Kreis Pinneberg. Wiederbelebung der Notunterkunft im ehemaligen Wedeler Krankenhaus wird geprüft. Städte sind an der Kapazitätsgrenze.
Der Flüchtlingszustrom aus dem Osten reißt nicht ab. Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind bereits etwa 3600 Geflüchtete im Kreis Pinneberg angekommen, davon rund 3170 Ukrainer. Nun kommen absehbar wohl noch russische Männer hinzu, die vor der Teilmobilmachung in ihrem Land flüchten.
Kreis Pinneberg: Zahl der Flüchtlinge höher als 2015
Insgesamt ist die Zahl der Geflüchteten im Kreis jetzt schon höher als beim großen Flüchtlingszustrom 2015. Damals lag die Zahl der Geflüchteten im ganzen Jahr bei 3278. Laut dem Verteilungsprinzip des Königsteiner Schlüssels muss der Kreis etwa zwölf Prozent aller Flüchtlinge, die nach Schleswig-Holstein kommen, aufnehmen. Dem Bundesland selbst werden 3,4 Prozent aller bundesweit registrierten Flüchtlinge zugeteilt.
Im Kreis bringt das vor allem das Problem der Unterbringung mit sich. Zuständig sind die Kommunen und Städte. Die stehen allerdings vor der Herausforderungen, bei einem umkämpften Wohnungsmarkt freie Unterkünfte zu finden. „Unterbringungskapazitäten, die 2015 frei waren, werden heute schon genutzt“, sagt Kreissprecherin Katja Wohlers. Im Gespräch ist, wie im Frühjahr, das ausgediente Krankenhaus in Wedel als Notunterkunft zu nutzen. „Die Notunterkunft Wedel zu reaktivieren, ist eine Option, die zwischen Kommunen und Kreis aktuell intensiv geprüft wird“, so Wohlers.
Wedeler Krankenhaus könnte wieder zur Notunterkunft werden
„In Gesprächen ist deutlich geworden, dass es den Kommunen helfen würde, wenn es wie schon im April/Mai erneut eine Notunterkunft geben könne, um Geflüchtete aus der Zuweisung des Landes für einige Tage in einer zentralen Einrichtung unterzubringen“, so die Kreissprecherin. Auf diese Weise würden die Kommunen einen zeitlichen Puffer gewinnen, um eine dauerhafte Unterbringung zu finden. Die Planungen dazu liefen, genauso wie die Gespräche über Finanzierungsmöglichkeiten.
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Russische Geflüchtete, die vor der Einberufung in den Kriegsdienst fliehen, seien bislang zwar noch nicht im Kreis Pinneberg angekommen. Ob es zwischen Ukrainern und Russen zu Konflikten kommen könnte, darüber lasse sich noch keine Aussage treffen. „Generell ist in den Konzepten der Unterbringung ein wichtiger Punkt, mögliche Konflikte von vornherein zu vermeiden, etwa durch räumliche Trennung“, sagt Wohlers. Zudem sei eine Unterbringung in einer Notunterkunft nur über Tage vorgesehen, nicht über viele Wochen oder Monate.
Bürgermeisterin in Tornesch will Politik Container-Lösung vorschlagen
In Tornesch werden momentan 295 Menschen vom Ordnungsamt betreut, davon 147 ukrainische Flüchtlinge und 16 Obdachlose. Der Rest sind Geflüchtete aus anderen Ländern wie Eritrea, Syrien, Afghanistan und Irak. „Ich konnte 80 Wohnungen in Tornesch anmieten und das zu fairen Preisen“, sagt Bürgermeisterin Sabine Kählert. Auf Mietwucher habe man sich gar nicht erst eingelassen.
Einen Tag nach Ausbruch des Ukrainekrieges am 24. Februar hätten sich Menschen gemeldet, die Ukrainer bei sich aufnehmen wollten. „Das ist großartig“, sagt Kählert. Viele Ukrainer, hätten auch familiären Anschluss gefunden. Allerdings gebe es auch Fälle, in denen nach einer Weile des Zusammenlebens klar wurde, dass dies keine Dauerlösung sei. „Wir haben auch noch Flüchtlinge, die 2015 zu uns kamen, und immer noch keine Wohnung finden konnten“, sagt das Stadtoberhaupt. Der Mietmarkt sei leer gefegt. „Und keiner von uns weiß, wie viele noch kommen.“ Das Leid sei unermesslich.
DaZ-Klassen für Geflüchtete sind alle voll belegt
Der Politik will Kählert nun vorschlagen, eine Gemeinschaftsunterkunft zu organisieren. Die Verhandlungen für ein Gebäude laufen bereits. Mehr möchte sie noch nicht sagen. Alternativ könnte ein Containerdorf auf einer städtischen Fläche errichtet werden. „Die letzte Stufe, Flüchtlinge in Sporthallen unterzubringen, wie es bereits in Neumünster geschieht, möchte ich um jeden Preis vermeiden.“ Kinder sollten nicht unter der angespannten Lage leiden müssen.
Unterstützung erfährt Kählert von der Flüchtlingsbeauftragten Birgit Berger und ihrem Team aus Ehrenamtlichen. „Viele Menschen, die schon 2015 geholfen haben, geben jetzt noch mal alles“, sagt Kählert. Sie bräuchten professionelle Unterstützung, aber ihr fehle Personal. „Ich erwarte vom Land, dass es uns finanziell unterstützt.“ Die DaZ-Klassen seien voll, es fehle an Ausstattung und Lehrern. Auch Kinder ab fünf Jahren ohne Deutschkenntnisse müssten besser auf den Schuleintritt vorbereitet werden.
