Quickborn/Itzehoe. Die Argumentation der Anwälte: Im Fall Irmgard F. seien wichtige Rechtsfragen ungeklärt geblieben. Wie es nun weitergeht.
Wird der KZ-Prozess neu aufgerollt? Die Verteidiger der in einem Quickborner Altenheim wohnenden Irmgard F. (97), die von 1943 bis 1945 im KZ Stutthof als Sekretärin tätig war, haben Revision gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe eingelegt. Die Jugendkammer hatte die 97-Jährige am 20. Dezember wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und fünf Fällen des versuchten Mordes zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
KZ-Prozess: Verteidiger legen Revision gegen Urteil ein
„Dieser Schritt fällt nicht leicht angesichts der furchtbaren Verbrechen, die als Haupttaten auch im Verlauf dieser Hauptverhandlung allen Beteiligten noch einmal vor Augen geführt worden sind“, so die Verteidiger Wolf Molkentin und Niklas Weber. Die Verteidigung habe auch nach dem Vorliegen des erstinstanzlichen Urteils hieran nicht die geringsten Abstriche zu machen, ihre Arbeit betreffe allein die gegen die Mandantin persönlich gerichteten Beteiligungsvorwürfe.
Bereits am Tag der Urteilsverkündung hatten Molkentin und Weber moniert, dass keine der von der Verteidigung aufgeworfenen Rechtsfragen in der mündlichen Urteilsbegründung Erwähnung fand. Dies betreffe etwa die aus Sicht der Verteidiger problematische Rolle des historischen Sachverständigen sowie den Ortstermin im KZ Stutthof außerhalb der Hauptverhandlung, dessen Ergebnisse die Juristen für nicht verwertbar hielten.
Wichtige Rechtsfragen aus Sicht der Verteidigung ungeklärt
Die Richter hätten zudem den Grad des Vorsatzes, den sie Irmgard F. zur Last legen, „mit uneinheitlichen Formulierungen offengelassen“ und sie hätten „ihre Feststellungen über weite Strecken mit sehr kompakten Annahmen und Mutmaßungen begründet“. Letztlich fuße die Verurteilung lediglich auf den Angaben des historischen Sachverständigen. Weitere konkrete Erkenntnisse zur Beteiligung der Angeklagten an den Gräueltaten hätten sich in der 15 Monate andauernden Hauptverhandlung, „anders als in Aussicht gestellt, nicht ergeben“, so Weber und Molkentin.
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Dies sei in der Urteilsbegründung nicht ausgeführt worden, vielmehr sei der Verlauf des Prozesses als Erfolgsgeschichte präsentiert worden. Dies solle „aus unserer Sicht nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit gewesen sein“, so die Juristen. Beide betonen, dass die Einlegung des Rechtsmittels nicht dergestalt Irmgard F. zugerechnet werden solle, dass diese nicht bereit gewesen wäre, das Urteil für sich zu akzeptieren. Jedoch seien aus Sicht der Verteidiger maßgebliche Rechtsfragen eben nicht geklärt worden.
Eine Entscheidung dürfte sich bis in den Herbst ziehen
Daher gelte es, die Arbeit der Verteidigung fortzusetzen und fristwahrend Revision einzulegen, um gegebenenfalls verbleibende Fragen vor den Bundesgerichtshof zu bringen. „Dementsprechend haben wir unsere Mandantin beraten“, so die Verteidiger.
Als nächster Schritt ist die Kammer am Zug, die das Urteil schriftlich begründen muss. Anschließend erhalten die Verteidiger eine Frist, um das schriftliche Urteil zu prüfen und im nächsten Schritt ihre Revision zu begründen. Sie haben auch die Möglichkeit, das Rechtsmittel zurückzuziehen. Wird es aufrechterhalten, muss der in Karlsruhe beheimatete Bundesgerichtshof das Urteil prüfen. Er kann es bestätigen oder eine Neuverhandlung anordnen. Eine Entscheidung dürfte nicht vor Herbst 2023 erfolgen.