-Jahres-Vergleich war sie nur 2018 (4,1 Prozent) niedriger.
Ladendiebstahl – die höchsten Zahlen der vergangenen zehn Jahre
Ladendiebstahl hatte auch im Vorjahr Hochkonjunktur – die Zahl der Taten stieg von 953 in 2021 auf 1229. Das sind die höchsten Zahlen der vergangenen zehn Jahre. Taschendiebstähle bleiben auf hohem Niveau, auch wenn die Zahlen leicht sinken. 405 Fälle wurden 2022 aktenkundig, gegenüber 2021 ein Rückgang von 88 Fällen.
Fast explosionsartig gestiegen ist die Zahl der Fahrraddiebstähle. 1545 Räder wechselten 2022 auf illegale Weise den Besitzer. Im Vorjahr lag die Zahl der Fahrraddiebstähle noch bei 1076.
Betrüger sind 2022 stark auf dem Vormarsch
Unter dem Oberbegriff der Vermögens- und Fälschungsdelikte kämpfen die Beamten mit einem Zuwachs von 25 Prozent. 3320 Taten aus diesem Bereich flossen in die Statistik ein, 2021 waren es 2656. Die Aufklärungsquote liegt hier bei 51 Prozent (-7,3 Prozent).
2380 dieser Fälle stuft die Polizei als Betrugstaten ein (2021: 1925 Fälle). Enkel-Trickbetrüger, sogenannte Schockanrufer und das Phänomen falsche Polizeibeamte weisen eine stark steigende Tendenz auf. Genaue Zahlen zu diesen Bereichen liefert die Statistik allerdings nicht.
Neun Straftaten gegen das Leben, darunter vier Tötungsdelikte
Immer häufiger müssen Beamte im Internet ermitteln. Von den 1474 Fällen entfallen 1048 auf Betrugstaten (+186), 126 auf das Beschaffen von Kinderpornografie (-103), 48 auf sogenannte Hasskommentare (-12) sowie 70 auf Nötigung, Bedrohung und Nachstellung (+15).
Doch auch mit den klassischen Straftaten haben die Beamten genügend zu tun. Neun Straftaten gegen das Leben (2021: sechs) flossen 2022 in die Kriminalstatistik ein. In Elmshorn hatte ein 30-jähriger Mann aus Baden-Württemberg am 9. Juli zwei junge Frauen erstochen. In Barmstedt starb im Mai eine Mutter durch Messerstiche ihres Sohnes, in Tornesch brachte im Januar ein Mann seine Frau um und beging anschließend Selbstmord.
Zahl der Vergewaltigungen ist leicht rückläufig
Zwei Steinwürfe von einer Brücke auf fahrende Autos werden als versuchter Mord eingestuft. In anderen Fällen blieb es bei Versuchstaten – etwa bei einer Messerattacke am Pinneberger Bahnhof im Juli oder bei einem Messerangriff eines Wedelers auf seinen Mitbewohner im Mai.
26 Vergewaltigungen (2021: 23) wurden 2022 von der Polizei bearbeitet, davon konnten 96,2 Prozent aufgeklärt werden. Was die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung betrifft, flossen 276 Fälle in die Statistik ein – erfreulicherweise ein Rückgang von 110 Fällen gegenüber 2021. Das liegt daran, dass der Bereich Ausnutzen sexueller Neigungen – eine typische Internet-Straftat – sich mit 131 Fällen (2021: 239) nahezu halbiert hat.
Kreis Pinneberg: 38 Kinder werden Opfer eines sexuellen Missbrauchs
66 Taten des sexuellen Missbrauchs wurden 2022 aktenkundig, davon waren in 38 Fällen Kinder betroffen. Zum Vergleich: Für das Vorjahr stehen 75 derartige Taten in der Statistik, 36 davon betrafen Kinder.
Angestiegen sind nochmals die Fälle von häuslicher Gewalt. Nach 554 Taten in 2021 ermittelten die Beamten im Vorjahr in 630 derartigen Fällen. Bei den Rohheitsdelikten waren 3006 Fälle zu bearbeiten – 229 mehr als 2021 (+8,2 Prozent).
Zahl der Bedrohungen steigt im Kreis Pinneberg stark an
Bei den Raubtaten gibt es mit 130 Fällen einen Anstieg (+27). Die Zahl der einfachen Körperverletzungen liegt bei 1349 Fällen (+83), die schweren Körperverletzungen sind mit 463 Fällen (+33) ebenfalls gestiegen.
