Helgoland. Mit dem „Halunder Jet“ vom roten Felsen zum Windpark „Meerwind Süd/Ost“. 100 Passagiere bei der Abschlussfahrt der Saison.

Langsam schälen sich die Windräder aus dem Dunst über dem Meer, ihre Zahl wird immer größer. Kapitän Heiner Eilers hat die Geschwindigkeit des „Halunder Jet“ gedrosselt, fährt in 500 Meter Sicherheitsabstand entlang der Südseite des 47 Quadratkilometer großen Windparks „Meerwind Süd/Ost“. Es weht eine steife Brise hier auf hoher See, rund 23 Kilometer nördlich von Helgoland. Schade, dass der Seegang etwas zu hoch ist für die kleinen Versorgerschiffe. Es wäre sicherlich interessant für die Passagiere, sie zu beobachten.

Helgoland: Nordsee ist wichtiger Standort für Windenergie

Doch auch ohne die kleinen Offshore-Taxis, die Material und Wartungsmechaniker von der Versorgungsbasis auf dem roten Felsen in den Windpark bringen und dort hin und her flitzen, lohnt sich der Anblick. Es ist die letzte von vier Offshore-Touren, die die Förde-Reederei Seetouristik (FRS) in dieser Saison anbietet.

Am Südhafen Helgolands startet die Windpark-Tour mit dem „Halunder Jet“.
Am Südhafen Helgolands startet die Windpark-Tour mit dem „Halunder Jet“. © Manfred Augener | Manfred Augener

Durchschnittlich buchen 75 Personen eine Tour zum Park „Windmeer Süd/Ost“, bei der Fahrt zum Saisonabschluss sind es sogar 100 Gäste, sagt Svenja Bukowsky, Marketing-Managerin bei der FRS. Offenbar ist das Interesse groß an den Turbinen auf hoher See, die in der aktuell schwierigen Energielage dazu beitragen, grünen Strom zu produzieren.

Die Gäste kommen nicht unvorbereitet zum Windpark. Zum Service an Bord des Katamaran gehören Videos, die auf mehreren Bildschirmen laufen. So erfahren sie während der Hinfahrt jede Menge Hintergründe sowie technische Daten über „Meerwind Süd/Ost“.

Windpark vor Helgoland versorgt rund 360.000 Haushalte mit Strom

Insgesamt gehören 80 Windenergieanlagen mit einer Leistung von je 3,6 Megawatt zum Windpark, dessen Wassertiefe bei durchschnittlich 25 Meter liegt. Über eine Transformatorenplattform werden bis zu 288 Megawatt in das Netz eingespeist – genug, um rund 360.000 deutsche Haushalte mit Strom zu versorgen. Der Strom fließt dabei 85 Kilometer per Seekabel zur Küste und wird über Büsum und Büttel ins Stromnetz eingespeist.

Die Anlage des Bremerhavener Unternehmens WindMW wurde 2014 als erster kommerziell betriebener Windpark in Deutschland fertiggestellt und gilt seither als eines der vielversprechendsten Offshoreprojekte des Landes. Helgoland dient dabei als Reparatur-, Wartungs- und Servicestützpunkt und wurde damit zur ersten Offshore-Service-Insel weltweit. Der Bau des Windparks hat rund 1,2 Milliarden Euro gekostet.

Am Windpark „Meerwind Süd/Ost“ angekommen, zücken die Besucher auf dem Freideck Kameras und Ferngläser.
Am Windpark „Meerwind Süd/Ost“ angekommen, zücken die Besucher auf dem Freideck Kameras und Ferngläser. © Manfred Augener | Manfred Augener

Windräder in der Nordsee sind bis zu 150 Meter hoch

Wie der Bau der „grünen Kraftwerke“ auf hoher See vor sich geht, wird per Video verständlich für jedermann erklärt. Bis zu 70 Meter lange Stahlröhren, sogenannte Monopile-Fundamente, werden von Spezialschiffen aus in den Meeresboden getrieben. Etwa drei Meter hoch ragen sie aus dem Wasser, wenn eine Art Adapter aufgesetzt wird – deutlich zu erkennen an der knallgelben Farbe am Fuß jeder Windanlage. Darauf werden dann Mast, Maschinenhaus und Rotor gesetzt. Die Gesamthöhe einer Anlage liegt bei fast 150 Metern, gemessen von der Rotorblattspitze.

Weitere Zahlen: Ein Maschinenhaus wiegt allein 136 Tonnen, ein Rotor 103 Tonnen. Und die große Umspannstation mit drei Geschossen und einem Heli-Deck, die mitten im Windpark liegt und bei der alle Stromkabel der 80 Windräder mit einer Gesamtlänge von 107 Kilometern zusammenlaufen, wiegt rund 3500 Tonnen. Insgesamt, nehmen die Gäste als Information mit, wurden in „Meerwind Süd/Ost“ rund 85.000 Tonnen Stahl verbaut.

Helgoland: Internationale Besucher schauen sich den Windpark an

Die meisten Passagiere haben sich nach Ende des Videovortrags auf das mehr als 200 Quadratmeter große Freideck des Katamarans begeben, der die riesigen Windräder in gebührendem Sicherheitsabstand passiert. Bei den einen werden Kameras und Ferngläser gezückt, andere fachsimpeln über das gerade Gehörte. Viele lassen einfach nur den Anblick der Anlagen auf sich wirken.

Jan Sjöstrand aus Schweden zeigt sich beeindruckt von den Dimensionen des Windparks.
Jan Sjöstrand aus Schweden zeigt sich beeindruckt von den Dimensionen des Windparks. © Manfred Augener | Manfred Augener

Einer von ihnen ist der Schwede Jan Sjöstrand, der einen Deutschlandbesuch zu einer Fahrt nach Helgoland nutzt und dabei vom Offshore-Trip erfahren hat. Ihn beeindruckt die Größe des Windkraftparks. „Energiegewinnung aus Windkraft finde ich sehr interessant“, sagt Sjöstrand, der sehr gut Deutsch spricht. In Sachen erneuerbare Energien ist Schweden Spitze in Europa, hauptsächlich aufgrund von Wasserkraft und Biokraftstoffen. Auch Energie aus Kernkraft ist etabliert. Bei der Windkraft wollen die Schweden ebenfalls durchstarten.

Helgoland: Nordseeinsel ist mit der Windkraft verbunden

Nachdem der „Halunder Jet“ gewendet und seine Fahrt entlang des Windkraftfeldes beendet hat, geht es zurück gen Helgoland. Auf der Rückfahrt informiert ein weiteres Video über den Herstellungsprozess der Windanlagen von „Meerwind Süd/Ost“. Inklusive Treibstoffzuschlag zahlen die Passagiere derzeit 42 Euro für den Ausflug zum Windpark.

Bemerkenswert: Jede der 80 Windkraftanlagen trägt deutlich sichtbar einen Namen – und zwar stammt der von Mitarbeitern der WindMW und deren Kindern. Eine besondere Art der Identifikation mit „Meerwind Süd/Ost“.