Haseldorf. Beim Schleswig-Holstein Musik Festival gehen Xavier de Maistre und Lucero Tena in der Haseldorfer Marsch ganz neue Wege.
Wer am Dienstagabend den Rinderstall des Prinzen Carolath zum SHMF-Konzert besuchte, hatte schon, bevor die erste Note erklang, Sinn für Neues, Unerhörtes bewiesen. Zwei ganz besondere Musiker der Weltklasse hatten sich dort eingefunden, um mit „Serenata Espanola“ die Früchte eines höchst seltenen Experiments darzubieten: Der französische Harfen-Virtuose Xavier de Maistre und die mexikanische Kastagnettenspielerin und frühere Flamencotänzerin Lucero Tena.
SHMF-Konzert im Haseldorfer Rinderstall
Diese Grande Dame ihres Fachs, klein von Wuchs neben dem galant ihre Hand ergreifenden, um Jahrzehnte jüngeren Franzosen, ist die eigentliche Sensation des Abends. Was sie früher in rasenden Läufen ihren eigenen Absätzen an prasselndem Rhythmus-Feuerwerk eingab, das hat sie nach Beendigung ihrer Tänzerinnenkarriere ihren stetig kreiselnden Gelenken, Händen und Fingern übergeben. Nicht mehr tanzen? Aber nein. Diese inzwischen recht betagte Dame tanzt weiter. Mit dem Nacken, den Armen, den koketten Schultern und kundigen Händen.
Mit dem Harfenspiel von Xavier de Maistre, das – typisch spanisch – eigentlich für Gitarre oder Cembalo geschrieben war, mag das im ersten Teil nicht immer harmonieren. Da wirken ihre klackenden Kastagnetten-Einwürfe meist nur begleitend und kommentierend, ohne dass sie ihre eigene Kraft, ihre eigene Dynamik entfalten könnte. Das mag auch an den Auszügen aus Isaac Albéniz’ Stücken liegen, die, für die Harfe arrangiert, gelegentlich ins Süßliche changieren. Möglicherweise braucht dieses ungewöhnliche Konzert auch eine Aufwärmphase für die Zuhörer in der fast komplett besetzten Halle.
SHMF: Harmonien von Harfe und Kastagnetten
Nach der Pause aber sind die Ohren eingestimmt, und die Sonate von Antonio Soler, noch im Barock zu Hause, erklingt schon auf der Harfe so wunderschön, frisch und facettenreich, dass sich Lucero Tena wie auf Adlerschwingen darauf empor und wieder hinabspielt. Selbst in den leisesten, langsamsten Stellen ist ihre weibliche musikalische Präsenz und Offensive, die aus dem Flamenco kommt, zu spüren.
Die dann folgenden Valses poéticos des zweiten spanischen Granden, Enrique Granados, erweisen sich auf der Harfe als glückliche, bravourös gespielte Bereicherung des sonst eher schmalen Solo-Repertoires. Selten dreht sich hier der Rundtanz wienerisch regelmäßig, immer wieder wird die Walzerseligkeit durchbrochen, umgelenkt, variiert und von Melancholie durchtränkt.
Die volle Wucht ihrer rhythmischen Musikalität kann Lucero Tena in Manuel de Fallas hier ganz neu erklingender Danza Espanola entfalten, die ja eh schon so geschrieben ist, dass die Kastagnetten darin auftrumpfen können. Kaskaden präziser spanischer Rhythmen entlockt sie ihren beiden Holzschalen. Bravo!