Elmshorn. Für Hunde mit Problemen gilt ein Aufnahmestopp, 50 Tiere stehen auf der Warteliste. Das sind die Gründe dafür.

Das Tierheim Elmshorn ist voll. Insgesamt sind aktuell 116 Tiere dort untergebracht. Unter anderem 22 Hunde, 64 Katzen und etwa 30 Kleintiere. Nur noch ein Notfallzwinger ist frei. Auf der Warteliste stehen noch einmal rund 50 Hunde. „Wir haben keine Kapazität mehr“, sagt Pamela Popp, stellvertretende Leiterin der Einrichtung.

Tierheim Elmshorn schlägt Alarm: „Keine Kapazität mehr“

Der Sommer sei immer Hauptsaison für die Tierheime, denn es werden einfach mehr Tiere gefunden, da mehr Menschen im Freien unterwegs sind als in den Wintermonaten, mutmaßt die ausgebildete Hundetrainerin. Doch jetzt werden mehr und mehr alte Katzen und viele Hauskaninchen ausgesetzt. Der Gesundheitszustand der Kaninchen ist oft schlecht: Sie sind unterernährt und viele weisen Bisswunden auf, die akut tiermedizinische Behandlungen erforderlich machten. „Das sind wohl Tiere, die während Corona-Zeiten angeschafft wurden, die die Leute nun wieder loswerden wollen“, so Popp. Wahrscheinlich haben sich die Kuscheltiere als nicht so unkompliziert herausgestellt, wie gedacht, haben mehr Arbeit und Kosten verursacht.

Letzteres gilt auch für die Hunde, die in Elmshorn vorerst ein neues Zuhause gefunden haben. Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Hunden in die Höhe getrieben – das merken auch die Mitarbeiter im Tierheim. Sie beobachten aber auch einen anderen Trend: Mittlerweile landen dort vor allem „Problem-Hunde“, die sich schwer oder kaum mehr vermitteln lassen. „Von den 22 Hunden tragen 17 einen Maulkorb beim Spaziergang“, erklärt Popp. Ein paar wenige davon haben ihre Vorbesitzer tatsächlich gebissen. Bei den anderen Vierbeinern sei es aber nicht auszuschließen, dass es in einer für den Hund stressigen Situation zu einer Attacke kommen könnte.

Im Elmshorner Tierheim landen vor allem Problem-Hunde

Nicht die sogenannten Kampf- oder Listenhunde seien das Problem, sondern mittlerweile Hunde aller Rassen – vor allem Herdenschutzhunde, so die Tierschützerin. Ob Labrador oder Französische Bulldogge, „die großen, kräftigen Tiere sind sehr gefragt, kleine Hunde werden nicht ernst genommen“, meint Popp.

Immer mehr Menschen kaufen Tiere, ohne genau darüber nachzudenken, ob sie in die Lebensplanung oder in die Lebensphilosophie passen. Sie informieren sich nicht über die Rasse. „Das sind Impulskäufe“. Oft handelt es sich um Hunde aus dem Online-Handel. Gesund oder krank, geimpft oder nicht, schnell und ohne Nachfrage gehen die Tiere nach wenigen Klicks über den virtuellen Ladentisch. Seriöse Informationen zu Vorgeschichte oder bisheriger Sozialisation gibt es dort nicht. Und es fehle eine Kennlernphase.

Dies trifft auch auf Hunde zu, die im Ausland von der Straße mitgenommen werden. Hinzu kommt, dass die Tiere unsozialisiert sind. Wegen Corona waren Hundeschulen lange geschlossen. „Hunde brauchen Führung“, so Popp. Jedes Tier sollte mental und körperlich ausgelastet werden. Und es braucht tierische Gesellschaft. In Tierheimen und Hundeschulen können sich Hundekäufer noch nie so gut informieren wie heute, sagt Popp. „Sie tun es aber nicht. „Die auffälligen Tiere landen dann bei uns“. „Der muss einfach weg“! oder „Kann ich den hier umtauschen?“ bekäme sie oft zu hören. „Wir sind eine Wegwerfgesellschaft“, stellt Popp bestürzt fest.

