Kreis Pinneberg. 18 Ausgleichs- und Überhangmandate blähen den Kreistag auf 67 Abgeordnete auf. Ein Überblick über die Gewinner und Verlierer der Wahl.
Was in Kiel gut zu funktionieren scheint, soll auch dem Kreis Pinneberg politisch nützen. Das scheint sich eine Mehrheit der 123.842 Wähler im Kreis am Sonntag gedacht zu haben. Schwarz-Grün geht auf Kreisebene zusammengerechnet mit 56,5 Prozent gestärkt aus der Kommunalwahl hervor. Die Wahlbeteiligung lag bei 48,5 Prozent.
Mit jetzt 38 von 67 Abgeordneten verfügen CDU (24) und Grüne (14) über eine deutliche Mehrheit im neuen Kreistag, der erstmals am 21. Juni zusammentritt. Beide Parteien haben bereits den aktuellen Kreishaushalt zusammen verabschiedet und die kommunale Neuausrichtung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WEP) gemeinsam auf den Weg gebracht.
Kreis Pinneberg: Schwarz-Grün siegt auf Kreisebene – Kreistag größer denn je
Es wird der größte Pinneberger Kreistag aller Zeiten sein. Mit 67 Abgeordneten in sieben Fraktionen ist die Zahl von 2018 noch mal um fünf weitere erhöht worden. Eigentlich sollte der Kreistag aus 49 Abgeordneten bestehen. Nun sind durch das Wahlergebnis – die CDU hat bis auf Helgoland alle anderen 24 Wahlkreise direkt gewonnen, aber nur 35,7 Prozent der Stimmen erzielt – 18 Überhang- und Ausgleichsmandate hinzugekommen.
Die Grünen haben mit ihrem besten Ergebnis ihrer bisherigen Geschichte im Kreis Pinneberg drei Sitze hinzugewonnen. Nur mit einem Hauch von 144 Stimmen (0,1 Prozent der Stimmen) sind die Grünen hinter der SPD geblieben, die 3188 Stimmen (3,5 Punkte) verlor und damit deutlicher Wahlverlierer ist.
„Platz zwei wäre schön“, wünschte sich Spitzenkandidatin Susanne von Soden-Stahl noch am Wahlabend im Kreishaus, als noch nicht alle Stimmen ausgezählt waren und SPD und Grüne sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten.
Grüne wollen Zusammenarbeit mit der CDU – aber themenabhängig
Nach dem Gegenwind, den die Grünen vor allem aus der Bundespolitik zu spüren bekamen, sei das Wahlergebnis hervorragend, freut sich von Soden-Stahl. Offenbar seien immer mehr Menschen davon überzeugt, „dass wir in Richtung grün und Umwelt gehen müssen.“
Eine Zusammenarbeit mit der CDU würde sie von den Themen abhängig machen, sagt die Elmshornerin. „Es geht ja um die Inhalte.“ Wenn die sich mit grüner Politik verbinden ließen, sei ihre Partei dabei. Vielleicht wären dann auch mal andere Mehrheiten möglich, lässt sie diese Frage noch offen.
Auch eine Ampel-Koalition hätte eine Mehrheit auf Kreisebene
Tatsächlich hätte auch eine Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP mit 34 Abgeordneten eine Stimme Mehrheit im neuen Kreistag. Doch die FDP hat sich auf Kreisebene in der vergangenen Wahlperiode meist eher der CDU als der SPD angeschlossen.
„Wir haben ein komfortables Ergebnis und einen Sitz hinzugewonnen“, freut sich FDP-Fraktionschef Olaf Klampe. Auf Kreisebene gebe es ja oft „wechselnde Mehrheiten“, die durchaus Jamaika- oder auch Ampel-Farben haben könnten. „Aber für Bündnisse ist es noch zu früh. Das wäre Kaffeesatzleserei.“
Die CDU ist hochzufrieden, weiterhin klar stärkste Kraft im Kreis geblieben zu sein. Schon kurz nach Schließung der Wahllokale sagte CDU-Kreisvorsitzender Christian von Boetticher: „Ich wäre schon zufrieden, wenn wir das Ergebnis von 2018 halten könnten.“
CDU bleibt stärkste Kraft im Kreis und gewann dazu – wenn auch nur minimal
Nun waren es mit 43.606 Stimmen sogar 1730 Wähler oder 0,2 Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. „Ich wünsche mir eine ähnlich gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen wie in der vorigen Legislaturperiode“, sagt Fraktionschefin Heike Beukelmann, die mit 2831 Stimmen im Wahlkreis Hörnerkirchen-Rantzau das zweitbeste Ergebnis aller Direktmandate erzielen konnte.
