Kreis Pinneberg. Konkurrierende Entsorger können sich nicht auf Übernahme einigen. Jetzt bekommen alle Haushalte zwei Behälter. Das sorgt für Ärger.
Die Doppel-Tonnen-Ära ist eingeläutet. Die RMG Rohstoffmanagement GmbH aus Eltville am Rhein, die mit der Entsorgung der Verpackungsabfälle von 2023 bis 2025 beauftragt ist, hat mit der Verteilung der Gelben Tonnen im Kreis Pinneberg begonnen. In Quickborn hat sie nun die ersten Behälter ausgeliefert. Völlig kommentar- und informationslos, sagt Anwohner Thomas Tschechne.
Kreis Pinneberg: Gelbe-Tonne-Irrsinn hat begonnen
„Plötzlich stand die leere Tonne auf unserem Grundstück. Dabei habe ich doch schon eine“, sagt er. Und er ist nicht allein. Rund 80.000 Haushalte im Kreis Pinneberg haben nun monatelang zwei Gelbe Tonnen und müssen aufpassen, die richtige Tonne mit Plastik zu befüllen.
Wie mehrfach berichtet, ist bis Jahresende noch die Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB) für die Entsorgung zuständig, an der der Kreis zu 51 Prozent beteiligt ist. Vom 1. Januar an ist RMG dran, dann sind die gelben GAB-Tonnen überflüssig, werden aber erst im neuen Jahr abtransportiert. Bis wann das geschieht und wie lange es dauert, kann GAB-Sprecher Julian Jenkel noch nicht sagen.
„Der Tonneneinzug wird aktuell geplant, hängt jedoch auch von Faktoren ab, die wir nicht beeinflussen können“, sagt er auf Abendblatt-Nachfrage. „Nach derzeitiger Planung müssen wir die Behälter nach der letzten Leerung einziehen. Wir werden Bürgerinnen und Bürger über Datum und Vorgehen informieren.“
Kreis Pinneberg: „Stoppt diesen Umwelt-Unsinn mit der Gelben Tonne“
Von RMG-Seite hält man sich dagegen mit der Informationspolitik etwas zurück. „Der Kreis Pinneberg hat einen Infoflyer erstellt, der den Bürgern mit dem Abfallkalender zur Verfügung gestellt wird“, sagt RMG-Sprecher Marius Schröder. Die Verteilung der Gelben Tonne solle möglichst bis zum Jahresende abgeschlossen sein, sagt er. Nach Quickborn würden zunächst Barmstedt und die umliegenden Gemeinden Hemdingen, Heede, Langeln, Bilsen, Bokholt-Hanredder und Bevern mit neuen Tonnen bestückt.
Bürger wie der Bönningstedter Peter Heine können diesen unfreiwilligen Tonnenwechsel nicht begreifen. Er fordert: „Stoppt diesen Umwelt-Unsinn mit der Gelben Tonne!“ Von einer Plastik-Müllvermeidung und Pflege der Umwelt könne keine Rede sein, ärgert er sich. „Massen an Lkw liefern Massen an unnützem Plastik, verbrauchen Massen an Kraftstoff, Material, unnützer Arbeitszeit beider Firmen.“ Er fragt sich, ob das bei der Zuteilung des Auftrags in Betracht gezogen worden sei.
„Muss der Umweltaspekt nicht bei allen öffentlichen Ausschreibungen mit eingepreist werden?“ Übereinander gestapelt ergäben die 80.000 Tonnen einen 85 Kilometer hohen Turm, aneinander gestellt eine Strecke von 60 Kilometern.
Wer organisiert die Entsorgung des Plastikmülls im Kreis?
Hintergrund ist dabei die Verpackungsverordnung, die seit 1991 die Wirtschaft verpflichtet, die von ihr in Umlauf gebrachten Verpackungen nach deren Gebrauch wieder zurückzunehmen und zu verwerten. Bis dahin waren die Gemeinden für die Abfallentsorgung zuständig. Und das von der Industrie dafür privatwirtschaftlich geschaffene Duale System Deutschland (DSD) und zehn weitere Systemanbieter organisieren die Ausschreibung dieser Entsorgung eigenständig, vergaben die Aufträge in Eigenregie. Transparent für die Öffentlichkeit ist das nicht.
