Elmshorn. Ein neuer Tourenbegleiter im Buchformat führt durch die Geschichte Schleswig-Holsteins – und in den Kreis Pinneberg.
„Wat is’n Dampfmaschin’ – da stelle mer uns janz dumm...“ Wer kennt ihn nicht, den Spruch von Professor Bömmel aus Heinrich Spoerls Komödie „Die Feuerzangenbowle“. Im Industriemuseum Elmshorn steht eine dieser legendären Dampfmaschinen, die exemplarisch für den Übergang von der Handarbeit zur maschinellen Fertigung von Produkten stehen. Die Dampfmaschine der Firma Brosig in der Tradition des britischen Erfinders James Watt löste die Industrialisierung aus, die ab Mitte des 18. Jahrhunderts ganz Europa veränderte.
Elmshorn: Ausflugsziele für historisch Begeisterte in Schleswig-Holstein
Das Industriemuseum Elmshorn ist einer von 75 geschichtlichen Sehenswürdigkeiten, die der Historiker Peter Wenners in einem neuen Ausflugsbuch versammelt hat. Unter dem Titel „75 x Schleswig-Holstein entdecken – Ein Tourenbegleiter durch die Landesgeschichte“ wurde der Tourenratgeber im Boyens-Verlag Heide herausgegeben. Auf 190 Seiten beschreibt der Autor Ausflugsziele von Flensburg bis Hamburg und von Fehmarn bis St. Peter Ording.
Im Industriemuseum Elmshorn erfahren die Besucherinnen und Besucher, wie die Industrialisierung in Schleswig-Holstein einsetzte, schreibt Wenners. Während sie sich in anderen Ländern bereits Mitte des 18. Jahrhunderts durchsetzte, gab es in Schleswig-Holstein erst Anfang des 19. Jahrhunderts erste Zeichen dieser Arbeitsrevolution.
Schleswig-Holstein war einerseits kein Land der Arbeiter, sondern der Bauern. Zum Zweiten ging der dänische Staat, der zu der Zeit noch bis an die Elbe reichte, 1813 bankrott. Und zum Dritten gab es einen Mangel an industriell zu nutzenden Rohstoffen – außer Ton für die Ziegeleien, Torf zum Heizen und Raseneisenerz. Zudem beobachteten die traditionellen Handwerkszünfte den „neumodschen Kraam“ mit Argusaugen.
- Markt mit KunstWerk: Künstler bieten Schönes in Elmshorn
- Pinneberg: Der Philanthrop muss nicht mehr frieren
- Industriemuseum Elmshorn hat nun eine kleine „Gloria“
Zeitreise durch die Geschichte der Industrialisierung in Elmshorn
Erst als Preußen 1864 das Zepter in Holstein und mithin auch im Pinneberger und Elmshorner Raum übernahm, kam die Industrialisierung im Norden durch die Einführung der Gewerbefreiheit in Schwung. Einen weiteren Schub gab es 1871 mit der Reichsgründung und um 1900 mit der Steigerung der Rüstungsindustrie. Elmshorn war neben Kiel, Neumünster und Altona eine der Hochburgen dieser Entwicklung. Der Dampfmaschine folgten das Dampfschiff, die Eisenbahn, die 1844 erstmals zwischen Altona und Kiel fuhr.
Das Industriemuseum Elmshorn an der Catharinenstraße 1, so der Autor, bietet eine Zeitreise durch die Geschichte der Industrialisierung, der Arbeits- und Alltagswelt des 18. und 19. Jahrhunderts. Einen ersten Eindruck erhalten Hobbyhistoriker im Netz unter www.industriemuseum-elmshorn.de.
