Quickborn/Itzehoe. Der Sachverständige blättert den Lebenslauf der 96 Jahre alten Angeklagten auf. Daraus gehen auch ihre damaligen Aufgaben hervor.
Wie kam Irmgard F. (96) zu ihrer Anstellung als Stenotypistin im Konzentrationslager Stutthof? Dieser Frage widmete sich der historische Sachverständige Stefan Hördler am Montag im KZ-Prozess am Landgericht Itzehoe. Es war der 17. Verhandlungstag gegen die Quickbornerin, der Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen vorgeworfen wird – und er begann schleppend.
KZ-Prozess: Verteidiger will Unterlagen zu spät erhalten haben
Denn die beiden Verteidiger Niklas Weber und Wolf Molkentin fühlten sich einmal mehr vom Sachverständigen benachteiligt. Weber rügte, die für diesen Hauptverhandlungstag notwendigen Unterlagen des Gutachters erst am Freitag erhalten zu haben. Daher hätte die Verteidigung keine Zeit für eine ausreichende Vorbereitung und eine Besprechung mit der Mandantin gehabt. Der Antrag des Juristen: Den Sachverständigen erst zu hören, wenn die Verteidiger die Unterlagen gesichtet haben.
Der Vorsitzende Richter Dominik Groß lehnte diesen Antrag ab, weil alle am Prozess Beteiligten das vorläufige Gutachten inklusive der meisten Unterlagen bereits vor Prozessbeginn erhalten hatten und laut dem Zeitplan klar war, mit welchem Themenkomplex Hördler sich beschäftigen wollte. Im Anschluss forderte der Verteidiger einen Beschluss der gesamten Kammer zu dem Thema, die letztlich die Ablehnung durch den Chef-Richter bestätigte.
KZ-Prozess: Wie Irmgard F. den Job in Stutthof bekam
Durch dieses Geplänkel gehen fast eineinhalb Stunden verloren, ehe der Sachverständige zu Wort kommt. Der geht auf den Lebenslauf der Angeklagten ein, die nach der Schulzeit eine Handelsschule besuchte und dann bis Mai 1943 für die Dresdner Bank in Marienburg arbeitete. Die Bank führte viele Konten der SS und auch der Deutschen Ausrüstungswerke, die auf dem KZ-Gelände ihren Sitz hatten.
Hördler machte deutlich, dass in dem kleinen Ort Kalthof – dem Wohnort von Irmgard F. – mehrere SS-Männer lebten, die in Stutthof exponierte Stellungen einnahmen. Bei Straßensammlungen habe die SS in dem Ort eine starke Präsenz gezeigt – und zwar in direkter Nachbarschaft des damaligen Wohnhauses der Angeklagten.
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Imgard F. habe, so deutet es Hördler an, möglicherweise durch persönliche Beziehungen den Arbeitsplatz im Geschäftszimmer des Lagerkommandanten erhalten. Hördler zeigt auch das Zeugnis, mit dem sich die Angeklagte 1954 auf eine Stelle im Landeskrankenhaus Schleswig beworben hatte, die sie auch bekam. Damals waren ihre Kenntnisse im Stenografieren eher mittelprächtig, im Maschineschreiben dagegen sehr gut.
Im Geschäftszimmer oblag der Angeklagten gemeinsam mit Stabsscharführer Werner Hintz die Erledigung der ein- und ausgehenden Post für den Kommandanten. Zentrale Aufgabe sei auch die Abfassung der Kommandanturbefehle gewesen, die Lagerchef Paul Werner Hoppe diktierte und Irmgard F. zu Papier brachte. Teilweise finden sich in den Unterlagen auch handschriftliche Korrekturen, die Hördler aber eher Hintz als der Angeklagten zuordnet. Am Dienstag will der Sachverständige weiteres zur Rolle der heute 96-Jährigen in Stutthof berichten.