Borstel-Hohenraden. Zwei Monate lang jeden Abend: Bernd Heitmann trägt Amphibien seit 1993 über die Straße. Wieso er seine Taktik über die Jahre änderte.
Draußen dämmert es. Das ist die Zeit, wo die Kröten und Frösche aktiv werden. Bernd Heitmann aus Borstel-Hohenraden setzt Mütze und Stirnlampe auf, zieht Gartenhandschuhe und Warnweste über und schnappt sich seinen Eimer. Der 74-Jährige hat eine Mission: Die Amphibien sollen es sicher über die Straße schaffen.
Seit 1993 sammelt er Lurche am Krötenzaun an der Wulfsmühle. Im vergangenen Jahr konnte er so 381 Amphibien retten. 56 konnte er nur tot von der Straße auflesen. Im Jahr davor hatte es einen dramatischen Einbruch der Krötenpopulation gegeben. Heitmann registrierte nur 58 lebende und 68 tote Kröten und Frösche. Zum Vergleich: 2020 waren es 495 lebende Amphibien und 59 tote.
Seit 30 Jahren: Dieser Mann rettet Kröten im Kreis Pinneberg
90 Prozent sind Kröten, der Rest sind Gras- oder Teichfrösche. Ganz selten findet sich mal ein Teichmolch im Eimer. Seltene Arten wie der Feuersalamander kommen nicht vor.
Mit einer Taschenlampe in der Hand sucht er den Grasstreifen ab, sammelt hier und da eine Erdkröte (Bufo bufo) ein und setzt sie vorsichtig in den Eimer. Die selteneren Laubfrösche sind schon etwas schwieriger zu fangen. Denn während Kröten bedächtig laufen, springen die Grasfrösche. „Da muss man erahnen, wohin sie hüpfen. Dann bekommt man sie“, sagt Heitmann.
Seit 30 Jahren bewahrt er Kröten und Frösche davor, beim Queren der Straße zum Teich hin überfahren zu werden. Damit ist er einer der dienstältesten Krötenlotsen im Kreis Pinneberg. Immer wieder hat er auch Hilfe von anderen Menschen bekommen. Seit ein paar Jahren hilft ihm ein anderer Mann aus Tangstedt dabei, die 400 Meter lange Strecke jeden Abend zwischen 19.30 und 20.30 Uhr abzugehen.
Krötenwanderung: Tiere kehren in ihre Laichgewässer zurück
Die schmale Straße durch die Pinnauniederung ist vielbefahren. Golfer wollen zum Golfplatz an der Wulfsmühle, und Pendler nutzen die Verbindung zwischen Borstel-Hohenraden und Tangstedt/Quickborn als Schleichweg, insbesondere, wenn die A23 dicht ist.
Die ersten Krötenmännchen waren in diesem Jahr am 17. Februar aus ihrem Winterquartier – sie graben sich in die Erde – gekrochen. Von ihren Verstecken wandern sie zielgerichtet, ohne Nahrung aufzunehmen, zu ihrem Fortpflanzungsgewässer, um sich zu paaren und ihren Laich abzulegen. Dabei legen sie etwa zwei bis drei Kilometer zurück, weiß der Krötenretter.
Krötenretter: „Die Natur macht, was sie will“
Doch noch ist es etwas zu kalt. „Bei Temperaturen ab acht bis zehn Grad laufen sie erst richtig“, sagt Heitmann. Auch Nieselregen mögen sie gern. Im März und April werden sich weitere Amphibien auf den Weg machen. Wann genau, das kann Heitmann auch nach 30 Jahren nur erahnen. „Die Natur macht, was sie will.“ Da helfen auch keine Wetterapps bei der Vorhersage.
Die Krötenmännchen kommen vor den Weibchen am Teich an, um am Ufer ihr Revier zu besetzen. Die Weibchen folgen. „Sie sind gut zu unterscheiden, weil die Weibchen ihren Laich schon im Bauch tragen und so dicker sind“, sagt Heitmann.
Krötenlotse Bernd Heitmann fing mit selbst gemalten Schildern an
Auf ein Weibchen kommen durchschnittlich fünf Männchen. Da kommt es schon mal zu Gerangel. Während Frösche ihre Laichballen im Randbereich der Gewässer ablegen, sind es bei Kröten zweireihige Laichschnüre. 2000 bis 5000 Eier pro Weibchen sind keine Seltenheit.
Als Heitmann als Krötenlotse anfing, versuchte er zunächst, mit selbst gemalten Schildern die Autofahrer für die Krötenwanderung zu sensibilisieren. Allerdings ist es verboten, eigene Straßenschilder aufzustellen. Im zweiten Jahr griff er auf Leitzäune zurück und buddelte alle 25 Meter einen Eimer ein, in dem die Amphibien fielen.
Borstel-Hohenradener sammelt Kröten am Abend ein
Das bedeutete für Heitmann aber auch, vor dem Morgengrauen die Eimer zu kontrollieren und die Tiere zum Teich zu bringen, ehe Fischreiher, Krähen oder Iltisse sich über den Festschmaus hermachen konnten. „Das frühe Aufstehen machte irgendwann keinen Spaß mehr“, sagt er. Seitdem sammelt der Borstel-Hohenradener die Kröten am Abend ein.
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Doch die größte Gefahr sind nicht Reiher und Co., sondern der Autoverkehr. Mit dem Bau neuer Straßen werden oftmals die Wanderwege von Amphibien durchschnitten. Die standorttreuen Tiere lassen sich aber nicht einfach umsiedeln.
Krötenwanderung: Heitmann appelliert an die Autofahrer
In Borstel-Hohenraden weist am Mühlenweg eigentlich ein Schild mit einer Kröte Autofahrer darauf hin, dass diese hier die Straße überquere. Doch nicht immer schafft es die Gemeinde, die Hinweise rechtzeitig anzubringen. Heitmann appelliert daher an die Autofahrer, Rücksicht auf die anstehende Amphibienwanderung zu nehmen und langsam zu fahren.