Außerdem verweist Autor Peter Wenners in Elmshorn auf die Nikolaikirche am Alten Markt mit Holz-Einbauten im Stil der Walfänger-Epoche. Eine kleine Entdeckung sei auch der Elmshorner Skulpturen-Park am Probstendamm 7 mit Werken norddeutscher Künstlerinnen und Künstler. Nach soviel Kunst und Kultur laden der Elmshorner Stadtpark und der Liether Wald mit dem 22 Meter hohen Butterberg am Lieth und Heidmühlenweg sowie das nahe gelegene Arboretum in Ellerhoop, Thiensen 4, in die Natur ein. Beide sind ebenfalls in dem Buch gelistet.
Sehenswert: Der historische Jüdische Friedhof in Elmshorn
Weitere Sehenswürdigkeiten sind der historische Jüdische Friedhof mit Taharahaus von 1906 an der Elmshorner Feldstraße und das Mahnmal der am 21. Januar 1846 geweihten und in der Reichs-Pogromnacht geschändeten alten Elmshorner Synagoge am Flamweg/Ecke Neue Straße.
Im nahe gelegenen Norderstedt hat Autor Peter Wenners einen 240 Jahre alten Grenzstein an der Ulzburger Straße 558, Ecke Zwickmoor entdeckt. Er steht unscheinbar am Straßenrand. Der Felsstein trägt die Inschrift „HP/C7/1782/No.31“ und ist ein Relikt aus ferner Zeit. Er markierte als Grenzstein das Ende von Pinneberg – und den Anfang von Stormarn.
Die kurze Inschrift bedeutet übrigens „Herrschaft Pinneberg/Christian VII./1782/No.31“ und weist auf die durchaus bedeutende Grenze hin. Denn es handelte sich nicht um irgendeine Grenze zwischen zwei gräflichen Gütern, sondern die Grenze zwischen Dänemark und Preußen. Der dänische Grenzstein in Norderstedt ist ein Symbol für den dänischen Gesamtstaat von der Elbe bis zum Nordkap mitsamt Grönland und den atlantischen Kolonien.
Autor sammelt 75 historisch bedeutende Ausflugsziele
Auch an die Schrecken des Nazi-Terrors in Schleswig-Holstein erinnern viele Orte, die Peter Wenners in seinem Buch beschreibt, darunter „1933: Der Gehenkte in Schleswig – Justizverbrechen im Nationalsozialismus“. Die Bronzefigur, die der Bildhauer Waldemar Otto 1993 schuf, steht vor dem Haupteingang des Oberlandesgerichts in Schleswig an der Gottorfstraße 2 und zeigt einen entblößten, an einem imaginären Strick Erhängten.
Weitere Hinweise auf das NS-Regime sind „1943: Zwangsarbeiter-Denkmal in Schleswig“, zu sehen an der Bellmannstraße in Schleswig, „1944: Mahnmal beim KZ Ladelund“, eine Stele im Außenbereich der KZ-Gedenkstätte an der Raiffeisenstraße 3 in Ladelund, und „1944: Oskar-Kusch-Gedenkplatte – Ermordung von Widerstandskämpfern“ in Altenholz-Knoop bei Kiel an der Oskar-Kusch-Straße.
Der Tourenbegleiter durch die Landesgeschichte ist ein handliches und vor allem praktisches Nachschlagwerk. Das Tourenbuch ist, beginnend mit 3500 vor Christus (Idstedter Räuberhöhle), chronologisch geordnet und baut die Landesgeschichte verständlich bis 1989 „Ehemalige Grenze zur DDR in Lübeck-Schlutup“ auf. Alle Gedenkorte sind über eine Landkarte und ein Nummernsystem leicht zu finden. Querverweise auf weitere örtliche Sehenswürdigkeiten erweitern die Ausflugsmöglichkeiten. Der Autor Dr. Peter Wenners, geboren 1950 in Kiel, studierte Germanistik, Geographie, Skandinavistik und Kunstgeschichte und widmet sich vor allem der Geschichte des 19. Jahrhunderts.
„75 x Schleswig-Holstein entdecken“, Boyens-Verlag Heide, 192 Seiten, 16,95 Euro im Handel