Kreis Pinneberg. Parteitag der Pinneberger Kreis-SPD beschließt Verjüngungskur zur Wahl im Mai. Das bekannteste Gesicht ist aber ein 71-Jähriger.
Mit reichlich Zuversicht und starken Sprüchen geht die Kreis-SPD in den Wahlkampf für die Kommunalwahl im kommenden Jahr. 76 Delegierte berieten und beschlossen am Sonnabend im Vereinsheim des FTSV Fortuna in Elmshorn das Wahlprogramm für den 14. Mai.
Schwerpunkte bilden das Soziale, die Bildung, der Wohnungsbau und der öffentliche Nahverkehr. Unter den Kandidaten sind nicht nur alle amtierenden 15 Kreistagsabgeordneten. Auch ein alter Bekannter will es noch mal wissen: Ernst Dieter Rossmann, der erst vor einem Jahr nach 23 Jahren aus dem Bundestag ausschied, kandidiert im Wahlkreis Elmshorn-Nordost. Am Wahltag wird er 72 Jahre alt sein.
„Ein Sozialdemokrat geht nicht in Pension“, zitiert Rossmann den früheren Kanzler und SPD-Bundesvorsitzenden Willy Brandt. Das sei auch seine Motivation für die Kreiswahl. „Ich möchte die gute Politik im Kreistag stützen und fördern“, sagt der nimmermüde SPD-Politiker. Ihn treibe dabei „kein existenzieller Ehrgeiz“ an, sagt er. Vielmehr möchte er seine langjährige Erfahrung als Berufspolitiker in die Kreispolitik einbringen.
Die Partei habe ihm viel gegeben. Jetzt möchte er es ihr durch weiteren Einsatz „mit Freude“ zurückgeben, sagt Rossmann. Der ehemalige Elmshorner Stadtverordnete (1982 bis 1991) war zwar schon Parteichef (1981 bis 2017) sowie Landtagsabgeordneter (1987 bis 1998) und Bundestagsabgeordneter (1998 bis 2021). Doch dem Pinneberger Kreistag gehörte Rossmann noch nie an.
Ernst Dieter Rossmann: Ein Scheitern bei der Wahl wäre „kein Weltuntergang“
Er würde sich auf Kreisebene gerne für Bildung, Kultur und Jugend einsetzen, erklärt Rossmann, der bis 2017 auch Vorsitzender des Deutschen Volkshochschulverbandes war. Es sei für ihn aber auch „kein Weltuntergang“, sollte es am Ende nicht mit dem Kreistagsmandat klappen. Dann würde er als einfaches Mitglied in der Fraktion mitarbeiten.
Rossmann müsste dafür seinen Wahlkreis direkt gewinnen oder die SPD ihr Wahlergebnis von 2018, als sie mit 24,4 Prozent elf Prozentpunkte hinter der CDU landete, mindestens über 30 Prozent der Stimmen hieven. Denn der MdB außer Dienst steht auf der Kreiswahlliste der SPD nur auf Rang 19, einen Platz hinter seiner Frau Helga Kell-Rossmann.
Möglicherweise war das auch ein Kompromiss innerhalb der SPD, um den politischen Nachwuchs nicht zu brüskieren. Mit 50 der 76 Stimmen erhielt Rossmann die wenigsten Stimmen der Listenkandidaten. Vor ihm stehen neben den Altvorderen auch drei neue junge Leute von den Jusos. „Wir müssen uns verjüngen. Das ist für viele entscheidend“, sagt Hans-Peter Stahl, amtierender SPD-Fraktionschef im Kreistag. Er wurde zum Spitzenkandidaten gewählt – vor der stellvertretenden Kreispräsidentin Elke Schreiber (Quickborn), dem Nahverkehrsexperten Helmuth Jahnke (Halstenbek) und der stellvertretenden Kreisvorsitzenden Heidi Keck (Wedel). Insofern sei es „vernünftig“, dass Rossmann weiter hinten stehe, so der Elmshorner Stahl. „Wir können von seinem Wissen nur profitieren“, ist Stahl überzeugt. „Ich weiß aber nicht, wie dominant er sein wird.“
Inhaltlich möchte die SPD den Kreis schneller voranbringen, erklärt Stahl. „Ich will, dass der Kreis Pinneberg der fortschrittlichste in Schleswig-Holstein wird“, sagt er. „Wir müssen mehr wagen.“ Darum ist das SPD-Wahlprogramm auch mit dem Slogan „Mehr Kreis Pinneberg wagen“ überschrieben.
Bei der Standortfrage für die geplante neue Zentralklinik, die entweder in Pinneberg oder Elmshorn bis 2034 für rund 500 Millionen Euro gebaut werden soll, werde die Kreispolitik ein entscheidendes Wörtchen mitreden. Der Schienenengpass zwischen Pinneberg und Elmshorn müsse endlich durch den Bau eines dritten und vierten Bahngleises beseitigt werden. Der Bau dieser Bahngleise sollte Vorrang vor dem Weiterbau der A20 und dem sechsspurigen Ausbau der A23 haben, beschloss der SPD-Parteitag.
Die Kreispolitik sollte transparenter werden, die Bürgerinnen und Bürger sollten mehr beteiligt werden, fordert Stahl. Er wünsche sich mehr Selbstbewusstsein in der Kreisverwaltung, die bürgerfreundlicher werden und endlich mehr Online-Dienstleistungen anbieten müsse, etwa Anträge zum Bauen oder dem Führerschein. Für 400 zusätzliche Kita-Plätze will die Kreis-SPD ein Zehn-Millionen-Euro-Programm auflegen, das im ersten Anlauf keine Mehrheit im Kreistag fand. Dies sei aber dringend geboten, sagte der Kreisvorsitzende Thomas Hölck. Kreisweit fehlten 1500 Kita-Plätze, landesweit seien es 18.000 Plätze.
Um die Wohnungsnot zu lindern und die weiter steigenden Mietpreise einzugrenzen, bedürfe es einer Mietpreisbremse, die die Jamaika-Koalition in Kiel abgeschafft und die jetzige schwarz-grüne Landesregierung nicht wieder eingeführt habe, so der Landtagsabgeordnete Hölck.
Eine gemeinnützige Gesellschaft soll Wohnungsnot für Schwache mindern
Auf Kreisebene müssten jedes Jahr 2000 neue Wohnungen gebaut werden, forderte er. Die 99 Sozialwohnungen, die 2021 kreisweit geschaffen worden seien, reichten bei weitem nicht aus, um den Druck auf dem Wohnungsmarkt zu senken. Darum plane die SPD, auf Kreisebene eine gemeinnützige Wohnungsgesellschaft zu gründen, die als Mittler und Bürge zwischen Mieter und Vermieter fungieren und sozial schwachen Menschen helfen soll, auch mit einem Schufa-Eintrag eine bezahlbare Wohnung zu finden, kündigte Hölck an. Im Kreis Nordfriesland habe eine solche Agentur 400 Mietverträge abschließen können. Die Jusos fordern zudem die Schaffung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft, wie es sie mit der früheren GeWoGe quasi einmal gab.
Um das alles durchzusetzen, wird die SPD sich wieder zur stärksten Kraft im Kreistag mausern müssen, wie es Kreischef Hölck „auch für Hannes Birke“ forderte, den Ehren-Kreisvorsitzenden und langjährigen Kreisfraktionschef, der am Tag zuvor bestattet wurde. Dieses Ziel gelang den Genossen zuletzt 1998. Die vier darauffolgenden Kommunalwahlen gewann die CDU mit jeweils deutlichem Vorsprung.