Kreis Pinneberg. Energiekrise hat Gotteshäuser im Kreis Pinneberg erreicht. Warum die Sparmaßnahmen eine Chance für die Kirche sein könnten.
Gottesdienstgänger im Kreis Pinneberg müssen sich fortan auf kalte Kirchenbänke gefasst machen. Schließlich versuchen auch die Kirchenkreise Rantzau-Münsterdorf und Hamburg-West/Südholstein, der Energiekrise Herr zu werden, weshalb drastische Einsparmaßnahmen notwendig sind. Beide Kirchenkreise unterhalten Gemeinden im Kreis und haben kürzlich Handreichungen zum Thema herausgegeben.
Wie sehr die Heizungsregler in den kirchlichen Einrichtungen heruntergedreht werden, kommt aber auf deren jeweilige Bauweise und Nutzungsart an.
Energiekrise: In den Gemeindehäusern sollen 19 Grad reichen
Noch halbwegs angenehm temperiert sind zukünftig etwa die Arbeitsräume oder Gemeindehäuser – hier sollen 19 Grad bei Nutzung herrschen sowie 15 Grad, wenn die Räumlichkeiten gerade ungenutzt sind. Schal und Pudelmütze einzustecken, lässt sich wiederum Kirchgängerinnen und Kirchgängern empfehlen. In den Gotteshäusern soll die Grundtemperatur nämlich möglichst auf fünf bis acht Grad herabgesenkt werden. „Das Bereitlegen von Decken ist gefühlt schon zum Standard geworden“, berichtet Michael Benthack, Geschäftsführer von Bauwerk Kirchliche Immobilien des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein.
Er stellt außerdem die Idee in den Raum, die Gottesdienste zu verkürzen und nicht nur im übertragenen Sinne „ein bisschen zusammenzurücken, wenn uns Corona da keinen Strich durch die Rechnung macht“.
Energiekrise: Kirchen schaffen Sitzkissen und Decken an
Damit die Gläubigen nicht allzu sehr frösteln, will der Kirchenkreis zudem heizbare Sitzbankauflagen beziehungsweise Sitzkissen anschaffen. Einige Kirchen seien bereits damit ausgestattet.
„Solche körpernahen Systeme sind bei uns ebenfalls denkbar. Wir möchten ja auch nicht, dass die Besucher frieren“, sagt Geeltje Bauer. Sie arbeitet seit einem knappen halben Jahr als Klimaschutzkoordinatorin im Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf, der bei seinen Gemeinden auf Freiwilligkeit setzt. Es gelte kreativ zu werden, heißt es in der entsprechenden Handreichung. Ein Stück Schokolade, heiße Getränke, die Einrichtung einer Wärmestube nach dem Gottesdienst im Gemeindehaus, Verständnis und eine transparente Kommunikation sollen die Christen trotz Kälte in die Kirche locken.
Energiekrise: Illumination von Gebäuden untersagt
„Gibt es z.B. einen Strick- oder Häkelverein, könnte dieser gefragt werden, Socken oder Handwärmer zu stricken, die an die Besucher verteilt werden können“, heißt es in dem Schreiben des Kirchenkreises sogar. Neben den Einsparzielen in puncto Heizen nehmen sich beide Kirchenkreise vor, ihren Strom- und Wasserverbrauch zu reduzieren. In Rantzau-Münsterdorfs Gemeinden ist dementsprechend auch die Illumination von Gebäuden und Baudenkmälern bis vorerst 28. Februar 2023 untersagt.
Energiekrise als Motor für Klimaneutralität in der Nordkirche
Bisher gebe es keine negativen Rückmeldungen frierender Gemeindemitglieder. „Gestern Nachmittag war sich die Seniorengruppe, mit der ich mich unterhalten habe, einig: Eine kältere Kirche hält sie nicht vom Gottesdienstbesuch ab“, berichtet Klimaschutzkoordinatorin Bauer.