Tierheim Elmshorn benötigt etwa 500.000 Euro im Jahr

Klein und knuddelig kam der Kangal Clyde in der Türkei auf die Welt. Doch dabei blieb es nicht. Ausgewachsen mit einer Schulterhöhe von bis zu 85 Zentimetern sollte der Vierbeiner dann in Elmshorn einen Schrottplatz bewachen. Den Job machte der Herdenhund dann so gut, dass er selbst die Besitzer nicht mehr auf das Gelände ließ. 2019, mit 15 Monaten, wurde er ins Tierheim gebracht. Damals war es unmöglich, ein neues Zuhause für ihn zu finden, denn große Hunde lagen nicht im Trend. „Wir bekamen keine Anfragen“, so Popp. Heute gehört er schon zum Inventar, hat zu den Tierpflegern Vertrauen aufgebaut und bewacht jetzt das Tierheim.

Die Gesamtkosten des Heims belaufen sich auf etwa 500.000 Euro pro Jahr. Ein Drittel der Kosten wird von den Ordnungsbehörden erstattet. Ein weiteres Drittel kommt an Spenden zusammen, das letzte Drittel durch die Vermittlungsgebühren, Futter- und Sachspenden. In der Regel nehmen Tierheime am häufigsten Fundtiere auf. Ihre Unterbringung gehört zu den kommunalen Pflichtaufgaben, denn sie zählen rechtlich zu den „Fundsachen“.

In Schleswig-Holstein zahlen die Ordnungsämter der Kommunen für jedes Fundtier einen Satz für Unterhalt, Futter oder tierärztliche Behandlung. Aber nur 28 Tage lang. Durchschnittlich bleiben Fundtiere drei Monate im Elmshorner Tierheim. Problematisch sei daher die Unterbringung der Hunde, die wegen Rasse, Wüchsigkeit oder Verhaltensauffälligkeiten nicht vermittelbar sind. „Das finanzieren wir aus Spenden“, erklärt Popp, die seit 2009 für das Heim tätig ist.

Elmshorner Tierheim hat keine Kapazitäten mehr

Auch die beiden American Staffordshire Terrier Finnigan und Mr. Bean sind auf Spenden angewiesen. Und ihre Vermittlung könnte problematisch werden, stand doch diese Gattung bis 2015 auf der abgeschafften Rasseliste für gefährliche Hunde. Der zweieinhalb Jahre alte Finnigan wurde über die Behörde als Sicherstellung vom Tierheim Elmshorn übernommen, nachdem er gerade frisch eingezogen in seinem neuen Zuhause in das Gesicht des in der Familie lebenden Kindes geschnappt oder gar gebissen hat. „Er ist eigentlich ein fröhlich-freundlicher Hund, solange er nicht gestresst ist“, betont Popp. Mr. Bean hingegen ist ein sogenannter Kellerhund. Er ist sehr auffällig, hat die Tierheimpfleger angegriffen und ist derzeit nicht vermittelbar.

„Wir haben keine Kapazität mehr“ betont Popp erneut. Helfen will das Tierheim trotzdem, bietet an, Anfragen weiterzuleiten. Denn Tierheime seien nicht dazu da, kostenlos Tiere aufzunehmen, die von ihren Besitzern schlecht behandelt wurden. „Und ich bin nicht dafür da, meine Knochen oder meinen Körper kaputt machen zu lassen“, sagt Popp und zeigt die Narben der Attacke. Auch werde die Zeit für jeden auffälligen Hund, mit dem gearbeitet werden muss, immer knapper. Im Tierheim gibt es alle Hände voll zu tun.

Einschläfern, um Kapazitäten frei zu machen für den Nachschub, der garantiert kommen wird, ist in Elmshorn keine Option. „Das dürfen wir auch nicht!“