Die CDU wird also wie bereits seit 20 Jahren ununterbrochen weiterhin den Kreispräsidenten stellen. Amtsinhaber Helmuth Ahrens (71) aus Halstenbek würde für den Vorsitz des Kreistages weiter zur Verfügung stehen, sofern er von seiner CDU-Fraktion vorgeschlagen und von den anderen mehrheitlich unterstützt werden sollte.
Helmuth Ahrens (CDU) bleibt voraussichtlich als Kreispräsident im Amt
„Ich würde es wieder machen“, sagte Ahrens, mit dessen neutraler und umsichtiger Amtsführung in den ersten fünf Jahren wohl die meisten Abgeordneten sehr zufrieden gewesen sein dürften.
Diese erste konstituierende Sitzung des Kreistages und damit die Wahl des Kreispräsidenten wird nicht der älteste, sondern der dienstälteste Abgeordnete leiten. Der älteste wäre Burghard Schalhorn mit 82 Jahren, der jetzt nach CDU und KWGP auf seinem dritten Wahlticket mit der AfD erneut in den Kreistag gewählt wurde.
Aber der Landtag hat das Gesetz geändert. Somit wird SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl (69) die erste Sitzung leiten. Er gehört dem Kreistag seit 1994 ohne Unterbrechung und damit sieben Monate länger als Schalhorn an, der damals für den verstorbenen CDU-Abgeordneten Horst Nehl nachgerückt war.
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Bei der SPD herrschte am Wahlabend eher Katerstimmung vor. Die Aufstiegseuphorie vom frühen Nachmittag, als der HSV den Relegationsplatz für die Bundesliga klarmachte, war bei Kreischef und erklärtem HSV-Fan Thomas Hölck schnell verflogen.
Katerstimmung herrschte am Wahlabend bei der Kreis-SPD
„Offensichtlich verlieren wir viele Wähler in den Städten“, analysierte Hölck. „Das zeigt, dass wir uns auf die Wurzel-Themen der Sozialdemokratie konzentrieren müssen.“ Dazu zähle er bezahlbaren Wohnraum, mehr Kita-Plätze, Sicherheit im öffentlichen Raum und eine Gesundheitsversorgung unabhängig vom geplanten Klinikneubau.
Neu im Pinneberger Kreistag ist die basisdemokratische Partei (die Basis), die sich vor drei Jahren auf Bundesebene und vor zwei Jahren im Kreis Pinneberg gegründet hat und sich vor allem gegen die strengen Lockdown-Regeln in der Corona-Krise wendete. Ihr Abgeordneter ist Juan Gruben (69) aus Halstenbek, wo er schon einmal bürgerliches Mitglied für die SPD war.
Juan Gruben (die Basis) ist als Einzelkämpfer neu im Kreistag
„Uns ist wichtig, Politik für die Menschen zu machen und die Stimme wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückzugeben“, sagt Gruben, der in Argentinien geboren und aufgewachsen ist.
Er wird Einzelkämpfer bleiben ebenso wie Die Linke, die nur noch zwei Abgeordnete im Kreistag haben wird und damit nach dem neuesten Gesetz den Fraktionsstatus verliert.
Basis-Mann Gruben könnte sich eine Zusammenarbeit zur Fraktionsbildung mit der Linken vorstellen. Deren Spitzenkandidat René König dagegen eher nicht.
„Das passt nicht so gut zu uns“, glaubt er. Noch am Wahlabend war die bisherige Linken-Fraktionschefin Marianne Kolter schwer enttäuscht „Das liegt daran, dass wir uns nicht einig sind und auf Bundesebene ein verheerendes Bild in der Öffentlichkeit abgeben“, sagte sie, die dem Kreistag nicht mehr angehören wird.