Die steigende Aggressivität in der Bevölkerung offenbart sich bei den Bedrohungen. 627 Fälle listet die Statistik für 2022 auf, 2021 waren es lediglich 511.
Einen Rückgang gab es bei den Rauschgiftdelikten
Von 98 Brandstiftungen (2021: 72) konnten die Beamten 44,9 Prozent aufklären. 60 Mal wurde das Feuer vorsätzlich gelegt, 32 Mal ist fahrlässiges Handeln verantwortlich. 72 weitere Feuer sind technischen Ursprungs oder nicht mehr aufzuklären.
Einen Rückgang gibt es bei Rauschgiftdelikten (-4,5 Prozent). 1196 Fälle (2021: 1252) bearbeiteten die Rauschgiftermittler. Die Aufklärungsquote liegt bei 88,5 Prozent und ist leicht um 0,7 Prozentpunkte gesunken. Vier Drogentote waren 2022 zu beklagen.
76,6 Prozent der Täter sind Männer, 23,4 Prozent Frauen
Die in 2022 aufgeklärten 9865 Taten werden 7365 Tatverdächtigen zugeordnet. 76,6 Prozent der Täter sind Männer, 23,4 Prozent Frauen. 78,7 Prozent sind älter als 21, Heranwachsende (18 bis 21 Jahre) machen 8,1, Jugendliche (14 bis 18) 8,6 und Kinder 4,6 Prozent der Täter aus.
337 Straftaten (+33) wurden durch Kinder, 634 durch Jugendliche (-22) und 599 durch Heranwachsende (+73) begangen. Der Anteil der Nichtdeutschen an der Gesamtzahl der Straftaten liegt bei 32,2 Prozent und ist um knapp drei Prozent angestiegen. Deutsche mit Migrationshintergrund werden statistisch nicht separat erfasst.
Kreis Pinneberg: Polizei rechnete mit Anstieg der Zahlen
„Vermutlich aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen war es innerhalb der vorigen beiden Jahre zu einem Rückgang der Kriminalität gekommen“, so Polizeisprecher Lars Brockmann.
Und er sagt weiter: „Entsprechend war ein Anstieg der Kriminalität mit Wegfall der Einschränkungen insbesondere im Vergleich zum Vorjahr zu erwarten und hat sich auch bestätigt. Im Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 liegt der Anstieg auf den Kreis Pinneberg bezogen bei 6,3 Prozent.“
Kreis Pinneberg: Das sind die gefährlichsten Städte
Der Kreis Pinneberg weise im Vergleich der Kreise nach Nordfriesland und Ostholstein mit 6194 die dritthöchste Häufigkeitszahl auf, liege damit allerdings noch deutlich hinter den kreisfreien Städten. Die Häufigkeitszahl beschreibt laut Brockmann die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner und mache damit die Kriminalitätsbelastung zwischen einzelnen Regionen vergleichbar.
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Betrachtet man die größeren Städte und Gemeinden im Kreis bezogen auf diese Häufigkeitszahl, dann ist es in Elmshorn am wahrscheinlichsten, Opfer einer Straftat zu werden (Häufigkeitszahl: 10.407). Es folgen mit großem Abstand Pinneberg (7848), Wedel (7479), Uetersen (6397) und Tornesch (5667).
Elmshorn ist am unsichersten, in Barmstedt gibt es die geringste Kriminalität
Die höchste Sicherheit bietet statistisch gesehen Barmstedt (4430), davor liegen mit Rellingen (4537) und Halstenbek (4855) die beiden Großgemeinden. Schenefeld (5329) liegt in diesem Ranking auf Platz sechs, Quickborn (4888) folgt auf Platz sieben.
Dass der Kreis Pinneberg im Landesvergleich hohe Zahlen aufweist, erklärt die Polizei mit der räumlichen Nähe zu Hamburg und der guten Verkehrsanbindung an die Hansestadt über die Autobahnen und den ÖPNV.
Kreis Pinneberg: Ein Großteil der Täter reist aus Hamburg an
Brockmann: „Nach unserer Einschätzung agieren die Täter im hohen Maß aus dem Hamburger Stadtgebiet, so dass der Kreis Pinneberg insbesondere bei den Eigentumsdelikten verhältnismäßig stark betroffen ist. Der Wohnungseinbruchdiebstahl bleibt daher nach wie vor einer der Schwerpunkte der polizeilichen Arbeit.“