Pinneberg. Integrationskurse bereiten Probleme: Großer administrativer Aufwand, zu wenig Geld, Hürden bei Zulassung von Sprachlehrkräften.
Sieben Monate lang haben sie nun Deutsch gelernt – fünf Unterrichtsstunden pro Tag an vier Tagen die Woche. Eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die im Integrationskurs an der VHS Pinneberg zusammengekommen ist. Sie kommen aus Pakistan, Polen, Kambodscha, Nigeria, Ecuador, Armenien, Nepal, Mexiko, Russland, Indien, Syrien, Kasachstan, Tschetschenien, der Ukraine. 25 Menschen, die in Deutschland Fuß fassen möchten, eine Arbeit und eine Wohnung finden, eine Ausbildung möchten, in Frieden leben möchten.
Volkshochschulen am Limit: Lange Wartelisten für Deutschkurse
Im Januar legen sie die Prüfung ab. Sie können sich nun im Alltag verständigen, einkaufen, nach einem Weg fragen, einem Fremden die Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt zeigen, ein Buch auf Deutsch lesen, E-Mails verfassen. All das und noch mehr hat ihnen Michaela Quade beigebracht, die seit acht Jahren als Dozentin Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Eine erfüllende Aufgabe, wie sie sagt.
„Die Menschen hier bringen eine sehr große Integrationsleistung“, sagt Gesine Keßler-Mohr, VHS-Leiterin in Pinneberg. „Das sollte mehr anerkannt werden.“ Viele Teilnehmer würden gern einen B1-Kursus anschließen, um sich ausreichend Deutschkenntnisse für das Berufsleben anzueignen. Doch auch diese sind voll, es gibt lange Wartelisten. Die Menschen kommen in ihrer Not mit vielen Fragen und besonderen Lebenslagen. Verwaltungsaufgaben und Beratungsleistungen würden immer umfangreicher. Die Volkshochschulen fordern deshalb eine deutliche Erhöhung der Erstattungskosten für den Verwaltungsaufwand.
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Volkshochschulen bei der Sprachförderung an der Belastungsgrenze
Die Volkshochschulen im Kreis Pinneberg arbeiten am Limit, wenn es um Sprachförderung geht. „Der administrative Aufwand ist enorm“, sagt Fachbereichsleiterin Silke Reher-Rose. Alles sei zu bürokratisch, die Volkshochschulen müssten Zulassungen für die Dozenten in den Deutsch als Fremdsprache-Kursen beantragen. Rar gesäte Fachkräfte könnten ohne Zusatzqualifikation des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht beschäftigt werden – selbst wenn sie zuvor an öffentlichen Schulen Deutsch unterrichtet hätten.
Hinzu kommt: Wenn Kursteilnehmer nicht regelmäßig anwesend sind, erhalten die Träger den ihnen zustehenden Betrag nur anteilig. „Selbst wenn die Anwesenheitsliste vom Teilnehmer mit Bleistift statt Kugelschreiber unterschrieben wird, wird das von den Behörden nicht anerkannt“, sagt Gesine Keßler-Mohr. „Das steht in keinem Verhältnis.“ Kein Wirtschaftsunternehmen könne unter solchen Bedingungen Integrationskurse anbieten.
Immer weniger Träger bieten Sprachkurse an – auch im Kreis Pinneberg
„Es gibt zu wenig Anbieter. Früher haben in Pinneberg die Wirtschaftsakademie und Grone auch Deutsch als Fremdsprache angeboten, aber es lohnt sich finanziell nicht mehr“, sagt sie. In Pinneberg bietet neben der VHS nur noch die Diakonie Deutschkurse an. Die Integrationskurse würden vom Bund nicht ausreichend finanziert. „Die Entgeltsätze sind in keiner Form einträglich.“
Insgesamt leisten die Volkshochschulen in Deutschland fast 45 Prozent aller Kursangebote im Gesamtprogramm der Bundesregierung. Aktuell ziehen sich wegen der schwierigen Lage immer mehr andere Sprachkursträger aus der Arbeit zurück. In Elmshorn beispielsweise sind von sieben Anbietern noch zwei übrig.
