Rellingen. SHMF-Kritik: Frank Peter Zimmermann und Martin Helmchen begeistern in der Rellinger Kirche – trotz eines Bruchs.
Das erste Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Kreis Pinneberg war gleich so hochkarätig besetzt und gelungen, dass selbst Kenner und Musiker, die nicht zu knapp im Publikum der Rellinger Kirche versammelt waren, streckenweise den Atem anhielten. Der Geiger Frank Peter Zimmermann und der Pianist Martin Helmchen spielten am Montagabend drei Violinsonaten von Brahms – und als Kontrast dazu eine weitere von Bartók.
Weder bringen die beiden Musiker ein Talent zum Entertainment mit oder haben Lust zum Moderieren, noch sind sie zu Selbstdarstellern geboren. Das tut dem Konzert aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Den ganzen rund zweistündigen Abend lang steht allein die Musik im Vordergrund. Der begnadete Zimmermann entlockt seiner Stradivari eine unfassbare Bandbreite des Ausdrucks – von seidenweicher Zartheit, die nie in Kitsch abgleitet, bis zu harschen, zerklüfteten Tönen.
Pianist Martin Helmchen überzeugt Publikum in der stimmungsvollen Kirche
Mal trägt er die Melodie, mal baut Martin Helmchen eine Stimmung auf, leistet sich eine ländliche Träumerei oder rast getrieben durch Brahms’ dichtes Geflecht aus sich übertrumpfenden musikalischen Einfällen. Die durch die Fenster fallende Abendsonne tut ihr Übriges – was für kreative Musik klingt da durchs Kirchenschiff!
Die wird dann aber vor der Pause mit einem verstörenden Kontrastprogramm aufgemischt: Bartóks Sonate für Violine und Klavier. Da öffnet Helmchen seinen Flügel wie einen Zauberkasten und entlockt ihm immer fremdere, gänzlich unromantische Töne.
Zimmermann zerdehnt Bartoks liedhafte Ansätze, verlangsamt sie, lässt sie auf- und abschwellen – und zwischendurch wechseln längere Pizzicato-Passagen mit dem maschinell stampfenden Klavier bis zum Teufelsritt über Tasten und Saiten, bei dem einmal mehr die ungeheure Virtuosität Zimmermanns hörbar wird, seine Wandlungsfähigkeit, die er so ganz pur und innerlich vorträgt.
Beide Musiker ernteten Bravorufe
Wie die beiden vertieften Musiker sich überhaupt verständigen, lässt sich nur erahnen. Da sie aber Beethovens sämtliche Violinsonaten zusammen aufgenommen haben, ist diese Kammermusik-Partnerschaft wohl durchs Feuer gegangen. Es muss aus dem Augenwinkel heraus sein...
Schon vor der Pause ernten Zimmermann und Helmchen Bravorufe. Die dritte Sonate kommt zuletzt, und hier erreichen die beiden trotz aufbegehrender Unruhezustände eine große Gefühlstiefe und Wahrhaftigkeit, und die mehrfach beschworene Vergänglichkeit des Lebendigen wird fühlbar. Als Zugabe ein Adagio von Beethoven – und eine glückliche, ja beseelte Fangemeinde verlässt die Kirche.