Kreis Pinneberg. Bestände bei Amphibien dramatisch eingebrochen. Naturschutzverbände in Sorge. Sind Dürreperioden der Vorjahre Ursache?
Wo sind all die Kröten hin? Ein genauso besorgniserregender wie rätselhafter Amphibienschwund beschäftigt in diesem Jahr Tierschützer im Kreis Pinneberg. Nach Auswertung der Zahlen sind nahezu flächendeckend weniger Kröten, Molche und Frösche registriert worden.
Pinneberg: Dramatischer Einbruch der Kröten-Population
Ein Trend, den Umweltverbände nicht nur regional, sondern bundesweit mit Sorge beobachten. Sowohl der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) als auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sprechen von einem dramatischen Einbruch der Populationen.
„Ratlosigkeit und Frust hat mir die Saison gebracht“, sagt auch Bernd Heitmann aus Borstel-Hohenraden. Seit 1993 sammelt er Amphibien am Krötenzaun an der Wulfsmühle. Das Aufkommen der Tiere habe von Jahr zu Jahr zwar immer wieder geschwankt.
„Aber in diesem Jahr gab es eine außergewöhnliche Situation: Mein Mitstreiter und ich konnten nur 60 lebendigen Kröten und Fröschen über den Mühlenweg helfen. Im Vorjahr waren es noch rund 600.“ Ein Rückgang um 90 Prozent hat Heitmann in all den Jahren noch nie beobachtet.
Kröten sind temperaturempfindlich
Woran es lag? „Ich habe keine überzeugende Antwort auf die ungewöhnlich niedrige Zahl der Amphibien.“ Normalerweise wandern die Tiere im März und April zu Hunderten in ihre Laichgewässer.
Doch in diesem Jahr gab es einen rätselhaften Einbruch der Zahlen. „Ob das Frühjahr zu kalt war, die Trockenheit der Vorjahre ihren Tribut fordert oder andere Gründe vorliegen – ich weiß es nicht“, so Heitmann.
Tatsächlich sind die Tiere temperaturempfindlich. Wenn es draußen wärmer wird, kommen die Frösche, Kröten und Molche aus ihren Winterverstecken, um sich zu paaren und ihren Laich in Teichen oder Gräben abzulegen.
Zählungen: Viel weniger Kröten
Ihre Wanderung starten die meisten Tiere in der Dämmerung, nicht selten sind die Lebensräume aber voller Hindernisse. Straßen oder Häuser versperren den Weg.
Deshalb gibt es inzwischen viele Amphibienzäune, an denen Naturschützer die Tiere einsammeln, um sie an den Gefahrenstellen vorbei zu bringen – und dabei zu zählen.
Doch diese Zählung fiel zuletzt immer ernüchternder aus, sagt auch Marcus Jacobs, der in Pinneberg am Hogenkamp den Krötenzaun betreut. „Wir beobachten seit fünf Jahren einen enormen Rückgang“, sagt Jacobs.
Rückgang der Population überall im Kreis
Waren es 2016 noch 1678 Kröten, sind es in diesem Jahr nur noch halb so viele gewesen – 824. Auch die Zahl der Frösche sei eingebrochen. „Die Molche sind ganz verschwunden“, so Jacobs.
Ähnliche Verluste beschreibt Peter Dahms von der Nabu-Gruppe Schenefeld: „Am Amphibienzaun Uetersener Weg haben wir einen Rückgang von 60 Prozent festgestellt.“
Matthias Haimerl, Nabu-Vorstandssprecher in Pinneberg, berichtet ebenfalls von deutlichen Einbrüchen der Population am Osterloher Weg. Von 1700 Erdkröten in den Vorjahren seien in diesem Jahr nur 400 bis 500 geblieben.
Krötenschwund auch in Hamburg
Und auch dem Nabu Hamburg bereiten die Zahlen des aktuellen Jahres Kopfzerbrechen. So seien aus den Amphibienzäunen der Hansestadt nur rund 7100 Erdkröten gerettet worden, 1700 weniger als im Vorjahr, 2230 weniger als 2019. „Dieser anhaltende negative Trend macht uns große Sorgen“, so Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu Hamburg.
Der Pinneberger Amphibienexperte Marcus Jacobs hat wie andere Spezialisten keine eindeutige Erklärung. „Aber in der Kreisstadt dürfte der immer knapper werdende Lebensraum durch zunehmende Bebauung eine große Rolle spielen“, sagt Jacobs.
Die Vernichtung und Zerschneidung der Habitate in der Stadt sei sicher ein Hauptgrund für den Krötenschwund. Das ausgesprochen kühle Frühjahr und die Dürresommer der Vorjahre kämen erschwerend hinzu.
Viele Tümpel fallen trocken
In den vergangenen Jahren habe die Nabu Ortsgruppe Pinneberg viele Teiche, Tümpel und Gräben angelegt. „Hier beobachten wir seit Jahren, dass die Bestände, insbesondere des Grasfrosches, rückläufig sind“, sagt Matthias Haimerl. Dafür seien anhaltende Trockenperioden verantwortlich, insbesondere im Frühjahr.
„Die Frösche legen ihre Laichballen im Randbereich der Gewässer, die bei Dürre schnell trockenfallen. Wir versuchen, die Laichballen in tiefere Gewässerzonen zu verlegen. Das nützt aber nichts, wenn die Gewässer vor der Umwandlung der Larven trockenfallen“, so Haimerl.
Verschlechterung der Lebensbedingungen
Das komme leider immer häufiger vor, wobei dieses Jahr nochmals eine negative Ausnahme darstelle. Die klimatischen Veränderungen trocknen viele Laichgewässer aus, bevor die Kaulquappen fertig entwickelt sind.
Der Nabu vermutet, dass schon dadurch mehrere Amphibiengenerationen fehlen. „Durch Ausbaggern und Vertiefen versuchen wir, dem entgegenzuwirken“, so der Nabu-Sprecher Haimerl.
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An und für sich stellen Amphibien wie Erdkröten keine speziellen Ansprüche an ihren Lebensraum. „Geht so eine Art dennoch in großem Maße zurück, spricht das für eine generelle Verschlechterung der Lebensbedingungen“, so Hamburgs Nabu-Chef Malte Siegert. Es müsse deshalb dringend mit geeigneten Naturschutzmaßnahmen gegengesteuert werden.
Umweltzerstörung Grund für Krötenschwund?
Weitere Gründe für einen Rückgang der Bestände bei Fröschen und Lurchen seien wohl Nitratbelastung, Pestizideinsatz, Überbauung sowie die bereits genannte Zerstörung und Zerstückelung von Lebensräumen.
In ganz Deutschland gibt es 21 Amphibienarten. Unken, Salamander und Kröten spielen in einem funktionierenden Ökosystem eine wichtige Rolle, denn die Tiere halten das Gleichgewicht in der Population von Würmern und Insekten.
Gleichzeitig sind sie selbst reichhaltige Nahrung für Vögel und andere Tiere. Auch im Garten sind Kröten nützlich. Sie fressen nämlich auch Schnecken – die natürlichen Feinde von Salat und anderen Pflanzen.