Volkshochschulen: Die deutsche Bürokratie stellt ein großes Problem dar
Das deutsche Verwaltungsdenken sei ein großes Problem. „Wir blockieren uns selber. Und das in Peak-Zeiten der Zuwanderung“, sagt Gesine Keßler-Mohr. Sie fordert eine Lösung auf Bundesebene. Denn die Lage werde sich nicht so bald entspannen. Sie rechnet im kommenden Jahr für den Kreis Pinneberg mit 300 Afghanen, deren Anträge auf Bleiberecht zentral in Nürnberg entschieden werden.
Bei den anderen Volkshochschulen im Kreis sieht es ähnlich aus. Das machten die örtlichen VHS-Leitungen kürzlich auch im Gespräch mit SPD-Abgeordneten deutlich. So konnte die VHS Tornesch-Uetersen 2022 mit 289 Teilnehmern an einem Integrationskurs und 420 Teilnehmern an anderen Kursen für Flüchtlinge und geduldete Personen verzeichnen. Für 2023 stehen 240 Teilnehmer für einen Integrationskurs und 430 Personen für die übrigen Angebote auf den Anmeldelisten, wie Leiterin Inga Pleines ausführte.
Bund stockt die Mittel für die Sprachförderung auf – aber reicht das?
„Wir machen diese Arbeit wirklich sehr gerne und auch mit sichtbarem Erfolg. Wir kommen hier jetzt aber an unsere Grenzen, wenn wir den wachsenden Bedarf zufriedenstellen sollen und es nicht gleichzeitig eine weiter gespannte und bessere Unterstützung von den zuständigen Stellen im Bund und auch vom Land gibt“, fasst Pleines die Situation beim Austausch mit dem Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner, den Landtagsabgeordneten Beate Raudies und Thomas Hölck sowie den Kreistagsabgeordneten Verena Mohnke und Ingo Struve zusammen. Auf VHS-Seite schilderten auch die Vertreterinnen der Volkshochschulen aus Elmshorn, Halstenbek, Pinneberg und Wedel sowie der Landesvorsitzende der Volkshochschulen in Schleswig-Holstein, Ernst Dieter Rossmann, die Situation vor Ort.
Thema war auch die Bundesförderung für die Sprachförderung im Jahr 2023. Zwar sind diese von den Abgeordneten im Bundestag noch einmal um 153 Millionen Euro erhöht worden, aber parallel zu den Integrationskursen, die 600 Stunden umfassen, fehlen kürzere Angebote wie Erstorientierungskurse, die gerade jetzt bei der unübersichtlichen Flüchtlingssituation aus der Ukraine und dem wachsenden noch nicht kalkulierbaren Bedarfen aus dem Chancen-Aufenthaltsrecht immer mehr nachgefragt werden. Für ein solches differenziertes Angebot müssten Bund und Land zusammenwirken, so die Forderung, damit möglichst vielen zeitnah ein Platz angeboten werden könne.
Volkshochschulen: SPD-Politiker sagen ihre Unterstützung zu
Ralf Stegner für den Bund und die Abgeordneten Beate Raudies und Thomas Hölck für das Land sagten zu, hier über ihre Fraktionen auf Klarheit und ein abgestimmtes Vorgehen zu drängen. Ralf Stegner: „Wichtig ist auch die Information der Praxiskräfte, dass die Bereitschaft zu den großen Integrationsleistungen nicht an den fehlenden Zulassungen als Integrationslehrkraft scheitern darf. Der Markt ist hier auch nach Corona sehr ausgedünnt. Ich nehme die konstruktiven Vorschläge gerne mit nach Berlin, hier eine befristete niedrigschwellige Zulassung von Sprachlehrkräften zu ermöglichen, damit die Warteschlangen vor den Volkshochschulen nicht immer länger werden.“
Auch für die Erstorientierungskurse, die in Schleswig-Holstein gemeinsam vom Bund und vom Land finanziert werden, müsse eine Perspektive zur Fortsetzung gefunden werden, so Beate Raudies. Die bevorstehende Öffnung der Integrationskurse für weitere Zielgruppen auch mit dem Ziel der Fachkräftegewinnung dürfe nicht dazu führen, dass bei den Übergangsangeboten von Bund und Land eine „Blockade“ entsteht, so die Abgeordnete. Da müssten Bund und Land jetzt konstruktiv im Interesse der Menschen zusammenkommen, zumal es sich im Vergleich zu anderen Positionen nicht um hohe Millionenbeträge handeln würde. Für Schleswig-Holstein stehen 3,5 Millionen Euro in der Diskussion.