Michael Benthack ist zudem der Ansicht, dass „das Ereignis Motivator genug ist, die Kälte zu ertragen“. Schließlich seien auch Fußballstadien trotz Winterwetter immer wieder gut gefüllt. Nichtsdestotrotz sind sich beide Kirchenkreise darüber im Klaren, dass eine Verlegung von Veranstaltungen – beispielsweise in die günstiger heizbaren Gemeindehäuser – nötig werden könnte. „Neue Gottesdienstformate“, wie Bauer formuliert, müssten in Betracht gezogen werden.
Kirchenorgeln benötigen in der Regel keine Raumheizung
Nicht nur die Besucher könnten die niedrigen Temperaturen in ihren Befindlichkeiten stören, sondern ebenso die Orgeln. Die Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands weist allerdings darauf hin, dass die Instrumente in der Regel keine Raumheizung benötigen, was auch Bauer vom Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf bestätigt: „Solange die relative Luftfeuchte in Ordnung ist, muss man sich fast keine Sorgen machen.“ Das heißt, sie sollte weder zu hoch sein noch starken Schwankungen unterliegen, insbesondere in Kirchen, die lange Zeit durchgehend konstante Temperatur- und Luftfeuchtewerte aufgewiesen haben.
Sonst könnten Spannungen im Materialgefüge der Orgel oder gar Schimmelbefall in ihrem Inneren entstehen. Kurzzeitiges Aufheizen – auch zu Weihnachten oder bei Beerdigungen – ist also ausgeschlossen. In beiden Kirchenkreisen ist unter anderem zum Schutze der Orgeln die Anschaffung sogenannter Datenlogger geplant, die die Temperatur- und Feuchtigkeitswerte in den Gotteshäusern überwachen.
Kirchenkreis hat 2021 insgesamt 111.000 Euro für Gas ausgegeben
Hauptgrund für die Temperaturabsenkungen in den Räumlichkeiten der Kirche sind selbstverständlich die Kosten. „Es geht jetzt schlicht ums Geld, ums Noch-Bezahlen-Können“, so deutlich formuliert es der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein in seinem Schreiben. „Und damit geht es auch darum, zu entscheiden, was mit dem zur Verfügung stehenden Geld bezahlt werden sollte: Energie oder inhaltliche Arbeit an und mit Menschen.“
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Schließlich soll die Kirchensteuer nicht buchstäblich verheizt werden. 111.000 Euro und 23,4 Millionen Kilowattstunden Gas habe der Kirchenkreis im vergangenen Jahr fürs Heizen aufwenden müssen, nun geht er von einer Verfünffachung der Preise aus. Der derzeitige Verbrauch soll deshalb zukünftig um die Hälfte reduziert werden.
Energiekrise und Klimawandel: Sparmaßnahmen sollen auch weiterhin gelten
Allerdings, so berichten beide Kirchenkreise, könnte die Krise auch der Motor für ein größeres Unterfangen werden: Die Nordkirche, zu der auch die beiden Kreise Rantzau-Münsterdorf und Hamburg-West/Südholstein gehören, möchte nämlich bis 2035 klimaneutral werden. „Das heißt, die allgemeinen Empfehlungen, um jetzt Energiekosten zu sparen, könnten im Prinzip durchgängig gelten. Unser Ziel ist ja, die Verbräuche dauerhaft zu senken“, so Klimakoordinatorin Bauer. Mittelfristig ohne fossile Energieträger zu heizen, sei ein weiterer relevanter Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Auch Benthack erklärt, dass der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein jetzige Anstrengungen selbst nach Entspannung der Situation beibehalten wolle. Stichworte sind hier laut Handreichung Suffizienz, Effizienz und Substitution – also die Bedarfsreduzierung, Wirksamkeitssteigerung und der Umstieg auf erneuerbare Energien. „Denn 2035, das ist ja nur noch zwölf Jahre hin. Da haben wir echt noch eine Aufgabe“, begründet er.