„Die Kommunen sind mit so vielen Aufgaben wie Digitalpakt, Schaffung von Kita-Plätzen und der Aufnahme von Geflüchteten betraut, das ist nicht mehr zu leisten“, sagt Kählert. „Nun kommen noch Gasmangel und steigende Energiekosten dazu. Allein dadurch entstehen uns für die städtischen Liegenschaften 1,5 Millionen Euro an Mehrkosten. Dabei sparen wir schon, wo wir können.“
Ukraine-Krieg: Schon mehr als 500 Geflüchtete in Elmshorn
In Elmshorn wurden bisher 530 Ukrainer registriert, insgesamt 600 Asylanträge gestellt – mehr als 2015. Ralf Behn, Amtsleiter für Soziales in Elmshorn: „Im Unterschied zu 2015 sind es vor allem Mütter mit Kindern, die fliehen.“ In der Sammelunterkunft im ehemaligen Postgebäude an der Kurt-Wagener-Straße sind mittlerweile ausschließlich Ukrainer untergebracht.
Zudem mietet die Stadt Wohnungen an. „Wir sind in der Lage, nicht auf Wuchermieten eingehen zu müssen. Wir haben einen gewissen Puffer an Wohnungen und sind im Vergleich zu anderen Städten gut aufgestellt“, sagt Behn. Das sieht bei den Plätzen in Kitas und Schulen anders aus. „Wir können nicht alle Kinder unterbringen“, sagt Behn.
Hilfsbereitschaft für Geflüchtete in Elmshorn ist groß
Die DaZ-Klassen seien voll. „Wir waren nicht auf die Anzahl von ukrainischen Flüchtlingen vorbereitet, aber im Unterschied zu 2015 haben wir Strukturen, auf denen wir aufbauen können“, so der Sozialamtsleiter. Und auch die Hilfsbereitschaft sei groß. Das Willkommensteam, das ehrenamtlich Flüchtlinge betreut, bestehe seit 2015, auch wenn die Treffen nicht mehr im Mühlencafé, sondern in der Bücherei stattfinden.
Auch wenn einer dezentralen Unterbringung immer der Vorzug gegeben werde – in der Schublade lägen Pläne für Container. „Davon wollen wir aber nicht Gebrauch machen“, sagt Behn. Er sagt aber auch, dass die Kapazitäten der Städte und Kommunen erschöpft seien. Er schlägt vor, auf Landesebene zu prüfen, ob die Unterbringung in Erstaufnahmestellen – derzeit sind es vier Wochen – verlängert werden könne. „Das könnte einigen Kommunen etwas Luft verschaffen.“
Ukraine-Krieg: Pinneberg erwartet Hilfe von Bund, Land und Kreis
Die Stadt Pinneberg bringt rund 14 Prozent der Flüchtlinge unter, die im Kreis Pinneberg landen. „Da wir nicht wissen, wie viele kommen werden und es nur Schätzungen gibt, ist alles weitere ein Blick in die Glaskugel“, sagt Bürgermeisterin Urte Steinberg. „Im Frühjahr haben wir mit deutlich mehr Personen aus der Ukraine gerechnet als am Ende in der Stadt angekommen sind.“
Seit der Flüchtlingswelle 2015 habe Pinneberg Strukturen aufgebaut, um mit derartigen Ereignissen fertig zu werden. Diese Strukturen hätten sich im Frühjahr bewährt. „Wir haben ein gutes und eingespieltes Team. Daher bin ich zuversichtlich, dass wir das, was auf uns zukommt bewältigen können“, so Steinberg. Von Bund, Land und Kreis erwarte sie, den ersten Ansturm abzupuffern, „damit wir vor Ort für eine adäquat ausgestattete Unterbringung sorgen können.“
Auch Wedel und Uetersen erreichen ihre Kapazitätsgrenzen
Auch in Uetersen ist der Wohnungsmarkt angespannt. Die private Aufnahme von Geflüchteten sei nicht immer eine dauerhafte Lösung. Darum will die Stadt erste Container auf einem erschlossenen, freien Bauplatz aufstellen. „Je nach Familienkonstellation können dort 20 Menschen unterkommen“, sagt Bürgermeister Dirk Woschei. „Aber ich befürchte, das wird nicht ausreichen.“
Parallel dazu, versucht die Stadt, weitere Wohnungen für die Unterbringung anzumieten. Doch der Wohnungsmarkt rund um Hamburg sei umkämpft. „Wir sind auf Unterstützung angewiesen. Wer noch Wohnraum zu vermieten hat, kann sich gern im Rathaus melden.“
Ukraine-Krieg: Wedel bei Flüchtlingsunterbringung an der Kapazitätsgrenze
Die Stadt Wedel operiert an der Kapazitätsgrenze mit kleinem Puffer für akute Fälle, die ohne vorherige Benachrichtigung dringend untergebracht werden müssen. „Die Unterbringungssituation ist durch stetige Zu- und Abgänge zwar volatil, aber derzeit recht konstant an der oberen Kapazitätsgrenze“, sagt Stadtsprecher Sven Kamin.
Wie alle großen Städte im Kreis erfülle die Stadt Wedel damit die Quote bereits jetzt. „Mit einer gewissen Sorge blickt die Stadt Wedel auf die aktuelle Situation im Land Schleswig-Holstein, da zusätzliche Zuweisungen durch das Land aktuell nicht ausgeschlossen werden können.“ Dies würde die ohnehin angespannte Situation weiter verschärfen.