Pinneberg. In Waldenau sollen Klassen mit bis zu 35 Kindern zusammengelegt werden. Eltern schreiben Brandbrief: “unzumutbar“.
Der andauernde Lehrermangel in Schleswig-Holstein hat jetzt ein Beben unter Eltern in Pinnebergs Ortsteil Waldenau ausgelöst. Weil Lehrkräfte fehlen, sollen an der Grundschule im kommenden Schuljahr jeweils die ersten bis vierten Klassen mit bis zu 35 Schülern zusammengelegt werden – inakzeptabel und „unzumutbar“ für den Elternrat der Schule. In einem offenen Brandbrief fordern sie vom Schulamt des Kreises eine Rücknahme der Entscheidung und die Einstellung zusätzlicher Lehrer. Die Enge in den Klassen sei problematisch, die Lehre würde leiden, die Kinder würden zu kurz kommen – hinnehmen wollen die Eltern diesen Plan jedenfalls nicht.
Pinneberg: Lehrermangel versetzt Elternschaft in Aufruhr
Laut Elternschaft fehlen an der Grundschule Waldenau 34 Wochenstunden, die nicht besetzt werden können. Um diesen Mangel zu decken, sollen die vier verbleibenden Klassen acht Stunden pro Woche jeweils als große Einheit pro Jahrgangsstufe unterrichtet werden. Die Elternschaft wolle mit dem Brief ihren „Unmut“ über die Zuteilung von Lehrkräften und die „Zusammenlegung“ der Klassen mit bis zu 35 Schülern ausdrücken. Unverständlich sei „diese Personalplanung des Schulamtes“. Die Eltern sorgen sich „um das Wohlbefinden der Kinder“, das den zuständigen Bildungs- und Kommunalpolitikern am Herzen liege, „an dieser Stelle aber überhaupt keine Berücksichtigung finden soll“. Adressiert ist der Brief an die Landtagskandidaten im Kreis, unter anderem auch an die amtierende Bildungsministerin Karin Prien.
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Laut Iris Jäßing, Kreisgeschäftsführerin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sei dieser akute Notstand ein Auswuchs des landesweiten Problems. „Mehr als 1000 Lehrer fehlen, vor allem im Grundschul- und Förderbereich“, sagt Jäßing. Dagegen könne das Land auch mit der Einstellungsoffensive von Quereinsteigern und Senioren schwerlich anarbeiten. Laut Landtagsantwort auf eine Kleine Anfrage unterrichten an allen Schulen im Kreis Pinneberg schon jetzt und mit dem „Corona-Aufholprogramm“ 27 Pensionäre, 272 Menschen ohne Lehramtsausbildung und 70 Quereinsteiger. Dennoch fehlen Kräfte, vor allem Fachkräfte, sagt Jäßing. Unter dem Mangel leide die Lehre – zum Nachteil der Kinder, vor allem im ländlichen Raum.
Pinneberg: Durch Umbauten werde die Enge noch verschärft
Das sehen die Eltern in Waldenau ähnlich: Sie vermuten, dass „der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften hinter der Entscheidung des Schulamts steckt“ und halten es für erforderlich, dass die Planung, „insbesondere wegen der an der Grundschule Waldenau vorherrschenden Platzverhältnisse“ überdacht und angepasst werde. Ansonsten seien ein hoher Lärmpegel, gesteigerte Unruhe und Konfliktpotenzial zu erwarten.
Rubina Dennert, stellvertretende Schulleiterin in Waldenau, sagt, „die Situation für das nächste Schuljahr wurde mit den Eltern besprochen. Wir haben große Schülerzahlen, die mit Zuzügen aus dem In- und Ausland zusammenhängen.“ Schulleiterin Kristin Nagel hatte zuvor den offenen Brief an alle Eltern weitergeleitet. Verschärfend komme nun hinzu, dass wegen Bauarbeiten die Garderoben zusätzlich in den Klassenräumen unterbracht werden müssten. „Das macht es noch enger.“ Auch in Waldenau sei es schwierig, qualifizierte Lehrkräfte zu bekommen. „Um alle Lehrerstunden abzudecken, suchen wir nach zusätzlichen Lehrkräften. Die Kollegin, die bisher eingesprungen war, befindet sich noch in der Ausbildung und beginnt jetzt ihr Referendariat“, so Dennert.
Einer der Elternbrief-Adressaten ist Kai Vogel, schulpolitischer Sprecher der SPD und Landtagskandidat im Wahlkreis. Er erwarte „von der Landesregierung, dass sie sich dafür einsetzt, dass in Grundschulen kleine Klassen realisiert werden. So schwierig wie die Situation in Waldenau ist, müssen da zusätzliche Lehrkräfte unterrichten.“ In einer ersten Reaktion antwortete auch Karin Prien, die im Wahlkreis als Direktkandidatin der CDU in den Landtag einziehen will. Sie versprach ad hoc: „Ich werde mich mit der Schulleitung und der Schulaufsicht der Sache annehmen.“
Pinneberg: Schulamt verteidigt die Planung als „Realität im Kreis“
Auf Abendblatt-Anfrage äußerte sich am Montag auch das Schulamt des Kreises. Schulrat Dirk Janssen sagte, die Waldenauer Grundschule sei im Vergleich zu anderen Schulen des Kreises „gut besetzt“. Zudem habe die Schule für die noch fehlenden Lehrerstunden eine „unbefristete Planstelle zugewiesen bekommen, die aktuell ausgeschrieben ist und für die es eine Besetzungsperspektive gibt“. Das Schulamt toleriere sogar den „leichten Besetzungsüberhang“.
Überdies, so Janssen, sei aber die Zahl von 33 bis 35 Schülerinnen und Schülern in einer Jahrgangsstufe „Realität in vielen Schulen des Kreises“. Dadurch könne eine Lerngruppe fast durchgehend doppelbesetzt mit zwei Lehrkräften arbeiten, was „in keiner Weise eine Zumutung“, sondern oft „als pädagogisch bereichernd empfunden“ werde.
Janssen könne den Wunsch nach kleinen Lerngruppen verstehen. Die Unterrichtsversorgung würde dann aber etwa 20 bis 24 weitere Lehrerstunden benötigen, andere Schulen mit größeren Lerngruppen müssten das finanzieren. Grundsätzlich hätte sich Janssen gewünscht, dass die Eltern zuerst das Gespräch mit dem Schulamt gesucht hätten. Zumal die Personalzuweisung auf der Berechnung landesweit durchschnittlicher Lerngruppengrößen von 22 Kindern beruhe. Die Bildung dieser Lerngruppen liege dann im Verantwortungsbereich der Schulleitungen – wobei sie zur „Wirtschaftlichkeit“ verpflichtet seien.
Die Waldenauer Eltern wünschen sich dagegen einen Schlüssel nach Hamburger Modell. Dort sollen Grundschulklassen nicht mehr als 23 Schüler haben, in sozialstrukturell benachteiligten Gegenden sogar nicht mehr als 19. Warum es in Schleswig-Holstein keine solche Regelung gibt, sondern eine Mindestklassenstärke von 18 Schülern vorgesehen ist, sei „aus Elternsicht absolut unverständlich“.