Pinneberg. Pinneberg will Essensversorgung an der Johannes-Brahms-Schule neu vergeben. Zerstört die Stadt damit das Engagement der Eltern?
Die Mittagsversorgung an den Pinneberger Schulen beschäftigt einmal mehr die Politik. Im Fokus steht – erneut – die Cafeteria der Johannes-Brahms-Schule (JBS). Ein von Eltern gegründeter Verein sorgt dort seit Jahren für ein warmes Mittagessen sowie ein Frühstücksangebot. Doch damit könnte schon bald Schluss sein.
Pinneberg: Caterer-Wechsel droht – mit drastischen Folgen für Kinder
Die Mittagsversorgung an der JBS, ebenso wie an der Johann-Comenius-Schule (JCS) in Thesdorf, waren Thema im Schulausschuss der Stadt Pinneberg. Denn die Mittagsversorgung oder – bürokratisch – die „Dienstleistungskonzession für die Bewirtschaftung der Mensen“ sollte neu ausgeschrieben werden. Und zwar für beide Schulen.
Die Verwaltung versprach sich laut Vorlage ein Sparpotenzial von 20.000 Euro pro Jahr, sollte die Mittagsversorgung an einen professionellen Caterer vergeben werden. Die neuen Anbieter seien entsprechend berechtigt, ein kostendeckendes Essensgeld zu erheben.
Pinneberger Eltern besorgt wegen Plänen zur Mittagsversorgung
Ein Plan, der für viel Aufruhr in der Elternschaft sorgte. Die Befürchtung: Ein Caterer würde höhere Preise verlangen, das wiederum könnte Kinder aus einkommensschwachen Familien ausschließen. Und mit der Vergabe an einen professionellen Caterer würde das ehrenamtliche Engagement der Eltern an der JBS zerstört werden.
Grund genug für Marion Beermann aus dem Vorstand des Trägervereins Kommunikationszentrum an der JBS, sich in einem Brief direkt an die Politiker zu wenden. Darin schildert sie nicht nur den Aufwand, den die Eltern betreiben, um eine Mittagsversorgung zu gewährleisten, sondern auch, unter welchen Umständen diese zustande kommt.
Stadt Pinneberg sieht Notwendigkeit für „Markterkundung“
Marco Bröcker, Sprecher der Stadt Pinneberg, erklärt, wie es zu dem Vorstoß der Verwaltung kam, der die Eltern in Aufregung versetzte. „Die Mehrforderung des Elternvereins löst nach Ansicht der Stadtverwaltung die Notwendigkeit einer Markterkundung aus.“ Dies sei seit Jahren nicht erfolgt.
Der Stadtsprecher betont aber auch, dass der Elternverein von dieser „Markterkundung“ nicht ausgeschlossen sei. „Selbstverständlich könnte sich auch der Elternverein im Zuge der Neuausschreibung für die Mittagsversorgung bewerben“, so Bröcker.
Pinneberg: Mensaverein der Johann-Comenius-Schule ist insolvent
Dennoch sorgte der Vorstoß der Stadt für Unmut bei den Eltern. „Durch die Vorlage, die im Ausschuss diskutiert wurde, entstand der Eindruck, dass beide Vereine in Schwierigkeiten stecken“, sagt Christoph Forsthoff vom Cafeteria-Verein der JBS. Ähnlich wie dort wird die Mittagsversorgung auch an der Thesdorfer JCS von einem Elternverein betrieben.
„Beide Fälle unterscheiden sich aber signifikant“, sagt Forsthoff, der mit Anne-Kathrin Ahsbahs die Doppelspitze der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Pinneberg bildet und Mitglied der Ratsversammlung ist. An der JCS ist der Mensa-Verein insolvent.
Pinneberg: Vorsitzende des JBS-Mensavereins will aufhören
An der JBS in Pinneberg gestaltet sich der Sachverhalt anders. „Mit dem aktuellen Zuschuss von etwa 8400 Euro, den wir von der Stadt erhalten, können wir unsere Arbeit nicht fortführen“, sagt Christoph Forsthoff. Hinzu kommt, dass Marion Beermann den Vorstandsposten des Vereins abgeben möchte.
„Nach bald zwei Jahren, in denen ich keine Kinder mehr an der Schule habe, möchte ich den Staffelstab abgeben“, sagt Beermann. Sie wisse aber, „dass wir niemanden finden werden, der diesen Halbtagsjob ehrenamtlich und unentgeltlich machen wird.“ Diese Versuche habe der Verein erfolglos abgebrochen.
Elternverein der JBS beantragt Zuschuss von 16.000 Euro
Daher schlugen die Vereinsmitglieder vor, eine Halbtagskraft einzustellen. Das sei nötig, denn es gehe um Einkauf, Kalkulation, Personal, das bargeldlose Bezahlsystem, Teilhabe, geflüchtete und benachteiligte Kinder sowie Kommunikation auf vielen Ebenen.
Arbeit, die ehrenamtlich kaum zu leisten sei. Deswegen hatte der Trägerverein einen zusätzlichen Zuschuss von 16.000 Euro pro Jahr beantragt. Das wiederum veranlasste die Verwaltung zur nun im Schulausschuss diskutierten Beschlussvorlage, die Mittagsversorgung neuauszuschreiben.
