Appen. Wegen katastrophaler Schäden hat der Landesbetrieb die Ortsdurchfahrt zur Gefahrenstelle erklärt. Warum die Gemeinde stinksauer ist.

Das ist Verkehrsberuhigung der besonderen Art: Weil die Hauptstraße in Appen (L106) so marode ist, dass sie eine Gefahr darstellt, hat der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr (LBV) dort Tempo 30 angeordnet. Bis auf weiteres.

Mindestens bis zum Jahresende müssen die etwa 6000 Autofahrer, die diese wichtigste Verbindung zwischen Pinneberg und Uetersen sowie der Haseldorfer Marsch täglich fahren, die Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde auf etwa 2,5 Kilometern Länge einhalten.

Appen: Hauptstraße ist zu marode – Behörde ordnet Tempo 30 an

Sehr zum Ärger der Gemeinde, die schon seit Jahren die Sanierung der Landesstraße fordert. „Über diese unfreiwillige Tempo-30-Regelung sind wir in Appen überhaupt nicht begeistert“, klagt Bürgermeister Hans-Peter Lütje (CDU). „Wir fühlen uns ein wenig veräppelt.“

Diese Aussage ist in der langen Vorgeschichte begründet. Schon vor zehn Jahren hatte der damalige Bürgermeister Hans-Joachim Banaschak mehrfach öffentlich angemahnt, dass „diese Rüttelpiste“ endlich vom Land erneuert werden möge.

Appen: Statt die Hauptstraße zu sanieren, gab es lediglich eine Flickschusterei

Doch stattdessen gab es nur Flickschusterei am löchrigen Fahrbahnbelag und Vertröstungen – zunächst auf 2016, dann auf 2020. Aber passiert ist nichts. Jetzt heißt es auf Nachfrage des Abendblatts aus Kiel: „Aktuell kann der LBV.SH die Umsetzung der Maßnahme in Folge vakanter Stellen frühestens in 2026 ermöglichen.“

Doch die stark befahrene Ortsdurchfahrt von Appen hält bis dahin kaum durch. Anfang Februar tat sich ein derart großes Schlagloch auf, dass die Polizei schon die Hauptstraße halbseitig sperren lassen wollte, berichtet Bürgermeister Lütje.

Appen: Bauhof-Mitarbeiter der Gemeinde bessern die schlimmsten Schäden aus

Seine Bauhof-Mitarbeiter hätten dann das Loch mit Kaltasphalt wieder provisorisch geschlossen. „Doch das ist ja gar nicht unsere Aufgabe. Das ist Sache des Landes“, wundert sich Lütje.

Die Tempo-30-Regelung auf der Hauptstraße in Appen ist von den Behörden angesichts der katastrophalen Straßenschäden zunächst bis Ende 2023 angeordnet.  
Die Tempo-30-Regelung auf der Hauptstraße in Appen ist von den Behörden angesichts der katastrophalen Straßenschäden zunächst bis Ende 2023 angeordnet.   © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

In einem „Brandbrief“ an den LBV hat Lütje seinem Ärger Luft gemacht. „Was ich als Bürgermeister nicht mehr hinnehmen kann, ist die Tatsache, dass die Straße in einem derart schlechten Zustand ist und täglich neue große Löcher entstehen, die für die Verkehrsteilnehmer ein Gefahrenpotenzial darstellen“, schrieb er an die Itzehoer Verwaltung des LBV.

Appen: LBV ordnet nach Brandbrief des Bürgermeisters sofort Tempo 30 an

Der LBV reagierte sofort und ordnete bereits am darauffolgenden Tag die Tempo-30-Regelung an. Zusätzlich erklärte der LBV die Hauptstraße in Appen jetzt zu einer Gefahrenstelle.

„Die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgte durch den LBV.SH als Straßenbaubehörde auf Grund des schlechten Zustandes der Fahrbahnoberfläche, um die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen“, teilt der LBV dazu mit.

Die gesamte Ortsdurchfahrt von Appen wird zur Gefahrenstelle erklärt

„Die Gefahr von Personen- (insbesondere Radverkehr) und Sachschäden ist zu vermeiden. Aus diesem Grunde ist auch das Zusatzzeichen 101 ‚Gefahrstelle‘ angeordnet worden.“ Zudem würden höhere Geschwindigkeiten die Fahrbahn jetzt im Winter und bei dieser Wetterlage zusätzlich schädigen.

Ein Ortstermin Ende voriger Woche mit Polizei, LBV und Verkehrsbehörde des Kreises Pinneberg bestätigte diese Auffassung. Alle drei Behörden hätten dabei gemeinsam „festgestellt, dass sich die L106 innerhalb der Ortsdurchfahrt Appen in so einem schlechten baulichen Zustand befindet, dass sie in ihrem Bestand bedroht ist“, teilt Kreissprecherin Katja Wohlers dazu mit.