Auch die Kreisverwaltung weist auf diese zweigleisige Entsorgungsverpflichtung hin. Das zusätzliche privatwirtschaftliche Sammelsystem werde eben nicht durch die Abfallgebühren finanziert, wie es bei Rest-, Bio- und Papierabfällen geschieht. „Die Finanzierung dieses Sammelsystems erfolgt nicht über die Abfallentgelte, sondern wird direkt über den Kauf verpackter Produkte im Supermarkt finanziert. Im Kaufpreis der Produkte sind bereits Cent-Beträge enthalten, die den dualen Systemen zufließen.“
Mit diesem Geld organisierten die dualen Systeme die Entsorgung des Verpackungsmülls seit 1991 in Gelben Säcken, seit 2020 im Kreis in Gelben Tonnen. Kreisweit sind es 30.000 Tonnen Leichtverpackungen, die bisher immer die GAB entsorgt und recycelt hat.
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Entsorger können sich nicht auf Tonnen-Übernahme einigen
Damit ist es aber nun – zumindest für die nächsten drei Jahre – vorbei. Über eine Übernahme der GAB-Tonnen konnten sich beide Entsorger nicht verständigen. Seit Mitte Oktober sei Funkstille, heißt es von der GAB, die der RMG konkrete Angebote gemacht habe, ihre Tonnen zu kaufen oder zu mieten. Die Preisvorstellungen beider Seiten sollen sechs- bis siebenstellig auseinandergelegen haben. Genaue Angaben dazu macht GAB-Sprecher Jenkel nicht. „Das waren vertrauliche Gespräche. Wir können unsere Tonnen aber nicht verschenken, sondern nur abgeben, wenn es sich für uns rechnet.“
Und so bekommen jetzt alle Haushalte eine zweite gelbe Tonne in der Größe ihrer alten Tonne, also in der großen Mehrzahl als 240 Liter-Behälter, sieben Prozent der Haushalte als 120 Liter-Behältnis. Die 1100-Liter-Container an Mehrfamilienhäusern scheinen als letztes dran zu kommen. Die Verteilung erfolge „zunächst anhand der uns vorliegenden Daten“, teilt RMG-Sprecher Schröder mit. „Änderungswünsche nehmen wir über unsere Mailadresse Gelbe-Tonne.Pinneberg@rmg-gmbh.de entgegen. Die Wünsche können aber erst nach Abschluss der Erstbestellung, das heißt im Jahr 2023, berücksichtigt werden.“
Kreis Pinneberg: Tonnen-Irrsinn „umweltpolitisch eine Katastrophe“
Auch von politischer Seite wird dieser Tonnen-Tausch kritisiert. Grünen-Vizefraktionschefin Susanne von Soden-Stahl sagt: „Das ist umweltpolitisch eine Katastrophe.“ Aber dieses „Heuschreckenverhalten“ scheine Strategie des neuen Entsorgers zu sein, der sich bundesweit die DSD-Ausschreibungen sichere, um dann die bisherigen Entsorger als Subunternehmer zu gewinnen und erheblich im Preis zu drücken. In Kiel soll das gelungen sein. Die GAB habe nicht mitgespielt.
Die FDP-Landtagsabgeordnete Annabell Krämer, die in Quickborn ihre zweite Gelbe Tonne erhalten hat, sagt: „Es ist nicht gut, dass die Bürgerinnen und Bürger darunter leiden müssen, weil sich zwei Unternehmen nicht einig werden.“ Nicht jeder Haushalt habe genügend Platz für die nunmehr fünfte Abfalltonne.
„Das ist ökologisch nicht sinnvoll und kein guter Start für eine neue Kundenbeziehung“, kritisiert sie. „Das zeigt uns, dass unser Vergaberecht einige Tücken hat.“ Leider passe die alte Gelbe Tonne nicht in die neue. Sonst könnte man sie als Plastikmüll entsorgen, sagt sie sarkastisch.