Kreis Pinneberg. Politische Debatten im Internet verfolgen? Im Kreis Pinneberg auch im Jahr 2022 noch nicht möglich. Das soll sich nun ändern.
Die Kreispolitik soll transparenter und öffentlichkeitswirksamer werden. So hat der Hauptausschuss des Kreistages jetzt auf Antrag der SPD einstimmig entschieden, die Sitzungen des Kreistages und seiner Gremien per Livestream im Internet zu übertragen. Die Kreisverwaltung soll dafür „zeitnah“ die technischen Voraussetzungen schaffen, heißt es. Am heutigen Mittwoch tagt der Kreistag allerdings noch mal offline.
Kreis Pinneberg: Politik soll transparenter und digitaler werden
„Wir müssen die Bürger stärker an der politischen Entscheidungsfindung beteiligen“, begründet SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl den Vorstoß. Und Kreispräsident Helmuth Ahrens (CDU) sagt: „Das ist eine gute und sinnvolle Entscheidung. Das fördert das Demokratieverständnis.“ Andere Kommunen und Kreise machten dies längst vor, sagt Stahl.
So würden die Sitzungen des Segeberger Kreistages und seiner Ausschüsse, des Rendsburg-Eckernförder Kreistages sowie die der Ratsversammlungen von Flensburg, Kiel, Lübeck und Heide live und direkt im Internet zu verfolgen sein. Auch die Gemeinderatssitzungen in Halstenbek würden übertragen, berichtet Ahrens, der dort dem Gemeinderat angehört. Und auch die Stadt Quickborn hat während der Lockdown-Phase alle Sitzungen live im Internet gezeigt.
Kreispolitik hängt bei der Digitalisierung hinterher
„Die Technik ist ja da“, sagt Stahl. Er hätte sich gewünscht, die Kreisverwaltung hätte dieses Projekt längst angeschoben und entsprechende Vorschläge gemacht. „Das ist doch wichtig für die Bürgerbeteiligung. Aber wir als Kreis Pinneberg hinken wieder mal hinterher“, ist er enttäuscht. Die Verwaltung agiere einmal mehr zu träge. „Das dauert mir alles viel zu lange. Ich hoffe, dass das jetzt schnellstmöglich umgesetzt wird. Spätestens im Frühjahr nächsten Jahres.“
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Allerdings gebe es noch Details abzuklären, erläutert Kreispräsident Ahrens. So habe der Kreis durch den Umzug vom alten Kreishaus in Pinneberg in das frühere Talkline-Gebäude in Elmshorn vor etwa zehn Jahren keinen eigenen Kreistagssaal mehr. Darum tagt das Parlament in der Regel im Ratssaal der Stadt Pinneberg und seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 in den Räumen der Smart-Factory in der Heinrich-Hertz-Straße in Elmshorn. „Wir werden aber vom nächsten Jahr an wieder im Ratssaal sein“, sagt Ahrens.
Digitaler Kreistag: Viele offenen Fragen
Das bringe das Problem mit sich, dass der Kreis dort schwerlich Kameras und Mikrofone im Pinneberger Rathaus installieren lassen könne, so Ahrens. „Wir sind da nur Mieter.“ Ebenso müsse die Frage geklärt werden, ob nur der Redner in Film und Ton gezeigt werden soll oder der gesamte Kreistag, erläutert Ahrens. Unter Umständen ließe sich doch noch einer der großen Sitzungsräume in der Elmshorner Kreisverwaltung entsprechend umgestalten. Immerhin gilt es zurzeit, 62 Kreistagsabgeordnete unterzubringen. „Das bedarf noch einiger Vorarbeit“, schätzt Ahrens.
Ziel aber müsse es sein, dass die Bevölkerung mehr an den politischen Entscheidungen beteiligt und diese transparenter werden, sind sich Ahrens und Stahl mit den anderen Fraktionen einig. So müsse es für die Bürgerinnen und Bürger möglich sein, sich zu bestimmten Tagesordnungspunkten, die sie interessieren, einfach von zu Hause oder wo auch immer aus, einzuschalten und die Debatte live mitzuverfolgen.
Kreis Pinneberg: Live-Übertragungen als Chance für die Politik
Das müsse gewährleistet sein und sei auch „verfassungsrechtlich geboten“, argumentiert Stahl. „Die jetzige Organisation von Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen im Kreistag und den Ausschüssen schließen interessierte Bürgerinnen und Bürger aus, die es aus unterschiedlichen Gründen nicht schaffen oder wollen, an den Sitzungen in Präsenz teilzunehmen.“ Auch dürfe die Kreispolitik nicht bestimmte Gesellschafts- oder Altersgruppen vom politischen Entscheidungsprozess ausschließen.
Für Kreispräsident Ahrens könnten die Live-Übertragungen im Internet, die dann auch noch nachträglich angeschaut, angehört oder dokumentiert wären, mehr Aufmerksamkeit für die Kreispolitik erzeugen. „Wir könnten auf diese Weise die Bevölkerung besser informieren und auch unsere Arbeit transparenter darstellen und so die Politik mehr in die Öffentlichkeit tragen.“ In Zeiten allgemeiner Politikverdrossenheit oder der weit verbreiteten Skepsis gegenüber Entscheidungsträgern könnte ein solcher Schritt mehr Akzeptanz schaffen.
Susanne von Soden-Stahl, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Kreistag, nennt noch ein weiteres Argument für diese Live-Übertragungen: die Inklusion. So wären schwerbehinderte Menschen oft nicht in der Lage, persönlich zu den Sitzungen zu kommen. Das gelte auch für betroffene Abgeordnete oder Fraktionsmitglieder, denen aber ein Zugang zu den Debatten und Entscheidungen ermöglicht werden müsse. „Das ist wichtig. Ich hoffe, dass unsere Verwaltung endlich ins Laufen kommt.“
Kreis Pinneberg: Digitale Sitzungen funktionieren in anderen Kreisen schon
Der Nachbarkreis Segeberg habe „gute Erfahrungen“ damit gemacht, sagt Kreispräsident Claus-Peter Dieck (CDU). Allerdings würden nur die Tonspuren, keine Bilder übertragen. Eine Umfrage unter den immerhin 64 Abgeordneten im Kreis Segeberg ergab, dass nicht alle mit einer Filmaufnahme einverstanden waren. „Jeder hat ja das Recht auf das eigene Bild. Aber Ton war kein Problem.“ Und so rufe er jeden Abgeordneten, bevor er ans Rednerpult geht, namentlich auf, erklärt der Segeberger Kreispräsident. Meist bekannten die sich dann auch für eine bestimmte Position ihrer Fraktion, sodass die Zuhörer im akustischen Livestream zu Hause die Äußerungen auch zuordnen könnten.
Bei den Ausschusssitzungen sei das mitunter schwieriger, gehe aber auch. „Auch da sagt der Vorsitzende: ‚Das Wort hat Herr X oder Frau Y.‘“ Manchmal hake die Technik allerdings etwas. „Aber im Großen und Ganzen funktioniert es recht gut.“ Ob das Bürger näher an die Kreispolitik binde, wie sein Amtskollege Ahrens glaubt, bezweifelt Dieck. „Die Kreispolitik ist doch relativ weit weg.“ Die interessiere eher, was bei ihnen im Ort passiere, ob dort ein Kindergarten gebaut oder eine Straße saniert wird. Auch wenn der Kreis mit seinen Zuschüssen vieles davon mitfinanziere. „Fast alles, was wir entscheiden, hat ja Einfluss auf die kommunale Ebene. Wir geben den Gemeinden Hilfestellung.“