L106 ist so kaputt, dass bis zur Sanierung 2026 weitere Maßnahmen nötig sind

Zahlreiche Risse und Schlaglöcher führten immer wieder zu Ausbesserungsarbeiten. „Die Straße ist bereits jetzt in ihrer Substanz so stark beschädigt, dass bis zur Sanierung – voraussichtlich in 2026 – zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Straße erforderlich sind.“

Wegen der Witterung werde „eine dauerhafte Sanierung der Schlaglöcher voraussichtlich etwa im Mai erfolgen“ können, teilt der LBV mit. Die Tempo-30-Regelung und die Einstufung als Gefahrenstelle, die der LBV bereits angeordnet hatte, „wird auch von der Verkehrsbehörde und der Polizei für angemessen und erforderlich gehalten, so die Kreisverwaltung.

Tempo 30 in Appen bleibt bis zur Beseitigung der Gefahrenstelle in Kraft

Der LBV beantwortet die Frage, wie lange die Tempo-30-Regelung gelten solle, wie folgt: „Die aus Gründen der Verkehrssicherheit veranlasste Tempo-30-Regelung wird bis zur Beseitigung der Gefahrstellen bestehen bleiben. Dies ist einerseits von der weiteren Schadensentwicklung und andererseits von den Möglichkeiten der Schadensbeseitigung abhängig.“

Für die Gemeinde Appen sei das keine gute Nachricht, ärgert sich Bürgermeister Lütje, der noch nicht einmal zu diesem Behördentermin eingeladen worden war. „Jetzt wird es den Anwohnern aus den Nebenstraßen noch schwerer fallen, im Berufsverkehr auf die Hauptstraße abzubiegen“, warnt Jutta Kaufmann, die stellvertretende Bürgermeisterin von Appen. Weil die vorbeifahrende Fahrzeugschlange dadurch noch länger und die Einfahrmöglichkeiten geringer würden.

Appen: Gemeinde wollte Sanierung mit dem Umbau eines Problembereichs verbinden

Ohnehin hatte die Gemeinde gehofft, dass endlich die große Verkehrslösung mit Entschärfung des Kreuzungsbereichs Hauptstraße/Schäferhofweg (L106/K13) angepackt wird. Im Oktober hatten sich Gemeinde, Kreis und Land darauf verständigt, dass diese Zu- und Ausfahrt von der K13 ostwärts auf das Grundstück mit dem Denkmal verschoben wird.

Das soll verhindern, dass die schweren Lkw, wenn sie von der L106 in die Kreisstraße einbiegen, einen so großen Bogen schlagen, dass sie über den gegenüberliegenden Gehweg fahren. Dazu komme es regelmäßig, weil die Einfahrt für Lkw einfach zu spitz sei, erklärt Lütje.

Verkehrszählung in Appen ergibt: 80-mal wird der Gehweg überfahren

Selbst Metallpfähle, die zur Absperrung des Gehwegs aufgestellt wurden, halfen nichts und wurden reihenweise abgefahren. Auch der LBV hat diese Gefahr für Fußgänger und Radfahrer erkannt. Bei einer Verkehrszählung sei allein „80-mal ein verkehrswidriges Überfahren des Gehwegs“ festgestellt worden, heißt es aus dem Verkehrsministerium.

Da die Gemeinde bis Ende 2022 für rund 250.000 Euro die erforderlichen Kanalerneuerungsarbeiten erledigt hatte, hätte er gehofft, dass es nun auch endlich mit der Sanierung der der L106 und dem Umbau der gefährlichen Kreuzung nach Appen-Etz losgehen würde, sagt Lütje.

Gemeinde Appen hat die Planungskosten bereits zugesagt

Die 50.000 Euro Planungskosten für die Kreuzung habe die Gemeinde bereits zugesagt. Doch nun wird sie sich wieder einmal bis 2026 vertrösten lassen müssen. Neue Hoffnung nährt nun aber ein Vorschlag des Amtes Geest und Marsch Südholstein.

„Wir können ja auch die L106 sanieren, wenn der LBV dazu im Moment kein Personal hat“, erklärt Amtsdirektor Rainer Jürgensen. „Ich will nur hinterher das Geld wiederhaben.“

Appen: Amtsverwaltung könnte als Sanierungsträger für den LBV einspringen

Ein LBV-Mitarbeiter hat dazu bereits um ein Gespräch mit der Amtsverwaltung gebeten, weil er von der LBV-Leitung beauftragt sei, sich zwecks „Übernahme des Projektes ‘Ortsdurchfahrt Appen’“ mit ihr in Verbindung zu setzen.