Elmshorn. 700.000 Euro Schaden und drei Verletzte: Fünf Jahre nach dem Entgleisen eines Regionalzuges sind die Ermittlungen abgeschlossen.

Fünf lange Jahre hat es gedauert. Nachdem am 15. November 2017 zwei Reisezugwagen der Marschbahn im Bahnhof Elmshorn entgleist waren, liegt jetzt der Abschlussbericht der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) vor. Demnach war ein Fehler des Fahrdienstleiters im Stellwerk für den Unfall verantwortlich, bei dem ein Mensch schwer und zwei weitere Personen leicht verletzt worden sind.

Zugunglück: Wie es zur Entgleisung am Bahnhof Elmshorn kommen konnte

Rückblick: Um 7.09 Uhr verlässt an diesem Mittwoch, den 15. November, der Zug der Marschbahn mit der Nummer 11044 mit langsamer Geschwindigkeit den Bahnhof in Elmshorn. An Bord sind 100 Fahrgäste, die von Hamburg-Altona nach Westerland auf Sylt unterwegs sind. Die Strecke und das Bahnhofsumfeld sind wie auch in den Tagen davor eine einzige große Baustelle. Seit mehreren Monaten werden Schienen und Weichen erneuert, Gleise sind gesperrt. Der RE 11044 befindet sich auf dem Gleis 101 und stößt kurz nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof auf die Weichenverbindung mit der Nummer W 113/114.

Diese Weichen sollten zum Zeitpunkt des Unglücks erneuert werden, ebenso wie der angrenzende Gleisabschnitt. Daher war laut dem Untersuchungsbericht eine Gleislücke vorhanden, der Abschnitt als gesperrt und nicht befahrbar ausgewiesen. Weil sich die Gleisbauarbeiten verzögerten, sei in der Betriebszentrale Hannover der DB Netz AG entschieden worden, die anschließende Bauphase zu verschieben – sie hätte zu weiteren Sperrungen geführt. In der Folge habe der Fahrdienstleiter irrtümlich die Sperrung für alle Weichen zurückgenommen. „Von dieser Entsperrung waren auch die Weichen W113 und W114 betroffen, die eigentlich hätten gesperrt bleiben müssen“, heißt es in dem Bericht.

Zugunglück: Bericht soll die Schuldfrage klären

Weiter heißt es, dass eigentlich sicherheitstechnische Anpassungen an den beiden Weichen angeordnet worden seien. Ihre Aufgabe wäre gewesen, den vom Fahrdienstleiter eingestellten Fahrbefehl für den RE 11044 auf die Weichenverbindung W 113/114 nicht zuzulassen. Diese Anpassungen seien „entweder noch nicht umgesetzt...“ oder „nicht mehr aktiv“ gewesen. Daher habe die Sicherheitstechnik keinen Alarm geschlagen, als der Bahnmitarbeiter den Zug auf den eigentlich gesperrten Streckenabschnitt geleitet hat.

„Ein Versagen der Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik wurde nicht festgestellt“, so der Bericht. Auch den Lokführer treffe keine Schuld, eben so wenig das betroffene Unternehmen DB Regio AG, das ein technisch einwandfreies Fahrzeug auf die Strecke schickte. Der Abschlussbericht geht von einer Alleinschuld des Fahrdienstleiters aus, der die Sperrung des Abschnitts versehentlich aufgehoben und den Zug nicht, wie vorgesehen, über das Gleis 102 führte, sondern ihn auf das in Reparatur befindliche Gleis 101 schickte.

Zugunglück: Drei Verletzte, 705.000 Euro Schaden und viele Fragen

Durch das Entgleisen entstand laut dem Abschlussbericht an dem Zug ein Schaden von 500.000 Euro. Der tonnenschwere Steuerwagen war aus den Schienen gesprungen, das Drehgestell der vorderen Achse abgerissen. Auch an den Gleisanlagen in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes kam es zu erheblichen Schäden. Sie werden mit 205.000 Euro beziffert, sodass der Gesamtschaden mit 705.000 Euro angegeben wird.

Unter den Verletzten befanden sich unter anderem eine 44 Jahre alte Zugbegleiterin sowie eine 28 Jahre alte Passagierin. Die Bergung der entgleisten Reisezugwagen, für die zwei Schienenkräne angefordert werden mussten, dauerte damals 24 Stunden. Ein weiterer Tag verging, bis die Schäden am Gleisbett ausbessert waren. Erst 48 Stunden nach dem Zugunfall lief der Betrieb wieder.

Staatsanwaltschaft klagte Fahrdienstleiter 2019 an

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe war in der Ermittlung der Schuldfrage deutlich schneller. Sie hatte die strafrechtlichen Ermittlungen zu dem Vorfall bereits 2019 abgeschlossen und den Fahrdienstleiter als Hauptverantwortlichen benannt. Das Verfahren gegen den heute 59-jährigen Mann wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Die Ermittlungsbehörde hielt dem Mann damals zugute, nicht der Alleinschuldige zu sein.

Er habe sich auf Bahnmitarbeiter verlassen, die zeitlich vor ihm eingesetzt waren. Er habe jedoch seine Kontrollpflichten verletzt, dies sei letztlich der Grund für den Unfalleintritt gewesen. Dennoch treffe den Bahnmitarbeiter nur eine geringe Schuld, eben weil dieser nicht allein verantwortlich war. Der 59-Jährige musste einen vierstelligen Betrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung leisten und kam auf diese Weise um ein Gerichtsverfahren sowie eine Vorstrafe herum.

Zugunglück in Elmshorn: Vorkommnisse bei Schulungen aufgearbeitet

Als Konsequenz aus dem Unglück weist der Abschlussbericht aus, dass eine „gesundheitliche Überprüfung der betroffenen Mitarbeiter“ veranlasst wurde. „Es wurden eine Belehrung durchgeführt und die Vorkommnisse im Rahmen einer Schulung aufgearbeitet, zu dessen Teilnehmerkreis auch alle Bauüberwacher der beauftragten Firma gehörten“, heißt es weiter. Außerdem, so weist es der nach fünf Jahren veröffentlichte Bericht aus, sollen künftig in den Anweisungen für Folgebaumaßnahmen detailliertere Angaben zu Sperrungen von Weichenverbindungen aufgenommen werden.