Heidgraben. Der Rosarie Pflanzenhandel in Heidgraben prüft neue Rosensorten des französischen Züchters Meilland für das deutsche Klima.

Geht es im Pinneberger Baumschulland um Rosenzucht, sind eigentlich immer zwei große Namen zu hören: Kordes und Tantau, die weltweit aktiven Züchter aus dem Kreis Pinneberg. Es gibt aber noch einen dritten im Bunde, dessen verlängerter Arm bis nach Südfrankreich reicht. Er ist, historisch gesehen, mit dem Namen eines einst sehr einflussreichen Baumschulers der Gegend verbunden: Gustav Strobel.

Seine 1986 pleitegegangene Firma war samt aller Lizenzen zunächst übergegangen an die Firma BKN Strobel. Einige Jahre später war auch dort Schluss, und der dort vorher beschäftigte Baumschuler Armin Eßer und sein Kollege Hansjörg Kähler gründeten den Rosarie Pflanzenhandel in Heidgraben. Das war vor sieben Jahren. Seitdem sind die französische Rosen von Meilland, mit denen sie sich seit damals bestens auskennen, ihre Hauptbeschäftigung. Geordert werden sie von Wiederverkäufern.

Rosen: 30 Millionen Mal wurde die „Gloria Dei“ geordert

Dass Meilland ebenfalls sehr erfolgreiche Züchter hat, beweisen die Namen ihrer Rosen: Allein die „Gloria Dei“ ist eine der meistverkauften Edelrosen der Welt. In den USA 1945 auf den Namen „Peace“ getauft, wurde sie allein in den ersten zehn Friedensjahren 30 Millionen Mal verkauft. Strobel, ihr einstiger Deutschland-Partner, hatte eine Nase fürs Geschäft, und gelegentlich setzte er auf Rosen von Meilland, bei denen sich andere an die Stirn tippten. Eine davon heißt „Eden“. Sie ist bis heute eine der erfolgreichsten Rosen geblieben und seit 1985 unter den Top Ten der Firma. Auch die dicht gefüllte, robuste „Leonardo da Vinci“ ist seit 1994 der Kracher. Sie ist in vielen öffentlichen Parks zu finden.

Armin Eßer ist ein Mann der Praxis, das ist sofort zu spüren. Die Firma habe er damals gegründet, weil die Franzosen auf ihn zugekommen seien. „Sie haben sich nach der Schließung von BKN Strobel um die Kontrolle über die Lizenzen gesorgt“, erinnert er sich. Seitdem freut er sich an „einem wunderbaren Job“. Der besteht unter anderem darin, fast täglich den von ihm so genannten „Katastrophenacker“ zu besuchen. Das ist das Testfeld für die Gartenrosen der Zukunft.

Drei Winter und zwei Sommer stehen dort rund 500 Sorten in zwei Jahrgängen, die er regelmäßig bei seinen Frankreich-Besuchen nahe St. Tropez aus jeweils 400 neuen auswählt. „Wir gucken und schnuppern“, sagt Eßer. „Und dann sagen wir, welche wir spannend finden und bestellen uns Vermehrungsteile.“ Die werden auf Wildunterlagen aufgepfropft und gelangen dann nach Norddeutschland. „Hier auf dem Testfeld sollen die Rosen beweisen, was sie können. Deshalb quälen wir sie. Sie bekommen nur Wasser, sonst nichts. Und nur die Klitschkos unter den Rosen schaffen es bis zur Marktreife.“

Rosenhändler Eßer hat auf vielen Pflanzenmärkten gestanden

Eine davon heißt „Zepeti“. Sie ist überaus robust, voller gleich aussehender, lange blühender roter Blüten. Sie blüht durch und ist völlig anspruchslos. Davon, in ganz Deutschland verkauft zu werden, sind die Rosen auf dem Testfeld, die dort in langen Reihen, in allen Farben und Blütengrößen und -formen blühen, noch weit entfernt. „Diese Rosen hier sollen in Zukunft Tante Liese von Dresden bis Hamburg glücklich machen“, sagt Eßer. „Deswegen müssen wir sie lange testen.“

Zweimal im Jahr reisen die Franzosen von Meilland aus Südfrankreich an und begutachten, was aus dem lebenden Material geworden ist. Jedes aus Frankreich importierte Vermehrungsteil trägt eine Nummer und einen QR-Code auf einem wasserfesten Etikett. Auch die Eltern sind vermerkt. „Am Ende eines solchen Tages trinken wir zusammen Bier und diskutieren über die neuen Favoriten. Manche Sorten brauchen zehn Jahre bis zur Markteinführung“, sagt Eßer. Die gesamte Produktion läuft auf eigenes Risiko und auf eigene Kosten.

Rosen kämpfen auf „Katastrophenacker“ ums Überleben

Wirkliche Unterschiede zwischen französischen und deutschen Züchtungen gebe es nicht, sagt Eßer. Wie bei den anderen auch, müssen Rosen, die bei Meilland als würdig erachtet werden, in den Verkauf zu gehen, qualitativ absolut herausragen. Die Blätter müssen kerngesund sein, sie sollen regelmäßig und nicht stakelig wachsen, sie dürfen im Winter nicht vertrocknen oder erfrieren, müssen in Kühlhäusern lagerfähig und über längere Zeit transportfähig sein. Ja, in modernen Zeiten, wo die Geschäfte fast über den ganzen Globus gemacht werden, müssen Rosen vieles aushalten.

Von den 100 Sorten, die Armin Eßer auf seinem „Katastrophenacker“ aufzieht und begutachtet, bleiben nach zweieinhalb Jahren Testphase zwei bis drei übrig. Das alles nützt aber wenig, wenn derjenige, der dann vorschlägt, was für den deutschen Markt taugt, nicht in vielen Jahren an der Verkaufsfront wertvolle Erfahrungen gesammelt hat. Eßer hat selber auf unzähligen Pflanzenmärkten gestanden. Er weiß, was läuft und was nicht, und er hat schon so manchen Trend vorab erkannt, fünf Jahre, bevor er zum Trend wurde. Seine Stimme wiege relativ schwer, aber „letzten Endes entscheiden die Franzosen“.

Die Früchte solcher Entscheidungen finden sich heute in den Pflanzenecken deutscher Supermärkte wieder, auf Wochenmärkten und in Blumenläden. Meilland habe seit Kurzem zwei junge Züchter, Guillaume Beaugéy und Juliette Einhorn. Von einem mit ihnen befreundeten ausländischen Züchter stamme die „Lilly Rose“, deren Geheimnis er sorgsam hütet. Es ist eine Zwergrose mit winzig kleinen rosa Blüten, die in einem Topf bleiben kann. Einfach entzückend...