Pinneberg: Mehr als 100 Eltern organisieren die Mittagsversorgung
Das kam beim Trägerverein sowie bei den Politikern nicht gut an. Viele Ausschussmitglieder seien irritiert gewesen, berichtet Christoph Forsthoff. Beermann appellierte an die Politiker, das Thema nicht durchzuwinken. „Überlegen Sie bewusst, welches Ehrenamt Sie mit der Vergabe an einen Caterer zerstören würden und wie unsere Schulgemeinschaft darunter leiden würde.“
Mehr als 100 Eltern sorgten ehrenamtlich dafür, dass mehrere hundert Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte ein leckeres, gesundes und preisgünstiges Frühstück und Mittagessen bekommen. „Wir sehen unseren Verein als elementares Mitglied der Schulgemeinschaft und unterstützen diese, wo wir können“, so Beermann.
Pinneberg: Entscheidung über Mittagsversorgung an der JBS vertagt
Und dennoch sei die Situation an der JBS alles andere als optimal. „Gegessen wird nicht in einer schönen Mensa sondern in unserer Pausenhalle“, schreibt Beermann. Oftmals müssten Schüler sogar in den Klassenräumen essen, weil der Platz nicht ausreiche.
Die Appelle von Marion Beerman und dem Elternverein der JBS verhallten nicht. Die Ausschussmitglieder haben die Entscheidung über die Mittagsversorgung zunächst vertagt, die Pinneberger Ratsversammlung soll sich am 23. Februar mit der Thematik befassen.
Kosten für die Stadt Pinneberg könnten extrem steigen
Bis dahin soll die Stadtverwaltung die Notwendigkeit einer Markterkundung vertieft prüfen und den Politikern in der Ratsversammlung erläutern. Zudem soll geprüft werden, ob eine höhere Förderung der Mittagsverpflegung an der JBS zur Folge hat, dass diese nach dem Gleichheitsgrundsatz auch an den übrigen öffentlichen Schulen subventioniert werden muss.
Und dann ist da noch die Frage nach dem Geld. „Bei den Zuwendungen für die Mittagsversorgung handelt es sich um eine freiwillige Leistung“, sagt Stadtsprecher Marco Bröcker. Diese müssen in den Haushalt eingestellt und dieser wiederum vom Innenministerium genehmigt werden.
Pinneberger Verwaltung: Förderung des Schulessens ist freiwillige Leistung
Die Übernahme weiterer freiwilliger Leistungen werde aufgrund der Haushaltslage der Stadt Pinneberg vom Innenministerium als zuständiger Behörde mehr als kritisch gesehen, so Bröcker. „Es droht die Gefahr, dass der Haushalt im Fall von freiwilligen Mehraufwendungen nicht genehmigt wird.“
Nach der Sitzung des Schulausschusses konnten die Mitglieder des Elternvereins vorerst aufatmen. „Wir freuen uns sehr, dass nicht Neuausschreibung nicht beschlossen wurde“, sagt Christoph Forsthoff. „Das bedeutet, dass die Mittagsversorgung an der JBS zunächst in ihrer jetzigen Form fortgeführt werden kann.“ Zumindest vorerst.
Johannes-Brahms-Schule: Mittagessen soll für alle Kinder bezahlbar sein
Denn: Die Mittagsversorgung an der JBS sei eine Erfolgsgeschichte, sagt Christoph Forsthoff. Etwa 220 Personen nutzten das Mittagsangebot. Der Elternverein lege großen Wert auf ein gesundes Essen zu erschwinglichen Preisen. „Wir wollen, dass alle Kinder hier essen können und niemand ausgeschlossen wird“, so Forsthoff.
Das könne nur gelingen, wenn sich auch jeder das Essen leisten könne. Täglich würden zwei Gerichte angeboten, eins mit und eins ohne Fleisch. 3,50 Euro kostet die fleischlose Variante, 3,90 das Essen mit Fleisch. Die Schüler müssten nicht vorbestellen, könnten das Essen bargeldlos bezahlen, zum Beispiel per Fingerabdruck.
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Pinneberg: Caterer würde Preise für Mittagessen erhöhen
Zudem sorge ein günstiges, gesundes und leckeres Mittagsangebot auch dafür, dass die Schülerinnen und Schüler sich gesund ernährten und nicht auf ungesundes Fast Food wie Döner und Pommes ausweichen würden, so Beermann.
Sollte die Mittagsversorgung an einen professionellen Caterer vergeben werden, könnte sich das ändern, befürchtet Beermann. „Ein Caterer, der in erster Linie wirtschaftlich arbeiten muss, wird das Mittagessen teurer verkaufen müssen.“ Das könnten sich viele Eltern aber nicht leisten.
Pinneberg: Mittagessen an der JBS war schon vor Jahren Thema
Schon 2013 hatte das Thema in Pinneberg für Aufsehen gesorgt. Die Zustände in der Cafeteria der Schule am Fahltskamp seien unhaltbar, hieß es damals. Schüler und Eltern protestierten unter dem Motto: „Wir löffeln nicht eure Suppe aus!“ Die Schüler der JBS machten mit Löffeln und Ravioli-Dosen Lärm für eine bessere Mittagsversorgung. Mit Erfolg: Die Stadt sicherte die Finanzierung zu.
Zwei Jahre später kam das Thema erneut auf die Agenda. Die Eltern, die sich im Trägerverein engagierten, quittierten den Dienst. Die Gründe: Schlechte Informationspolitik, keine Anerkennung des Ehrenamtes und eine fehlende Perspektive. Nach Wochen des Ringens konnte der Streit zwischen Verein und Stadt beigelegt werden, die Schüler erhielten wieder ein warmes Mittagessen.